Regie: Scott Derrickson, Drehbuch: Scott Derrickson, C. Robert
Cargill, Musik: Mark Korven
Darsteller: Mason
Thames, Madeleine McGraw, Ethan Hawke, Jeremy Davies, Troy Rudeseal, E. Roger
Mitchell, Miguel Cazarez Mora, James Ransone, Rebecca
Clarke, Tristan Pravong, Brady Hepner
FSK: 16, Dauer: 104
Minuten.
Denver, 1978: Ein
Serien-Kindesentführer geht um in einem Vorort von Denver. Immer
wieder verschwinden Jugendliche spurlos und tauchen nie wieder auf, die
ermittelnden Polizisten Det. Wright (E. Roger Mitchell, "Barry
Seal") und Det. Miller (Troy Rudeseal, "Halloween
Kills") sind so ratlos, daß sie sogar bei der kleinen Gwen
Blake (Madeleine McGraw, TV-Serie "Outcast") auftauchen,
als sich herumspricht, daß sie von einem der Opfer geträumt und
danach ein Detail erwähnt hat, das nie an die Öffentlichkeit gegeben
wurde. Gwen lebt mit ihrem älteren Bruder Finn (Mason Thames,
TV-Serie "For All Mankind") bei ihrem mental instabilen Vater
Terrence (Jeremy Davies, "Ravenous") und hat von ihrer
verstorbenen Mutter scheinbar die Gabe des Wahrträumens geerbt. Das
könnte sich als nützlich erweisen, denn schließlich wird auch ihr
Bruder Finn vom Greifer (Ethan Hawke, "Die
glorreichen Sieben") entführt und in einem kargen Kellerraum
eingeschlossen. Dort befindet sich neben einer Toilette und einer
Matratze nur noch ein altes schwarzes Telefon mit durchtrenntem Kabel – das
aber trotzdem plötzlich läutet! Der ungläubige Finn stellt fest,
daß er von den vorherigen Opfern des stets mit einer makabren
Gesichtsmaske auftretenden Greifers angerufen wird, die
ihm aus dem Jenseits heraus dabei helfen wollen, zu entkommen und sich an ihrem Kidnapper und Mörder zu rächen ...
Kritik:
Joe
Hill (eigentlich: Joseph Hillström King) ist der Sohn von
Horror-Schriftsteller-Ikone Stephen King und eifert seinem
berühmten Vater bereits seit einigen Dekaden nach. Von den
unzähligen Erfolgen seines Vaters ist Hill zwar weit entfernt,
aber immerhin wurden zwei seiner Romane als Film respektive
TV-Serie adaptiert ("Horns", "NOS4A2") und mit
seiner Comic-Reihe "Locke & Key" (als Serie mit drei
Staffeln umgesetzt von Netflix) ist ihm sogar ein echtes Meisterwerk
gelungen. Auch Kurzgeschichten schreibt Hill und eine davon ist
die Vorlage für den äußerst atmosphärischen Mysterythriller "The Black Phone" von Scott
Derrickson ("Doctor Strange"). Gewisse stilistische
Parallelen zu den Arbeiten von Stephen King sind nicht von der Hand
zu weisen (allen voran zu "Es"), aber zum Glück
entwickelt sich "The Black Phone" eigenständig und schafft
es, mit vergleichsweise geringen Mitteln und beinahe ohne (körperliche)
Gewalt das Publikum in seinen Bann zu ziehen und es mit Finney
mitfiebern zu lassen. Erfreulicherweise erhielt "The Black
Phone" nicht nur richtig gute Kritiken, sondern
entwickelte sich auch an den Kinokassen zu einem veritablen Hit, der
rund das Zehnfache seines Budgets von weniger als $20 Millionen einspielte.
"The
Black Phone" lebt trotz einer gelungen eingefangenen 1970er
Jahre-Atmosphäre in erster Linie von seinem Personal - vor allem dem Protagonisten Finney und dem bösartigen
"Greifer". Mason Thames verkörpert Finney als relativ
durchschnittlichen Teenager, der zwar selbst ein Mobbing-Opfer ist,
sich aber davon niemals unterkriegen läßt und sich gleichzeitig
liebevoll um seine kleine Schwester kümmert – was auch nötig ist
angesichts eines meist betrunkenen und gelegentlich gewalttätigen
Vaters. Das geschwisterliche Band ist in beide Richtungen stark
ausgeprägt, denn auch die vorwitzige und schlagfertige Gwen stellt
sich immer schützend vor ihren Bruder, ohne dabei auf ihr eigenes Wohl
Rücksicht zu nehmen – eigentlich ein perfektes
Geschwister-Verhältnis, wenn auch unglücklicherweise auf familiärer
Tragik (mit toter Mutter und abweisendem Vater) aufgebaut.
Auf der anderen Seite haben wir den Greifer. Über ihn
als Person erfahren wir nicht wirklich viel, weshalb es (zumal er
fast nur mit Maske zu sehen ist) umso wichtiger ist, daß er von
einem echten Schauspiel-Könner zum Leben erweckt wird – und das
ist Ethan Hawke natürlich. Als Greifer umgibt ihn stets eine
unheimliche, bedrohliche Aura, auch wenn er (zunächst) kaum zu
körperlicher Gewalt greift. Seine Motivation ist zumindest
interessant und relativ originell, letztlich aber doch nur Mittel zum
Zweck. Das macht ihn aber nicht weniger gefährlich …
Das
Psychoduell zwischen Finney und dem Greifer steht naturgemäß im Mittelpunkt
des rund 100-minütigen Films. Aber daß "The Black Phone"
so gut funktioniert, hängt mit dem restlichen Ensemble
zusammen. Regisseur Derrickson gelingt es, auch Nebenfiguren mit
eigenen kleinen Geschichten und Entwicklungen zu versehen (bestes
Beispiel dafür ist Finn und Gwens Vater Terrence). Das fällt
nicht übermäßig komplex aus, rundet
das Gesamtbild aber hervorragend ab und verleiht der Geschichte und
ihrem Personal mehr emotionale Tiefe. Für Spannung sorgen natürlich
auch Finneys übernatürliche Telefonate in seinem Keller-Gefängnis
mit den früheren Opfern des Greifers (die Finney teilweise
persönlich kannte). Wie und warum das funktioniert, wird nicht näher
erläutert, ist aber eigentlich auch egal – es ist ein
übernatürliches Element, das gut in die Story intregriert ist und
ihr zusätzlich eine gewisse Melancholie verleiht. Wie die einzelnen,
sich charakterlich teils stark voneinander unterscheidenden Anrufer
Finney jeder mit einem weiteren kleinen Puzzlestück auf dem Weg zur
Freiheit versorgt, mag ein klein wenig konstruiert wirken, es ist
aber sehr spannend und unterhaltsam in Szene gesetzt. Das
tröstet auch über ein paar eher unglaubwürdige Elemente des Films
hinweg; so wirkt es etwa wenig glaubwürdig, daß in einem
Vorort, in dem zahlreiche Kinder offensichtlich entführt wurden,
nicht mehr Aufregung herrscht (z.B. eine patrouillierende Bürgerwehr
oder etwas in der Art) und die verbleibenden Kinder immer noch
alleine auf den Straßen unterwegs sein dürfen. Aber das sind lediglich kleine Kritikpunkte, die wenig daran ändern, daß "The Black
Phone" ein richtig guter Genrebeitrag ist. Mal sehen, wann die nächste Joe Hill-Adaption in die Kinos kommt ...
Fazit:
"The Black Phone" ist ein stimmungsvoller, gut gespielter
Mystery-Gruselthriller, der aus seiner simplen Prämisse dank
eines spannenden übernatürlichen Elements viel herausholt.
Wertung:
Knapp 8 Punkte.
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