Regie: Gavin Hood, Drehbuch: Gregory Bernstein, Sara
Bernstein und Gavin Hood, Musik: Paul Hepker und Mark Kilian
Darsteller: Keira Knightley, Matt Smith, Ralph Fiennes, Adam
Bakri, Matthew Goode, Jeremy Northam, Rhys Ifans, Conleth Hill, Indira Varma,
MyAnna Buring, Tamsin Greig, Jack Farthing, Hattie Morahan, Ray Panthaki, Angus
Wright, Niccy Lin, Martin Bright
FSK: 6, Dauer: 112
Katharine Gun (Keira Knightley, "Niemandsland")
arbeitet seit wenigen Jahren als Chinesisch-Übersetzerin beim britischen
Geheimdienst GCHQ (der anders als die bekannteren MI5
und MI6 primär durch das Abhören von Kommunikation
auf elektronischem Wege an Informationen gelangt) und nimmt ihre Arbeit
sehr ernst. Doch im Januar 2003 erhält sie ein streng geheimes Memo vom
US-amerikanischen Geheimdienst NSA, der sie und ihre GCHQ-Kollegen auffordert,
Material zu sammeln, das sich gegen einige nicht-ständige Mitglieder des
UN-Sicherheitsrats wie Bulgarien, Kamerun oder Pakistan verwenden läßt. Ziel des Vorhabens: Die völkerrechtliche
Legitimierung des geplanten, international sehr umstrittenen
US-amerikanischen und britischen Angriffs auf den irakischen Diktator Saddam
Hussein. Nicht nur Katharine ist empört über das von ihren Vorgesetzten
abgenickte Ansinnen, doch sie entschließt sich nach einigem Zögern dazu,
auch tatsächlich etwas zu tun. Katharine übergibt einen Ausdruck des Memos an
eine befreundete Anti-Kriegs-Aktivistin, die es an interessierte Journalisten
weiterleiten soll. Längere Zeit tut sich nichts, doch dann veröffentlicht
die eigentlich den drohenden Krieg mit dem Irak unterstützende Zeitung "The
Observer" einen Artikel des Journalisten Martin Bright (Matt Smith,
"Terminator: Genisys") über das skandalträchtige Memo. Der Wirbel ist groß, doch in den Krieg
ziehen USA und Großbritannien trotzdem – nun ohne Zustimmung des
UN-Sicherheitsrats. Whistleblowerin Katharine soll derweil wegen ihres Verstoßes gegen
den "Official Secrets Act" angeklagt werden. Der renommierte
Menschenrechts-Anwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes, "Hail, Caesar!")
will Katharine pro bono verteidigen, obwohl die
Erfolgsaussichten gering sind …
Kritik:
Nicht allein Hollywood befaßt sich etwa eine Dekade nach deren
Ablauf in Werken wie "The Report" und "Vice" mit den Sünden
der Bush-Regierung von 2001 bis 2009, sondern auch die Briten. Wobei es den Briten
in "Official Secrets" natürlich eher um die Regierungszeit von Tony
Blair (1997-2007) geht, dessen Sündenfall aber eng mit der Entscheidung von
George W. Bush und Dick Cheney zusammenhängt, den Irak und dessen Diktator
Saddam Hussein anzugreifen. Mit den Konsequenzen der verhängnisvollen
Entscheidung muß mehr oder weniger die ganze Welt leben (Stichwort "IS"),
ironischerweise waren die politischen Folgen für Großbritannien aber wohl
deutlich schwerwiegender als die für die USA. Denn Blairs ebenso
unverbrüchliche wie hochgradig umstrittene Nibelungentreue zu den USA nach den
Terroranschlägen des 11. September 2001 – nach Umfragen sprachen sich in
Großbritannien phasenweise rund 90% der Bürger gegen eine Kriegsbeteiligung
aus! – kostete nicht nur viele britische Soldaten das Leben und brachte ihm den
wenig schmeichelhaften Spitznamen "Bushs Pudel" ein, sondern führte
die sozialdemokratische Labour-Partei beinahe in die Bedeutungslosigkeit. Nur
so konnten die konservativen Tories recht unangetastet in der Regierung
agieren und Premierminister Cameron mit einer beispiellosen Fehlkalkulation den
Brexit ermöglichen. Gründe für eine Aufarbeitung der britischen Beteiligung an
der Irak-Invasion gibt es also reichlich, "Official Secrets" nimmt
sich eines wichtigen Aspekts an – kurioserweise unter der Leitung des
Südafrikaners Gavin Hood, aber der hat sich 2007 mit "Machtlos" ja
auch schon einmal mit der US-amerikanischen Seite des "Kriegs gegen den
Terrorismus" befaßt (konkret mit den CIA-Auslandsgefängnissen)
und ist somit durchaus prädestiniert für die Thematik. Qualitativ sind
"Machtlos" und "Official Secrets" ebenfalls
vergleichbar, obgleich mir der emotionalere "Machtlos" ein bißchen
besser gefallen hat.
Nicht nur im Vergleich zum etwas älteren "Machtlos", sondern vor
allem zum beinahe parallel gestarteten "The Report" ist die
geringere emotionale Wucht auffällig. Katharines verzweifelter Kampf
um Wahrheit und Gerechtigkeit lädt zweifellos zum Mitfühlen ein und vor allem, wenn
sie und ihr kurdisch-muslimischer Ehemann Yasar (Adam Bakri) scheinbar machtlos
den sehr fragwürdigen Repressalien der eigenen Regierung ausgesetzt sind, teilt
man ihr Entsetzen und ihre Wut. Doch dadurch, daß sich das auf einem Sachbuch
basierende Drehbuch von Hood und dem Ehepaar Sara und Gregory Bernstein
("Die Lincoln Verschwörung") in erster Linie auf die Whistleblowerin
Katharine und in zweiter auf den Journalisten Martin Bright konzentriert,
geraten die wesentlich schwerwiegenderen Konsequenzen des drohenden Krieges für Soldaten wie auch die irakische Zivilbevölkerung ein wenig aus dem
Blickfeld. Das hat "The Report" mit den aufwühlenden Rückblenden zu
den verschiedenen Folterpraktiken der CIA effektiver gelöst, wenn man auch
argumentieren kann, daß "Official Secrets" einfach weniger
sensationalistisch vorgeht. Da ist schon was dran, aber man kann genauso gut
einwenden, daß "Official Secrets" dem ganzen Ausmaß der Thematik
durch den Fokus auf Katharine nicht gerecht wird. Letztlich ist es jeweils eine
individuelle Entscheidung der Filmemacher; beide sind legitim, mich hat
"The Report" aber deutlich stärker berührt und dabei auch eine
größere Dringlichkeit und Intensität verströmt. Ein Stück weit ist das
natürlich den realen Geschehnissen und den Protagonisten geschuldet. Während in
"The Report" der von Adam Driver verkörperte Senatsmitarbeiter Daniel
Jones im Laufe der Jahre zu einem beinahe manischen Aufklärer avanciert, ist
Katharine eher ein Durchschnittsmensch, der den Job beim Geheimdienst aus
reinem Pragmatismus annahm und sich von vielen ähnlich denkenden Kollegen
nur dadurch unterscheidet, daß sie beschließt, das belastende Memo
weiterzureichen – ohne sich selbst jederzeit völlig sicher zu sein, daß sie
damit wirklich das Richtige getan hat.
Für Keira Knightley, die sonst oft mehr oder weniger
selbstbewußte Frauenrollen spielt (ob in "Fluch der Karibik",
"Stolz und Vorurteil", "The Imitation Game" oder
"Colette"), ist das eine eher ungewöhnliche Rolle, die sie aber mit
der gewohnten Souveränität meistert. Katharines Aufrichtigkeit und Impulsivität und ihre mit Trotz durchmischte Verletzlichkeit und Unsicherheit verkörpert
Knightley zumeist etwas zurückgenommen, aber sehr überzeugend – und gerade weil
diese Katharine Gun so wunderbar normal wirkt, zollt man ihr umso mehr Respekt
für ihre mutige Tat. Ein weiterer Grund dafür, daß "Official Secrets"
bei allen Vorzügen nicht ganz an die Intensität ähnlich gelagerter herankommt,
liegt derweil darin, daß er im Grunde genommen dreigeteilt ist. Zwar steht Katharine
eindeutig im Mittelpunkt, zwischendurch verschwindet sie aber
minutenlang komplett aus der Handlung, die sich stattdessen auf die
Journalisten beim "Observer" oder später auf Katharines Anwaltsteam
konzentriert. Alle drei Handlungsstränge sind interessant und spannend, kommen
allerdings in einem nicht einmal zweistündigen Film fast zwangsläufig zu kurz, um
voll und ganz fesseln zu können. Vor allem von den Journalisten hätte ich gerne
mehr gesehen, denn Ex-"Doctor Who" Matt Smith ist als unnachgiebiger
Martin Bright eine Wucht und seine Kollegen sind ähnlich interessant und dabei
gut gespielt. Wegen mir könnten sie einen ganzen Film über Bright, den
abgeklärten Kriegsreporter Peter Beaumont (Matthew Goode, "Stoker"),
den aufbrausenden US-Korrespondenten Ed Vulliamy (Rhys Ifans, "Radio Rock Revolution") und den zynischen, aber nicht unsympathischen Herausgeber
Roger Alton (Conleth Hill alias Varys aus "Game of Thrones") drehen,
ich würde ihn mir anschauen! Katharines Anwaltsteam kann da nicht
ganz mithalten, wiewohl es ähnlich hochkarätig besetzt ist. Hier kommt aber
hauptsächlich Ralph Fiennes als aufrechter Streiter für die Gerechtigkeit zum
Zuge, während seine Kollegen wie Shami Chakrabarti (Indira Varma, TV-Serie
"Rom") oder auch der Ankläger der Regierung, Ken Macdonald (Jeremy
Northam, "Gosford Park"), ziemlich kurz kommen. Zugegebenermaßen
konnten die Autoren da aber wenig machen, weil sie sich nunmal weitgehend an
die realen Geschehnisse halten müssen und die geben in diesem Fall einfach nicht den Stoff für ein spektakuläres, wendungsreiches Gerichtsdrama her ...
Fazit: "Official Secrets" ist ein
unterhaltsames, informatives und gut gespieltes Whisteblower-Drama über
eine mutige Frau, das aber u.a. durch die Aufteilung in drei Handlungsstränge
nicht die Intensität und emotionale Wucht ähnlicher Filme erreicht.
Wertung: 7 Punkte.
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