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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 26. Februar 2020

THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS (2018)

Regie und Drehbuch: Joel und Ethan Coen, Musik: Carter Burwell
Darsteller: Tim Blake Nelson, Clancy Brown, Willie Watson, David Krumholtz, Tim DeZarn, Danny McCarthy; James Franco, Stephen Root, Ralph Ineson, Michael Cullen; Liam Neeson, Harry Melling; Tom Waits, Sam Dillon; Zoe Kazan, Bill Heck, Grainger Hines, Jefferson Mays; Brendan Gleeson, Jonjo O'Neill, Saul Rubinek, Tyne Daly, Chelcie Ross
The Ballad of Buster Scruggs
(2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 89% (7,8); FSK: 16, Dauer: 133 Minuten.
Eine der ersten prestigeträchtigen Netflix-Eigenproduktionen im Filmbereich war diese namhaft besetzte Western-Anthologie von Joel und Ethan Coen ("True Grit"), die sechs inhaltlich nicht zusammenhängende und auch stilistisch recht unterschiedliche Kurzgeschichten aus der Zeit des Wilden Westens vereint. Da die Sammlung trotz einiger inhaltlicher Aufs und Abs der etwa zwischen 15 und 25 Minuten langen Episoden sehenswert geriet und nicht zuletzt wegen der genretypischen Breitwandbilder geradezu danach schreit, auf einer großen Leinwand betrachtet zu werden, ist es sehr bedauerlich, daß kaum jemand die Gelegenheit erhielt, ihn im Kino zu sehen (die neueren Netflix-Filme werden ja zumindest in ausgewählten Filmtheatern gezeigt), aber daran läßt sich eben nichts ändern. Als Belohnung für Netflix' Mühen gab es dafür unter anderem drei OSCAR-Nominierungen (Drehbuch, Kostüme, Filmsong).

Kritik:
"The Ballad of Buster Scruggs":
Nicht ohne Grund haben die Coens den Titel ihrer ersten Kurzgeschichte auch gleich zum Titel des gesamten Films gemacht – denn sie ist das unumstrittene Highlight der Anthologie und die Erzählung, die am besten den berühmten skurrilen Humor der Coen-Brüder transportiert. Tim Blake Nelson ("O Brother, Where Art Thou?") liefert eine herrliche Performance ab als stets gut gelaunter singender Revolverheld, der sich der schnellsten Pistole im Wilden Westen rühmt und nicht ansatzweise davor zurückschreckt, das wiederholt zu beweisen. Die mit 17 Minuten leider relativ kurze Episode macht vom Anfang bis zum Schluß einfach einen Heidenspaß, was ebenso an Nelsons leidenschaftlich enthemmter Darbietung liegt wie am wunderbar schrägen Handlungsverlauf und drei richtig starken Songs – von denen "When a Cowboy Trades His Spurs for Wings" eine OSCAR-Nominierung erhielt. Dazu gibt es Gastauftritte von "Highlander"-Bösewicht Clancy Brown und "Numb3rs"-Star David Krumholtz. Ein grandioser Auftakt!
10 Punkte.

"Near Algodones":
James Franco ("Spring Breakers") spielt einen Cowboy, der mitten im Nirgendwo eine Bank überfallen will – der Kassierer (Stephen Root, "Ladykillers") erweist sich jedoch als erheblich wehrhafter als gedacht. Damit beginnt für unseren Cowboy eine mehrtägige Achterbahnfahrt der Gefühle, die so wunderbar absurd ist (und mit einem herrlichen kleinen Gag endet), daß ich sie keinesfalls spoilern möchte. An die Auftaktepisode reicht "Near Algodones" – in dem zudem Ralph Ineson ("The Witch") auftritt – zwar nicht heran, bietet aber gute, amüsante Unterhaltung.
8 Punkte.

"Meal Ticket":
Einen regelrecht brutalen Stimmungsumschwung gibt es mit der dritten Episode, denn während zwar auch die ersten beiden Folgen bei all ihrem Unterhaltungswert im Kern einen ziemlich zynischen und desillusionierten Blick auf den Mythos "Wilder Westen" werfen, gibt es in "Meal Ticket" überhaupt keinen Humor. Das wäre grundsätzlich kein Problem, wenn die Geschichte anderweitig fesseln könnte. Doch obwohl Liam Neeson ("Tatsächlich … Liebe") als namenloser Schausteller, dessen einzige Attraktion der arm- und beinlose Harrison (Harry Melling, "Die versunkene Stadt Z") ist, welcher mit großer Ausdruckskraft berühmte Gedichte vorträgt, eine starke Vorstellung gibt, ist "Meal Ticket" zu monoton, zu repetitiv und zu deprimierend, um gut zu unterhalten. Zugegeben, alleine wegen der beiläufig-brutalen Konsequenz, mit der die Coens diese tragische Geschichte erzählen, wird man sie nicht so schnell vergessen – aber für die letztlich banale Botschaft, die sie vermittelt, ist sie viel zu lang und ereignisarm geraten.
4 Punkte.

"All Gold Canyon":
Die Musikerlegende Tom Waits ("7 Psychos") verkörpert in dieser auf einer Kurzgeschichte von Jack London basierenden, weitgehend dialogfreien Episode einen alten Goldgräber, der mitten in der unberührten Wildnis auf eine Goldader stößt. Dies ist sicher die klassischste Western-Story von "The Ballad of Buster Scruggs": geradlinig erzählt, ohne viel Humor oder spektakuläre Storywendungen. Dafür gibt es eine entspannte Atmosphäre, die dem Publikum viel Zeit läßt, um die grandiosen Landschaftsaufnahmen sowie die klangvolle Musik von Carter Burwell ("Burn After Reading") zu genießen.
7 Punkte.

"The Gal Who Got Rattled":
Auch "The Gal Who Got Rattled" erzählt eine vergleichsweise normale Western-Geschichte, was vermutlich damit zusammenhängt, daß es neben "All Gold Canyon" die einzige Episode ist, die auf einer literarischen Vorlage basiert – in diesem Fall einer Kurzgeschichte von Stewart Edward White. Zoe Kazan ("Ruby Sparks") spielt die junge Alice, die mit ihrem großspurigen Bruder Gilbert (Jefferson Mays, "Inherent Vice") in einem Treck auf dem Weg nach Oregon ist, wo sie einen ihr unbekannten Geschäftspartner Gilberts heiraten soll. Auf der Reise kommt es zu etlichen unvorhergesehenen Ereignissen, welche auch dazu führen, daß sich Alice und der schweigsame, aber attraktive Treckführer Billy Knapp (Bill Heck, Netflix-Serie "Locke & Key") näherkommen. Viel Humor gibt es auch hier nicht, allerdings scheint der typische Hang zur Skurrilität der Coen-Brüder immer wieder durch. "The Gal Who Got Rattled" mag nicht allzu originell sein, doch die Erzählung ist einfühlsam gespielt und inszeniert und vermittelt in ihrer schicksalsergebenen Unaufgeregtheit ein authentisches Western-Gefühl.
8 Punkte.

"The Mortal Remains":
Nach zuerst zwei sehr amüsanten und dann drei weitgehend ernsten Episoden wird es zum Schluß wieder etwas humorvoller. "The Mortal Remains" erzählt von einer Kutschfahrt, deren sehr unterschiedliche Passagiere sich während der langen Reise etwas besser kennenlernen. Mrs. Betjeman (Tyne Daly, "Spider-Man: Homecoming") ist eine fromme Dame, die nur wenig angetan ist von ihrem Sitznachbarn, einem schmutzigen und sich wenig vornehm verhaltenden Trapper (Chelcie Ross, "Drag Me to Hell"). Mit von der Partie sind außerdem der philosophisch veranlagte Franzose René (Saul Rubinek, "Barney's Version") und gleich zwei Kopfgeldjäger: der galante Engländer Thigpen (Jonjo O'Neill, "Unbeugsam") und der zumindest äußerlich eher grobschlächtige Ire Clarence (Brendan Gleeson, "The Guard"). Im Lauf der Fahrt erfahren wir durch die Gespräche einiges über das vom Schicksal zusammengewürfelte Quintett, wobei vor allem die Geschichte der Kopfgeldjäger nicht nur ihren Mitreisenden viel Stoff zum Nachdenken liefert … Für den Abschluß von "The Ballad of Buster Scruggs" mag "The Mortail Remains" überraschend unspektakulär und dialoglastig geraten sein, aber die Dynamik zwischen den Reisenden ist spannend und die mal amüsanten, mal hintersinnigen Dialoge sind interessant – und Brendan Gleeson darf mit einem melancholischen irischen Volkslied seine Sangeskünste zum Besten geben. Ein gelungenes, nachdenkliches Ende.
7,5 Punkte.

Fazit: "The Ballad of Buster Scruggs" ist eine schrullige, aber im Kern erstaunlich grimmige Western-Anthologie mit gutem durchschnittlichen Niveau, aus dem ein Höhe- und ein Tiefpunkt deutlich hervorstechen.

Wertung: Der Durchschnitt meiner Einzelwertungen der Episoden beträgt knapp 7,5 Punkte, das scheint mir auch angemessen.

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