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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 24. März 2021

FREE FIRE (2016)

Regie: Ben Wheatley, Drehbuch: Amy Jump und Ben Wheatley, Musik: Geoff Barrow und Ben Salisbury
Darsteller: Cillian Murphy, Brie Larson, Armie Hammer, Sharlto Copley, Michael Smiley, Sam Riley, Jack Reynor, Babou Ceesay, Enzo Cilenti, Noah Taylor, Patrick Bergin, Mark Monero, Tom Davis
Free Fire (2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 69% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $3,7 Mio.
FSK: 16, Dauer: 90 Minuten.
Boston, Ende der 1970er Jahre: Eine Gruppe von IRA-Kämpfern um Frank (Michael Smiley, "The Nun") und Chris (Cillian Murphy, "Batman Begins") will auf Vermittlung von Justine (Brie Larson, "Captain Marvel") und Ord (Armie Hammer, "Lone Ranger") eine Ladung Sturmgewehre von den Waffenhändlern Vernon (Sharlto Copley, "Europa Report") und Martin (Babou Ceesay, "Severance") kaufen. Am Treffpunkt in einem verlassenen Fabrikgebäude beharken sich beide Parteien zwar verbal ein wenig, zumal Vernon und Martin andere Waffen mitgebracht haben als vereinbart – dennoch scheint alles glattzulaufen. Dann stellt sich allerdings heraus, daß es am Abend zuvor ein unerfreuliches Aufeinandertreffen zwischen dem IRA-Mann Stevo (Sam Riley, "Maleficent") und Vernons und Martins Helfer Harry (Jack Reynor, "Sing Street") gab, woraufhin die Angelegenheit unschön eskaliert und Kugeln die Luft und die Körper durchschneiden. Nach dem ersten Shootout gibt es zwar noch keine Tote, aber dafür sind alle Beteiligten mehr oder weniger schwer verletzt. Während Justine und Ord versuchen, die Situation irgendwie halbwegs friedlich zu lösen, trifft eine dritte Partei in der Fabrikhalle ein und eröffnet das Feuer …
 
Kritik:
Der britische Filmemacher Ben Wheatley hat sich einen Namen gemacht für meistens sehr unkonventionelle und wenig massentaugliche Genrefilme wie "Sightseers", "A Field in England" oder "High-Rise". Im Vergleich dazu wirkt sein Actionthriller "Free Fire" beinahe konventionell, wenn eine nach etwas Anlauf etwa einstündige Dauerballerei in einem aufgegebenen Lagerhaus ohne nennenswertes Storygerüst auch sicher nicht alltäglich ist. Die Anleihen bei Tarantinos Kultfilm "Reservoir Dogs" sind offensichtlich, zumal auch Wheatley auf schräge Charaktere und trockene Dialogduelle setzt – andere Produktionen wie Joe Carnahans "Smokin' Aces", Takashi Miikes herrlich durchgeknallter "First Love" oder selbst der John Carpenter-Klassiker "Assault – Anschlag bei Nacht" weisen ebenfalls zahlreiche inhaltliche und/oder stilistische Parallelen auf. Wie gesagt: für Wheatleys Verhältnisse ist "Free Fire" erstaunlich konventionell geraten (was natürlich nicht allzu viel heißen will). Unterhaltsam ist sein Filme trotzdem, was in erster Linie der Besetzung und den gut choreographierten Schießereien zu verdanken ist, teils auch den schwarzhumorigen Dialogen; wenngleich deren Qualität deutlich schwankt. Im Zusammenspiel mit der weitestgehend fehlenden Handlung und Figuren, die zwar ziemlich schillernd ausfallen, aber kaum Tiefe entwickeln, ist "Free Fire" ein recht sehenswertes Spektakel für Genrefreunde – mit einigen Schwächen.
 
Interessanterweise hat Wheatley seinen Film sehr, sehr lose an eine echte Massenschießerei angelehnt, die in den 1980er Jahren vom FBI haarklein protokolliert wurde. Dabei zeigte sich unter anderem, wie schlecht die meisten Gangster in Wirklichkeit schießen können und im Zusammenhang damit auch, daß viele Schußwunden gar nicht (sofort) tödlich sind. Dieses Protokoll mit seinen Erkenntnissen inspirierte Wheatley dazu, die Schießereien in "Free Fire" möglichst realistisch zu gestalten – was kurioserweise dazu führt, daß sie höchst unrealistisch wirken. Wenn etwa ein Dutzend Personen ausdauernd (und ohne Rücksicht auf Unbeteiligte nehmen zu müssen) aufeinander schießen, dann erscheint es einfach unglaubwürdig bis zur unfreiwilligen Komik, daß jede einzelne Figur getroffen wird, jedoch (zunächst) niemand tödlich. Man fühlt sich an die Bösewichte aus Slasherfilmen erinnert, die wie Phoenix aus der Asche wieder auftauchen, nachdem die Protagonisten sie scheinbar bereits endgültig erledigt haben. Nur daß besagte Slasher-Bösewichte á la Jason Voorhees oder Michael Myers dabei nicht die ganze Zeit rumjammern und würdelos durch den Staub kriechen. Nein, eine Verherrlichung von Gewalt und Gangstern kann man "Free Fire" bei aller Bleihaltigkeit kaum vorwerfen, denn dafür kommen sämtliche Beteiligten einfach zu schlecht weg. Das aber wirft natürlich das Problem auf, daß echte Sympathieträger und damit Identifikationsfiguren für das Publikum fehlen. Zwar ist es eine beachtliche Leistung, daß man die zahlreichen Beteiligten binnen weniger Minuten auseinanderhalten kann und auch ihr durchaus komplexes Beziehungsgeflecht untereinander durchschaut; wirklich mitfiebern will man aber mit niemandem.
 
Am normalsten wirken noch die Rollen von Brie Larson, Cillian Murphy und Armie Hammer, die angesichts der Bekanntheit ihrer Darsteller wenig überraschend so deutlich als Hauptfiguren etabliert werden, daß man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß sie überleben respektive am längsten überleben werden. Das nimmt der Geschichte zusätzlich Spannung, die ja schon darunter leidet, daß einem die Charaktere ziemlich egal sind. Mehr als überzeichnete Stereotype sind die abseits des zentralen Trios sowieso nicht und der Hauch von Hintergrundgeschichte, den Wheatley ihnen gönnt (und der hauptsachlich als Erklärung für die Eskalation der Ereignisse fungiert), ändert daran nicht viel. Was dafür sehr gut funktioniert, ist die Etablierung einer rauhen 1970er Jahre-Atmosphäre, die an Filmklassiker jener Zeit wie "French Connection", "Dirty Harry" oder den erwähnten "Assault" erinnert. Diese Ära wird nicht einfach nur behauptet, man nimmt sie dem Film und den Figuren ab, weil Ausstattung und Kostümabteilung einen guten Job gemacht haben und Wheatley auch bei den Dialogen auf Zeitkolorit achtet. Dennoch machen die Dialoge einen recht deutlichen qualitativen Unterschied zu Tarantinos Werken aus: Keine Frage, einige Oneliner und Dialoge sind clever und es gibt auch immer wieder etwas zu lachen, ebenso gibt es aber etliche Rohrkrepierer und peinliche Sprüche und Schimpftiraden. Der für Ben Wheatley typische schwarze Humor scheint jedoch immer wieder durch, wenn etwa Chris und Justine, beide verwundet, während der Kämpfe ein Date für den Fall ihres Überlebens klarmachen. Obwohl "Free Fire" ziemlich kurz geraten ist, wird die Dauer-Schießerei früher oder später beinahe zwangsläufig ein wenig monoton – daran könnten die besten Kampfchoreographien nichts ändern, zumal das Lagerhaus als alleiniger Schauplatz auch nicht gerade für Abwechslung sorgt (obgleich Wheatley die Möglichkeiten des Gebäudes voll ausnutzt). Wheatley ist das offensichtlich bewußt und er steuert im finalen Akt mit einigen deutlich kreativeren Nahkampf-Tötungen gegen, aber das kommt etwas spät und erreicht niemals das Niveau der "John Wick"-Reihe. So bleibt es dabei, daß "Free Fire" aus einer extremen High Concept-Prämisse (eine Story, die sich in einem Satz zusammenfassen läßt) viel herausholt und damit bei Anhängern des Genres für Freude sorgt, letztlich aber doch nur knapp über Mittelmaß hinauskommt. Interessenten würde ich da eher zum oben erwähnten japanischen Genremix "First Love" raten.
 
Fazit: "Free Fire" ist eine 90-minütige tarantinoeske Dauer-Ballerei, die mit grimmiger 1970er Jahre-Atmosphäre, schwarzem Humor und einer guten Besetzung punktet, aber den Mangel an Handlung und die oberflächlichen Charaktere auf Dauer nicht überdecken kann.
 
Wertung: 6,5 Punkte.
 
 
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