Originaltitel: The King's Man
Regie: Matthew
Vaughn, Drehbuch: Matthew Vaughn und Karl Gajdusek, Musik: Dominic
Lewis und Matthew Margeson
Darsteller: Ralph
Fiennes, Harris Dickinson, Djimon Hounsou, Gemma Arterton, Rhys
Ifans, Charles Dance, Matthew Goode, Tom Hollander, Daniel Brühl,
Valerie Pachner, Joel Basman, August Diehl, Ian Kelly, Ron Cook, Neil
Jackson, Alison Steadman, Aaron Taylor-Johnson, Olivier Richters, Branka Katič,
Alexandra Maria Lara, Stanley
Tucci, David Kross
FSK: 16, Dauer: 131
Minuten.
Großbritannien,
Anfang des 20. Jahrhunderts: Orlando, Duke of Oxford (Ralph Fiennes, "Official
Secrets"), war einst ein mit den höchsten
militärischen Ehren bedachter Soldat, doch seine Kriegseinsätze
machten ihn zum überzeugten Pazifisten, der mit seiner Frau
Emily (Alexandra Maria Lara, "Rush") u.a. mit dem Roten
Kreuz zusammenarbeitet. Nachdem Emily während eines Hilfseinsatzes
getötet wird, zieht sich Orlando in seine Heimat zurück und
konzentriert sich in den nächsten Jahren darauf, seinen Sohn Conrad
(als Erwachsener: Harris Dickinson, "Maleficent 2")
aufzuziehen – nebenbei baut er heimlich ein internationales
Spionage-Netzwerk auf. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, will Conrad wie so viele andere unbedingt für sein Land in den Krieg
ziehen, doch Orlando verbietet ihm das. Zumindest nimmt er Conrad
aber mit auf eine Geheimmission nach Russland, denn sein alter Freund, der aktuelle Kriegsminister Lord Kitchener (Charles Dance, "The
Imitation Game"), hat Hinweise auf eine Verschwörung, welche hinter dem Krieg stehen könnte. Teil dieser Verschwörung soll
der mysteriöse russische Mönch Rasputin (Rhys Ifans, "Radio
Rock Revolution") sein, der großen Einfluß auf Zar Nikolaus
(Tom Hollander, "Bohemian Rhapsody") hat. Gemeinsam wollen
Orlando und Conrad sowie Orlandos Vertraute Shola (Djimon Hounsou,
"Captain Marvel") und Polly (Gemma Arterton, "The
Voices") Rasputin stoppen und somit hoffentlich den Krieg
schnell zu einem Ende bringen ...
Kritik:
Dem britischen
Filmemacher Matthew Vaughn ("Kick-Ass") gelang 2014 mit
"Kingsman: The Secret Service", einer losen Adaption
der "Kingsman"-Comicreihe von Mark Millar und Dave Gibbons,
ein echter Überraschungserfolg. Die in fast jeder Hinsicht
hemmungslos übertriebene Spionage-Actionfarce, die James Bond
beinahe wie einen Langweiler aussehen läßt, spielte weltweit über
$400 Mio. ein, kam bei den Kritikern gut an und bei den
Kinozuschauern sogar noch besser. Der kommerzielle Erfolg der
Fortsetzung "Kingsman: The Golden Circle" ging nur wenig zurück, allerdings konnte der Film inhaltlich bei weitem nicht
mehr so sehr überzeugen. Vor einem dritten Teil der Hauptreihe
schiebt Vaughn das Prequel "The King's Man" ein, das von
den Anfängen der "Kingsmen" berichtet (und in
Deutschland den zusätzlichen Untertitel "The Beginning"
verpaßt bekam), aber nicht unbedingt vom Glück verfolgt war
und nicht zuletzt wegen mehrerer pandemiebedingter Verschiebungen zu
einem ziemlichen kommerziellen Flop mutierte. Die Zukunft des
Franchise scheint das immerhin nicht zu gefährden, jedoch ist zu
hoffen, daß weitere "Kingsman"-Filme wieder an die großen
Stärken des ersten Teils anknüpfen – denn "The King's Man"
orientiert sich in qualitativer Hinsicht eher an "The
Golden Circle" und präsentiert sich ausgesprochen unrhytmisch.
Ein paar echte Highlights gibt es zwar, insgesamt wirkt dieses
Prequel aber recht unausgegoren und auch unentschieden, was es
wirklich will.
"The King's
Man" offenbart von Beginn an sichtliche Probleme, den richtigen
Tonfall zu finden. Während die erste, weitgehend spaßbefreite
Hälfte in erster Linie ein etwas klischeehafter, aber fraglos
leidenschaftlicher Anti-Kriegsfilm ist, entwickelt sich die Handlung in
der zweiten Hälfte immer stärker in Richtung klassisches Bond-Abenteuer. Für den Bruch mitsamt Genrewechsel in der
Filmmitte gibt es einen konkreten Grund, den ich keinesfalls
spoilern will, jedoch macht er die Entwicklung in meinen Augen nur
bedingt glaubwürdiger. Generell ist die vielleicht größte
Problematik von "The King's Man", daß sich der Film (fast)
nie wie ein echter "Kingsman"-Film anfühlt. Zwar bleiben
die überzogenen Bösewichte, primär Rasputin, durchaus in
der Tradition der beiden vorangegangenen Filme, allerdings wirken sie
zu häufig wie Fremdkörper in einer im Kern ernsthaften
Spionagestory. Zudem kommen sowohl der Humor als auch die comichafte
Brutalität – zwei Kernelemente der Reihe – viel zu kurz, im
Grunde genommen gibt es nur eine einzige Sequenz, die sich so richtig
nach "Kingsman" anfühlt: der Kampf gegen Rasputin in
Russland. Hier spielt Vaughn seine Stärken aus mit einer begeisternden Kampfchoreographie (Rasputin bewegt sich im Kampf im Stil
eines Kosakentanzes!), einem von Rhys Ifans herrlich überzogen
verkörperten Antagonisten, hohem Tempo und unerwarteten
Wendungen. In diesen (mitsamt Vorspiel) vielleicht 10 bis 15 Minuten
zeigt "The King's Man", was er im besten Fall hätte werden
können. Stattdessen bleibt diese erstklassige Sequenz eher ein
Mahnmal, das den ganzen Rest nur noch mittelmäßiger erscheinen
läßt.
Problematisch ist
fürderhin, daß es zwar reichlich Fieslinge im Film gibt, aber der
eigentliche Oberbösewicht, der "Shepherd" (Schäfer), bis fast zum
Schluß anonym und gesichtslos bleibt. Wohlgemerkt: Die Idee, in die
geschichtsrevisionistische (möglicherweise von einer ähnlichen in der britischen 1960er Jahre-Komödie "Mörder GmbH" inspirierte) Weltverschwörung von "The King's
Man" neben Rasputin weitere reale Persönlichkeiten wie Lenin
(August Diehl, "Salt"), Mata Hari (Valerie Pachner, "Ein
verborgenes Leben"), den österreichischen Nazi-Hellseher Hanussen (Daniel Brühl, "Captain America 3") und den
serbischen Attentäter Gavrilo Princip (Joel Basman, "Schachnovelle")
zu involvieren, ist gut (auch wenn Kritiker nicht zu
Unrecht einwenden, daß man mit so etwas in Zeiten vorsichtig sein
sollte, in denen zu viele Menschen voller Inbrunst selbst an die
hanebüchensten Verschwörungstheorien glauben …). Aber wenn der
große Kopf hinter dieser Verschwörung, der meisterhafte
Strippenzieher, nicht mehr ist als ein rätselhafter, aber ziemlich
profilloser Schemen, der immer wieder mal sinistre Dinge äußert und
tut, dann funktioniert das einfach nicht gut. Nicht umsonst sind
etwa bei den James Bond-Filmen die schillerndsten Bösewichte am
besten in Erinnerung geblieben … Bei "The King's Man"
kommt negativ hinzu, daß die finale Auflösung enttäuschend
banal ausfällt und damit die ganze Geheimnistuerei über zwei
Stunden hinweg konterkariert wird – zumal das am Ende
enthüllte Motiv hinter der Weltverschwörung reichlich albern
wirkt (da ergab selbst Valentines wahnsinniger Plan im Original mehr
Sinn!).
Bei aller
inhaltlichen Kritik gibt es an den schauspielerischen Leistungen
wieder einmal wenig zu bemängeln. Ralph Fiennes, den "M"
in den letzten Bond-Filmen mit Daniel Craig, einmal selbst in einer Quasi-Bond-Rolle
zu sehen, macht fraglos Spaß und Fiennes darf sich in der zweiten
Hälfte richtig austoben. Auch Harris Dickinson gibt als
Fiennes' rebellischer Filmsohn Conrad eine gute Figur ab und die
Nebenrollen sind mit Charakterdarstellern wie Tom Hollander (der
sowohl den britischen König George als auch Kaiser
Wilhelm und Zar Nikolaus spielt – was Sinn ergibt,
weil die alle recht eng miteinander verwandt waren), Charles Dance,
Rhys Ifans, Daniel Brühl oder Vaughns "Kick-Ass"-Star
Aaron Taylor-Johnson (als ein Kamerad von Conrad) glänzend besetzt.
Bedauerlich ist nur, daß Gemma Arterton und Djimon Hounsou als
Oxfords treue Gefährten zu kurz und eigentlich überhaupt erst
in der zweiten Hälfte richtig zum Zug kommen (da sich die erste
primär auf die Oxfords konzentriert), denn beide Figuren hätten
eindeutig Potential für mehr. Action und Spezialeffekte bewegen sich
durchgängig auf hohem Niveau, die Musik ist gefällig, das Drehbuch
offenbart ein paar nette Einfälle (die Ziegen!) und gelegentliche Anspielungen auf
die ersten beiden Filme – beispielsweise ist Lord Kitcheners
Adjutant Major Morton (Matthew Goode, "Stoker") der
Großvater von Roxy aus "Kingsman: The Secret Service" –
sorgen dafür, daß sich "The King's Man" zumindest ein
wenig der sonstigen Reihe zugehörig anfühlt. Trotzdem bleibt unter
dem Strich das Gefühl, daß viel erzählerisches Potential
verschwendet wurde. Und angesichts der schwachen Einspielergebnisse
darf man getrost bezweifeln, daß die in einer zusätzlichen Szene
während des Abspanns angedeutete Prequel-Fortsetzung jemals
zustandekommen wird – zumindest als Kinofilm (im
Streaming-Zeitalter gibt es ja durchaus andere Möglichkeiten).
Fazit:
"The King's Man –
The Beginning" ist ein unrundes Prequel zur "Kingsman"-Reihe,
das nicht so recht weiß, was es will, und daher trotz gelegentlicher
Highlights und einer guten Besetzung ziemlich mittelmäßig ausfällt.
Wertung:
6,5 Punkte.
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