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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 7. April 2022

THE DARK AND THE WICKED (2020)

Regie und Drehbuch: Bryan Bertino, Musik: Tom Schraeder
Darsteller: Marin Ireland, Michael Abbott Jr., Julie Oliver-Touchstone, Lynn Andrews, Xander Berkeley, Tom Nowicki, Michael Zagst, Ella Ballentine, Mel Cowan, Mindy Raymond
The Dark and the Wicked (2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (7,5); weltweites Einspielergebnis: $0,7 Mio.
FSK: nicht geprüft, Dauer: 95 Minuten.
Die Geschwister Louise (Marin Ireland, "The Irishman") und Michael (Michael Abbott Jr., "Mud – Kein Ausweg"), beide etwa 40, kehren nach längerer Zeit auf die Familien-Schaffarm im ruralen Texas zurück, wo ihr Vater (Michael Zagst) im Sterben liegt. Während sich eine Pflegerin (Lynn Andrews, "Yes Day") um den dementen Vater kümmert, der kaum noch bei Bewußtsein ist und sich geistig schon länger verabschiedet zu haben scheint, geht es Mutter Virginia (Julie Oliver-Touchstone, TV-Serie "Preacher") verständlicherweise auch nicht sehr gut. Louise und Michael machen sich Sorgen um die ebenso abwesend wie abweisend wirkende Virginia – doch sie können nicht verhindern, daß ihre Mutter sich in der Nacht in der Scheune erhängt. Schockiert versuchen die Geschwister das Geschehen irgendwie zu verarbeiten, doch als es wiederholt zu gruseligen und unerklärbaren Vorfällen im alten Haus kommt und Michael das Tagebuch ihrer Mutter findet, wird ihnen klar, daß hier nur wenig mit rechten Dingen zugeht. Offenbar fürchtete Virginia, daß eine dunkle Präsenz es auf die Seele ihres Gatten abgesehen haben, außerdem hatte sie Kontakt zu einem wenig vertrauensvoll wirkenden Priester (Xander Berkeley, TV-Serie "The Walking Dead"). Während Michael nur noch zurück zu seiner Familie will, sobald ihr Vater gestorben ist, möchte Louise der Sache auf den Grund gehen ...

Kritik:
Als der gebürtige Texaner Bryan Bertino im Jahr 2008 als gerade einmal 30-Jähriger mit seinem Regie- und Drehbuchdebüt "The Strangers" gleich einen formidablen kommerziellen Hit landete – bei einem Budget von unter $10 Mio. spielte der Home Invasion-Horrorthriller mit Liv Tyler und Scott Speedman weltweit über $80 Mio. ein –, schien das der Beginn einer vielversprechenden Hollywood-Karriere zu sein. Stattdessen geriet diese schnell ins Stocken, als sein geplanter Folgefilm "This Man" nie umgesetzt wurde und es deshalb sechs Jahre dauerte, bis er mit dem Found Footage-Horrorfilm "Play – Tödliches Spiel" (Originaltitel: "Mockingbird") sein Zweitwerk vorlegte – das von der Kritik verrissen und ohne Kinoauswertung direkt im Heimkino "entsorgt" wurde. Wenigstens bedeutete das nicht das frühe Ende seines Schaffens, denn zunächst als Produzent von "Die Tochter des Teufels" (2015), dann als Regisseur und Drehbuch-Autor des Horrordramas "The Monster" (2016) mit Zoe Kazan gelangen ihm seine ersten Kritikerlieblinge – auch wenn der kommerzielle Erfolg ausblieb. Der stellte sich erst mit der mittelmäßigen "The Strangers"-Fortsetzung "Opfernacht" (2018) ein, zu der Bertino das Drehbuch beisteuerte, die Regie jedoch Johannes Roberts überließ. Nun legt Bryan Bertino mit dem finsteren Familien-Gruseldrama "The Dark and the Wicked" den bisher bestrezensierten Film seiner Karriere vor, der das Publikum trotz eines auffälligen Mangels an Originalität wahrlich das Fürchten lehrt.

Eines vorweg: Ich habe "The Dark and the Wicked" auf Englisch ohne Untertitel gesehen und leider sprechen einige Figuren ziemlich undeutlich. Alles Gesagte verstanden habe ich also nicht, allerdings glaube ich auch nicht, daß mir etwas Entscheidendes entgangen ist – zumal Bertinos Schauermär sich sowieso nicht groß mit Erklärungen aufhält. Das wiederum ist ein Punkt, der erfahrungsgemäß viele Horrorfans stört und die mediokren Zuschauerbewertungen bei Rotten Tomatoes oder IMDb erklären dürfte. Ich kann das nachvollziehen, denn wenngleich ich nichts gegen eher erklärungsscheue Filme und offene Enden haben, ist das menschliche Bedürfnis nach Erklärungen nunmal groß und auch ich kann mich dem nicht völlig entziehen. Trotzdem ist es eine völlig legitime Entscheidung, darauf zu verzichten und sich stattdessen lieber ganz auf die düstere Atmosphäre und die Inszenierung der grausigen Vorkommnisse zu konzentrieren. Das gilt erst Recht dann, wenn dies so meisterhaft geschieht wie in "The Dark and the Wicked". Denn einen verstörenderen, finstereren, pessimistischeren Film als diesen wird man nur schwer finden – mir kommt auf Anhieb einzig Ari Asters thematisch durchaus verwandter und in seiner Drastik wahrscheinlich sogar noch verstörenderer "Hereditary" in den Sinn. "The Dark and the Wicked" beginnt schon deprimierend mit der ziemlich unangenehmen Rückkehr der Geschwister auf die Farm, um sich von ihrem auf dem Sterbebett liegenden Vater zu verabschieden – und ab da geht es stimmungsmäßig immer und immer weiter in den Keller! Die Konsequenz, mit der Bertino den Alptraum fortführt, ist bewundernswert und deprimierend zugleich. Wer will, kann in diese düstere Familiengeschichte durchaus einige gesellschaftliche Anspielungen hineinlesen, etwa was den ökonomischen Verfall des ruralen Amerika betrifft, die zerbröselnden Familienstrukturen oder schlicht die Angst der jüngeren Menschen vor Alter, Krankheit und (einsamem) Tod. Allerdings beläßt Bertino es bei leichten Anspielungen, die er nicht weiter ausführt und die man problemlos übersehen kann, um sich einfach auf die Grusel- und Horroraspekte zu konzentrieren.

Dabei sind die, wie erwähnt, für sich genommen wenig originell. Man wird kaum eine Szene, kaum eine Entwicklung wahrnehmen, die man so ähnlich nicht schon sehr oft im Horrorgenre gesehen hat. Jedoch ist es das Zusammenspiel dieser Szenen und Sequenzen, die "The Dark and the Wicked" sich deutlich von der Horror-Massenware abheben läßt. Der Film ist in sieben Tage unterteilt, wobei es zunächst vergleichsweise harmlose unerklärliche Vorkommnisse sind, mit denen sich Louise und mit etwas Verzögerung auch Michael konfrontiert sehen – und das alte, dunkle und wenig einladende Haus mit dem makabren Rinderschädel über der Tür tut das Seinige dazu, um jeden Anflug von Heimeligkeit im Ansatz zu zerstören. Doch mit jedem Tag steigert sich der Horror, steigert sich das Grauen mitleidlos. Bertino setzt die Tour de Force seiner bedauernswerten Protagonisten beklemmend intensiv in Szene mit schaurig-schönen Bildkompositionen – die wiederum nicht selten an die Filme von Ari Aster oder Robert Eggers  ("The Witch") erinnern – und einer latent beunruhigenden Musik von Tom Schraeder. Klar, ein dissonanter Score bei einem Horrorfilm ist nicht ansatzweise eine neue Idee, aber auch hier ist die Umsetzung entscheidend und Schraeders Musik ist so packend wie gänsehauterzeugend. Von Schraeder stammen auch zwei beunruhigende Lieder, die im Film vorkommen, ein drittes erklingt mit dem grandiosen "Darkness Stalls" während der Credits und entläßt das Publikum mit einem wohligen Schaudern aus diesem buchstäblich unerklärlichen Alptraum. Und apropos: Bertinos Unwille, das Geschehen in "The Dark and the Wicked" näher zu erläutern, wirkt sich auch dramaturgisch aus. Denn während in den allermeisten Genrefilmen von "Amityville Horror" über "Insidious" bis zu "Conjuring" im Mittelteil die Suche nach Antworten in den Vordergrund rückt und im Normalfall von den Protagonisten ein Priester, Medium, Journalist, Historiker oder sonst eine belesene respektive wißbegierige Person hinzugezogen wird, spielt das hier abseits von Virginias rätselhaftem Tagebuch kaum eine Rolle. Der von TV-Veteran Xander Berkeley mit leichtem Overacting verkörperte Priester scheint sich dafür anzubieten, bleibt aber letztlich eine – angemessen mysteriöse – Randnotiz. Nicht nur damit unterläuft Bertino immer wieder die Erwartungen der Zuschauer; so scheinen sich viele Szenen klar in Richtung eines Jumpscares aufzubauen, der dann aber doch (meistens) ausbleibt – was sie aber in der Regel nicht weniger furchterregend enden läßt. Kurzum: In Sachen Grusel hat Bryan Bertino seine Hausaufgaben gründlich erledigt und läßt wenig Wünsche offen. Auch die bis auf die angesehene Indie- und TV-Darstellerin Marin Ireland (und den Gastauftritt von Berkeley) weitgehend unbekannte und zumindest vor der Kamera unerfahrene Besetzung macht ihre Sache gut, wobei Ireland Louises seelische Tortur besonders überzeugend spielt. Letztlich bleiben eigentlich nur zwei Probleme, die per se gar keine sind, aber trotzdem dafür sorgen, daß "The Dark and the Wicked" ein Nischenfilm bleiben dürfte: der Mangel an Erklärungen (inklusive eines in meinen Augen nur bedingt funktionierenden Endes) und die deprimierend düstere Stimmung. Trotzdem: Genrefans sollten Bertinos Film eine Chance geben!

Fazit: "The Dark and the Wicked" ist ein Gruselfilm, der seinem Titel alle Ehre macht und das Publikum mit zwei bedauernswerten Protagonisten auf eine verstörende, jedoch erklärungsarme Reise in die Hölle schickt.

Wertung: 7,5 Punkte.
 
 
"The Dark and the Wicked" ist ab 14. April 2022 im Vertrieb von Indeed Film in deutschen Kinos zu sehen. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von More Publicity zur Verfügung gestellt.

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