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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 2. März 2021

THE OLD GUARD (2020)

Regie: Gina Prince-Bythewood, Drehbuch: Greg Rucka, Musik: Volker Bertelmann und Dustin O'Halloran
Darsteller: Charlize Theron, KiKi Layne, Matthias Schoenarts, Marwan Kenzari, Luca Marinelli, Chiwetel Ejiofor, Harry Melling, Joey Ansah, Veronica Ngo, Anamaria Marinca, Micheal Ward
The Old Guard (2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 80% (6,5); Altersfreigabe: ab 16 Jahren; Dauer: 125 Minuten.
Andy (Charlize Theron, "Long Shot"), Nicky (Luca Marinelli, "Martin Eden"), Booker (Matthias Schoenarts, "Red Sparrow") und Joe (Marwan Kenzari, "Aladdin") sind nahezu unsterblich. Seit Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden wandeln sie über die Erde und schlagen Schlachten für das, was sie für richtig halten, wobei sie nicht (dauerhaft) getötet werden können und selbst schwerste Wunden schnell wieder verheilen – zumindest so lange, bis irgendwann doch ihre Zeit gekommen ist und sie nach einem Tod nicht mehr erwachen. Doch im 21. Jahrhundert ist es nicht mehr so einfach für das Quartett, unentdeckt zu bleiben. Und so tappen sie in eine Falle, die der junge Pharma-Unternehmenschef Merrick (Harry Melling, "The Ballad of Buster Scruggs") ihnen gestellt hat, können jedoch vorerst entkommen. Der skrupellose Merrick hat sich fest vorgenommen, die Unsterblichen für immer wegzusperren und zu untersuchen, um auf diese Weise Krankheiten und Alterung besiegen zu können – allerdings nicht aus Altruismus, sondern aus reiner Geldgier. Andy und ihre Gefährten halten davon natürlich wenig und wollen ihrerseits Merrick, ehe er ihr Geheimnis ausplaudern kann. Erschwerend zu diesem Katz-und-Maus-Spiel kommt hinzu, daß sich mit der noch jungen US-Soldatin Nile (KiKi Layne, "Beale Street") erstmals seit über 200 Jahren eine neue Unsterbliche offenbart – was das bisherige Quartett in seinen Träumen sieht –, nachdem sie in Afghanistan getötet worden war. Nile muß schnell an ihr neues Schattendasein gewöhnt werden, ehe sie es mit Merrick aufnehmen …
 
Kritik:
Als ich anläßlich dieser Rezension darüber nachgedacht habe, was es eigentlich für Filme über Unsterbliche gibt, fiel mir zunächst außer der altehrwürdigen "Highlander"-Reihe gar nicht viel ein. Dabei gibt es tatsächlich sehr viele Filme, in denen theoretisch unsterbliche Figuren eine wichtige Rolle spielen – nur denkt man bei Vampiren ("Dracula Untold"), Engeln ("Der Himmel über Berlin") oder leibhaftigen Göttern ("Krieg der Götter"), bei "Die Mumie" oder dem Mutant Wolverine aus dem X-Men-Universum nicht unbedingt zuerst an ihre Unsterblichkeit, weil sie bei diesen Kreaturen nicht die hervorstechende Eigenschaft ist, sondern – so merkwürdig es angesichts der Bedeutung von Unsterblichkeit klingen mag – nur die sekundäre oder tertiäre. Filme, in denen Unsterbliche ohne außergewöhnliche weitere Merkmale im Fokus stehen, sind aber in der Tat ziemlich rar gesät. Neben den aktuell fünf "Highlander"-Filmen (von denen nur der erste wirklich gut ist) fällt die Edelromanze "Für immer Adaline" (2015) in diese Kategorie, ebenso die spektakuläre japanische Manga-Adaption "Blade of the Immortal" – und nun die Netflix-Produktion "The Old Guard" von Gina Prince-Bythewood ("Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie"). Die Verfilmung einer Comicreihe von Greg Rucka (die dieser selbst als Drehbuch adaptierte) erinnert stark an "Highlander", rückt jedoch zumindest in diesem ersten Abenteuer die Gegenwartshandlung stark in den Vordergrund – was nicht die allerbeste Idee ist, denn die Story erweist sich als wenig einfallsreich und mir erschließt sich nicht wirklich der Sinn dahinter, einen Film über teilweise uralte Unsterbliche zu drehen, wenn deren Vergangenheit dann nur ganz am Rande und vorrangig für die Psyche der Protagonisten eine Rolle spielt.
 
Wie gesagt, es kann gut sein, daß sich das in den weiteren Filmen der vorgesehenen Reihe ändert – der Cliffhanger am Ende deutet stark darauf hin – und möglicherweise wollte man auch vermeiden, "Highlander" zu ähnlich zu sein. Doch deshalb ausgerechnet auf die spannendste Facette der Unsterblichkeits-Prämisse weitgehend zu verzichten, ist für mich nur ansatzweise nachvollziehbar. Eine ganz ausgezeichnete Entscheidung war es hingegen, die Hauptrolle an Charlize Theron zu vergeben, die so überzeugt vom Projekt war, daß sie zusätzlich auch als Produzentin einstieg. Die südafrikanische Charakterdarstellerin hat sich ja in den letzten Jahren vor allem mit "Mad Max: Fury Road" und "Atomic Blonde" einen Namen gemacht als eine exzellente Actionheldin und scheinbar hat sie an dem körperlich herausfordernden Rollentypus Gefallen gefunden. Auch als unsterbliche Andy – eigentlich Andromache von Scythia aus dem antiken Griechenland – zeigt sie eine starke Leistung sowohl in den Kämpfen als auch in der glaubwürdigen Darstellung einer Person, die in Jahrtausenden viel zu viel gesehen und gelitten und verloren hat und demzufolge von einer steten Wolke der Melancholie umschwebt wird. Die Unsterblichkeit hat sie nicht gewählt, doch sie kann ihr nicht entkommen – wobei sie ja genau genommen gar nicht definitiv ist, denn irgendwann wird jeder vermeintliche Unsterbliche nach einem Tod nicht zurückkehren, weshalb Andy und die anderen mit diesem ständigen latenten Unsicherheitsfaktor leben müssen. Ob dieser Ausgangslage versucht Andy notgedrungen, das Beste daraus zu machen – wofür den Gefährten an ihrer Seite ein entscheidender Part zufällt.
 
Auch wenn sie nicht permanent zusammen sind, verstehen sich Andy, Booker, Joe und Nicky blind, vor allem im Kampf sind sie dermaßen sensationell eingespielt, daß sie es problemlos selbst mit einer großen Überzahl aufnehmen können. Die Kämpfe sind spannend, temporeich und unterhaltsam inszeniert und profitieren davon, daß die Unsterblichen mit einer Kombination aus den klassischen Nahkampfwaffen ihrer Geburtsära und modernen Schußwaffen agieren. Dummerweise hat Andy zunehmend das Gefühl, daß ihr Kampf gegen das Böse ein niemals endender ist und daß sie nicht wirklich etwas erreichen – für sie ist es eine echte Sisyphos-Arbeit, die sie verrichten, und das ist auf Dauer logischerweise hochgradig geistig ermüdend und desillusionierend. Während Joe und Nicky das dadurch kompensieren, daß sie ein Paar sind und einander haben, ist es für die älteren Andy und Booker erheblich schwieriger, sich damit zu arrangieren. Wobei Neuling Nile sich da durchaus als hilfreich erweist, denn die Rolle als Mentorin der unerfahrenen Soldatin bietet zumindest etwas Abwechslung. Und dann ist da ja noch Bösewicht Merrick – wobei der zwar innerhalb der Geschichte eine echte Gefahr für die Unsterblichen darstellen mag, doch für das Publikum wirkt er nicht sonderlich ernstzunehmen, eher wie eine cartoonhafte Karikatur (was in gewisser Weise zum Comic-Hintergrund von "The Old Guard" paßt, dramaturgisch aber kontraproduktiv ist). Generell bleibt die Figurenzeichnung ebenso wie die klischeehafte Story leider relativ flach; in Andy, Nile – die als Neuling in Sachen Unsterblichkeit die Verbindungsfigur zu uns Zuschauern darstellt – und ein wenig in Booker kann man sich gut einfühlen, wobei die erstklassigen Schauspieler Charlize Theron, KiKi Layne und Matthias Schoenarts das auch leicht machen. Joe und Nicky dagegen kommen zwar sehr sympathisch rüber, bleiben aber doch relativ blaß. Interessant ist die Figur des Ex-CIA-Agenten Copley, den Chiwetel Ejiofor ("12 Years a Slave") als eine ambivalente Person verkörpert, die immerhin die stärkste Entwicklung innerhalb der Handlung durchläuft – allerdings fällt diese so stark aus, daß sie nur bedingt glaubwürdig erscheint. Insgesamt bietet "The Old Guard" zwei Stunden lang schön anzusehende Action mit guten bis sehr guten Schauspielern, läßt das gewaltige Potential der Unsterblichkeits-Prämisse jedoch trotz interessanter philosophischer Ansätze sträflich ungenutzt. Daran sollte für die fest eingeplante Fortsetzung definitiv gearbeitet werden!
 
Fazit: "The Old Guard" ist ein grundsolider Actionfilm mit starker Besetzung, der allerdings die faszinierendsten Aspekte seiner Prämisse und der unsterblichen Protagonisten stiefmütterlich behandelt und sich zu sehr auf seine generische Kernstory konzentriert.
 
Wertung: 6,5 Punkte.

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