Originaltitel: Missing Link
Regie und Drehbuch: Chris Butler, Musik: Carter Burwell
Sprecher der Originalfassung: Hugh Jackman, Zach
Galifianakis, Zoe Saldana, Stephen Fry, Timothy Olyphant, Matt Lucas, David
Walliams, Amrita Acharia, Emma Thompson, Humphrey Ker, Adam Godley, Neil Dickson, Ching Valdes-Aran
FSK: 6, Dauer: 95 Minuten.
Sir Lionel Frost (in der Originalfassung gesprochen von Hugh
Jackman, "Greatest Showman") ist ein sehr talentierter, aber auch etwas
schusseliger britischer Entdecker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der sogar
das Monster von Loch Ness entdeckt hat. Da er dummerweise aber keinen
Beweis dafür vorlegen kann, bleibt Sir Lionel die von ihm so sehnlichst erhoffte
Mitgliedschaft in der elitären Londoner "Society of Great Men" verwehrt. Da
trifft es sich gut, daß Lionel einen Brief aus Kanada erhält, der ihm den
Weg zum legendären Sasquatch weist. Sir Lionel ringt dem versnobten Lord
Piggot-Dunceby (Stephen Fry, "Sherlock Holmes 2") das Versprechen ab, daß
er endlich in die Society of Great Men aufgenommen wird, wenn er den Beweis für
die Existenz des Sasquatch erbringt. Lord Piggot-Dunceby hält das zwar für
höchst unwahrscheinlich, vorsichtshalber setzt er aber dennoch den
berüchtigten Kopfgeldjäger Willard Stenk (Timothy Olyphant, "Once Upon a
Time in … Hollywood") auf Sir Lionel an, der dessen erfolgreiche Rückkehr
mit allen Mitteln verhindern soll. Derweil stößt Lionel in den kanadischen
Wäldern in der Tat auf den wahrscheinlich letzten existierenden Sasquatch (Zach
Galifianakis, "Hangover"), der zu seiner großen Überraschung ziemlich
menschlich wirkt und sogar tadellos sprechen kann. Der namenlose, von Sir
Lionel vorübergehend "Mr. Link" getaufte Sasquatch ist gerne bereit,
dem Entdecker die benötigten Beweise für seine Existenz zu überlassen – sofern dieser ihn im Gegenzug ins Himalaya bringt, wo mit den Yetis
wohl Verwandte von ihm im sagenumwobenen Shangri-La leben. Um den
Weg dorthin zu finden, benötigt Lionel jedoch die Hilfe seiner
heißblütigen Ex-Freundin Adelina (Zoe Saldana, "Guardians of the Galaxy") …
Kritik:
Unter Cineasten hat sich das US-Studio Laika schon lange einen Namen
gemacht als Schöpfer technisch brillanter und inhaltlich meist ähnlich
überzeugender Stop Motion-Animationsfilme wie "Corpse Bride", "ParaNorman"
und "Kubo –
Der kleine Samurai". Dummerweise haben sich Laikas Qualitäten
beim Multipex-Publikum selbst nach all diesen Jahren noch nicht so richtig
herumgesprochen, weshalb die meisten Laika-Filme bestenfalls knapp in die schwarzen
Zahlen kamen. Für "Mister Link – Ein fellig verrücktes
Abenteuer" hat Laika sich mit dem 2018 nicht zum ersten Mal wiederbelebten
Studio United Artists (ursprünglich vor etwas über 100 Jahren von Künstlern um Charles
Chaplin und Mary Pickford gegründet) einen neuen Verleiher gesucht – das
brachte jedoch auch nichts, im Gegenteil lief "Mister Link" so schwach wie kein Laika-Film zuvor; nur ein Viertel des beachtlichen Budgets von rund $100 Mio. konnte in den Kinos wieder reingeholt werden. Dabei sind die Kritiken einmal mehr
sehr positiv ausgefallen, wenn auch nicht ganz so euphorisch wie bei den besten
Laika-Filmen. Das dürfte daran liegen, daß der britische Regisseur und
Drehbuch-Autor Chris Butler ("ParaNorman") ein Stück weit von der bisherigen
Laika-Linie abweicht, mit intelligenten, anspielungsreichen Storys
gleichermaßen (ältere) Kinder und Erwachsene anzusprechen, was leider
für ein typisches Zielgruppenproblem sorgte. Stattdessen richtet sich
"Mister Link" erkennbar an ein jüngeres Publikum, allerdings, ohne dabei erwachsene Laika-Fans im Stich zu lassen. Wie
gesagt: Sollte der Hintergedanke für die etwas kindgerechtere Machart von
"Mister Link" die Lösung des Zielgruppenproblems gewesen sein, so
ging das – zumindest im Kino – mächtig in die Hose. Dennoch ist "Mister
Link" ein zwar recht oberflächliches, dabei aber fröhliches Animationsabenteuer,
das eineinhalb Stunden unkomplizierten Spaß auf gehobenem Niveau bietet.
Zu Beginn entwickelt sich "Mister Link" jedoch
noch etwas zäh, denn für die Vorstellung des ambitionierten Abenteurers und
seiner blasierten Gegenspieler von der bescheiden betitelten "Society
of Great Men" nimmt sich Chris Butler mehr Zeit, als es nötig gewesen
wäre. Das liegt daran, daß Sir Lionel für sich genommen durchaus
sympathisch ist, aber doch ziemlich blaß und in seim Ehrgeiz arg
oberflächlich rüberkommt. Zudem ist speziell Lionels Gesicht etwas
irritierend gestaltet, denn in meinen Augen hat es etwas
Verschlagenes an sich, weshalb ich fast bis zum Schluß darauf gewartet habe,
daß er irgendwie als wahrer Bösewicht der Story entlarvt wird (ob das passiert,
verrate ich natürlich nicht). Es ist gut möglich, daß diese leichte Ambivalenz gewollt ist, denn Lionels Verhalten ist nicht frei von Grautönen und er wäre
natürlich nicht der erste, der etwas so sehr will (in diesem Fall den Respekt
seiner Forscherkollegen), daß er dafür seine Prinzipien verrät. Für
den Protagonisten einer familienfreundlichen, witzigen Abenteuergeschichte ist es jedenfalls nicht unproblematisch, wenn man beständig an seinen wahren Absichten zweifelt –
aber vielleicht ging das ja auch nur mir so, und ansonsten habe ich an Animation und Design wenig zu bemängeln. Im Verbund mit anderen Personen funktioniert Sir Lionel aber wesentlich besser, weshalb
"Mister Link" nach dem ersten Drittel richtig Fahrt aufnimmt, als
Lionel mit dem titelgebenden Sasquatch zusammenkommt und wenig später auch mit seiner temperamentvollen Ex Adelina. In den Szenen mit dem
liebenswürdig-naiven Mister Link, der ebenso neugierig wie tolpatschig durch
die für ihn neue Welt der Menschen tapst und alles wörtlich nimmt,
fungiert Lionel als väterlicher Mentor, während die schlagfertigen
Interaktionen mit Adelina klassisches Screwball-Comedy-Feeling versprühen.
Die Handlung ist dabei ab diesem zweiten Akt deutlich von
Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" inspiriert, allerdings fällt der
Reiseaspekt leider etwas unterwältigend aus. Speziell die Zugreise durch
Europa, die in kaum einer Minute ereignislos abgehandelt wird, kommt viel zu
kurz, auch ansonsten hätte man aus der Begegnung des neugierigen Sasquatch mit
immer neuen Kulturen mehr herausholen können – sowohl dramaturgisch
als auch humortechnisch. Stattdessen sorgen immerhin die wiederholten
Anschlagsversuche des fiesen Kopfgeldjägers Mr. Stenk für Abwechslung und
einige schön in Szene gesetzte Actionsequenzen; besonders eine Verfolgungsjagd
auf einem Schiff schneidet in diesem Bereich gut ab. In humoristischer Hinsicht
überzeugt "Mister Link" mit viel Situationskomik (für die in der
Regel der Sasquatch sorgt) und einem herrlich trockenen Humor in den Dialogen.
Beispiel gefällig? Piggot-Dunceby: "Ich muß Widerstand leisten für alles,
was zivilisiert ist." Sein Helfer Mr. Collick (Matt Lucas aus der kultigen Sketch-Serie "Little Britain" - sein "Little Britain"-Partner David Walliams ist übrigens auch dabei und spricht Lionels ersten Assistenten Mr. Lint): "Aber wie
wollen Sie das anstellen, Mylord?" Piggot-Dunceby: "Ich lasse ihn von
einem Gangster töten!" Mr. Collick: "Oh ja, das sollte reichen."
Auch schön ist der Befehl der Yeti-Ältesten (Emma Thompson, "Late Night"): "Die
unerwünschten Subjekte versuchen, zu fliehen – Zwingt sie, zu bleiben!" In
der Originalfassung, die ich für diese Rezension gesehen habe, klingen die
Dialoge übrigens noch eine Spur pointierter, zudem liefern die Sprecher um Hugh
Jackman, Zach Galifianakis und Zoe Saldana eine starke Leistung ab. Die
deutsche Synchronfassung kann ich nicht beurteilen, aber Christoph Maria Herbst
und Bastian Pastewka als Sprecher von Lionel respektive Mister Link sollten
gute Qualität garantieren (bei Collien Ulmen-Fernandes als Adelina bin ich da
nicht ganz so zuversichtlich, aber erneut: Ich kann es nicht beurteilen).
Auch wenn "Mister Link" nicht die Qualität und den Tiefgang der
besten Laika-Filme erreicht, handelt es sich einmal mehr um ein sehr
vergnügliches Abenteuer, das einfach gute Laune versprüht. Es wäre höchst
bedauerlich gewesen, wäre Laika am kommerziellen Mißerfolg des Films zugrundegegangen,
aber zum Glück ist das nicht geschehen – vermutlich als Folge besserer
Heimkinoverkäufe, die sicherlich durch die verdiente OSCAR-Nominierung für
"Mister Link" angetrieben wurden. Bleibt zu hoffen, daß Laika unverdrossen am Ball bleibt und uns Zuschauern noch viele weitere Stop Motion-Kleinode beschert.
Fazit: "Mister Link – Ein fellig verrücktes
Abenteuer" ist ein humorvolles,
erstklassig animiertes Stop Motion-Abenteuer, das sich mit seiner relativ
einfach gehaltenen Handlung stärker an ein jüngeres Publikum richtet als frühere
Laika-Filme, mit seinem zeitlosen Humor und cleveren Dialogen aber auch
Erwachsenen viel Freude bereitet.
Wertung: 7,5 Punkte.
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