Regie und Musik: John Carpenter, Drehbuch: Debra Hill und John Carpenter
Darsteller: Jamie Lee Curtis, Donald Pleasance, Nick Castle, Nancy Loomis, P.J. Soles, Brian Andrews, John Michael Graham, Charles Cyphers, Kyle Richards, Nancy Stephens
FSK: 16, Dauer: 87 Minuten.
Nachdem er im Alter von sechs Jahren am Halloween-Abend seine ältere Schwester ermordet hat, wird Michael Myers in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen – 15 Jahre später gelingt ihm wiederum an Halloween die Flucht. Sein Psychiater Dr. Sam Loomis (Donald Pleasance, "Gesprengte Ketten"), der Michael für einen hoffnungsvollen Fall, ja gar für absolut "böse" hält, ahnt, wohin es den nun 21-Jährigen zieht: zurück in seinen Heimatort Haddonfield. Während Dr. Loomis dort noch versucht, den Sheriff (Charles Cyphers, "Coming Home") von der Gefahr zu überzeugen, hat Michael sich bereits seine nächsten potentiellen Opfer auserkoren: Die 17-jährige Laurie Strode (Jamie Lee Curtis, "True Lies") und ihre besten Freundinnen Annie (Nancy Loomis) und Lynda (P.J. Soles, "Carrie") begegnen durch Zufall dem im Auto vorbeifahrenden Michael, der sie fortan heimlich verfolgt. Während die aufmerksame Laurie das bemerkt, halten ihre Freundinnen sie für paranoid. Am Abend arbeiten Laurie und Annie als Babysitter in dicht beieinander gelegenen Häusern, später – wenn die Kinder im Bett sind – wollen Lynda und ihr Freund für ein geselliges Beisammensein vorbeischauen. Doch der mit Maske und scharfem Messer ausgestattete Michael hat andere Pläne …
Kritik:
In den 1970er und 1980er Jahren war der Regisseur, Drehbuch-Autor, Produzent und Komponist John Carpenter eine ganz große Nummer, die mit "Assault – Anschlag bei Nacht" (1976), "The Fog – Nebel des Grauens" (1980), "Die Klapperschlange" (1981) sowie "Das Ding aus einer anderen Welt" (1982) eine ganze Reihe von Genreklassikern verantwortete (sowie noch einige weitere sehenswerte Filme wie "Dark Star", "Christine", "Starman", "Sie leben", "Big Trouble in Little China" und "Die Fürsten der Dunkelheit"). Den größten filmhistorischen Einfluß hatte aber mit Sicherheit sein Low Budget-Horrorfilm "Halloween", der als Begründer des Subgenres des Slasherfilms gilt und in den nächsten 40 Jahren acht Fortsetzungen sowie zwischendurch ein zweiteiliges Reboot von Rob Zombie nach sich zog. Zwar gab es bereits zuvor einige Werke, die in diese Richtung wiesen, allen voran Alfred Hitchcocks "Psycho", doch die weitgehend bis heute gültigen ungeschriebenen Regeln des Genres mit maskierten und/oder entstellten Killern, Teenagern als Opfern und den legendären "Scream Queens" hat letztlich John Carpenter mit "Halloween" etabliert. Allerdings muß ich zugeben, daß ich persönlich nie ein großer Fan von "Halloween" war, der zwar fraglos ungemein atmosphärisch inszeniert ist, aber recht langatmig daherkommt und viel erzählerisches Potential brachliegen läßt.
Meine verhaltene Rezeption von "Halloween" dürfte einerseits damit zusammenhängen, daß ich generell Slasherfilmen selten viel abgewinnen kann (Wes Cravens "Nightmare – Mörderische Träume" ist eine der wenigen Ausnahmen, während ich mit der "Freitag der 13."-Reihe, "Prom Night", "Muttertag" oder "Chucky – Die Mörderpuppe" eher wenig anfangen kann), andererseits aber gerade mit seiner Vorreiterstellung. Denn wiewohl Carpenter hier beispielsweise mit den Morden aus der Ich-Perspektive fraglos Bahnbrechendes für das Subgenre leistet und wichtige Elemente etabliert, die selbst Jahrzehnte später noch funktionieren, ist dieser Film in einigen Bereichen eindeutig noch unausgereift. Zum Teil hängt das sicher mit dem niedrigen Budget zusammen, das die vielen langen Passagen im Mittelteil erklären dürfte, in denen kaum etwas passiert. Wir sehen den Teenagern lediglich beim wenig ereignisreichen und noch nicht einmal wirklich für die Figurenzeichnung hilfreichen Babysitten und ihren endlosen Telefonaten zu, nur hin und wieder kurz unterbrochen durch unheilverheißende Umschnitte auf den draußen in der Dunkelheit lauernden und beobachtenden Michael. Ohne Zweifel holt John Carpenter selbst aus dieser Phase noch einiges heraus, was vor allem der von ihm selbst komponierten Musik zu verdanken ist. Bekanntlich beherrscht es kaum jemand so meisterhaft wie Carpenter (Ennio Morricone und John Williams kommen einem in den Sinn), mit einfachsten Mitteln eine den gesamten Film stark prägende Musik zu komponieren, die sich auf kurze und simple, jedoch eingängig-schaurige Melodien konzentriert, die sich in leichten Variationen ständig wiederholen und so eine immer unruhigere, bedrohlichere Stimmung vermitteln. Doch so atmosphärisch die Inszenierung auch ist, kann sie nicht ganz überdecken, daß lange Zeit sehr wenig passiert. Witzig ist allerdings, daß sich Laurie und ihr Schützling im TV den SciFi-Gruselklassiker "Das Ding aus einer anderen Welt" aus dem Jahr 1951 anschauen – den Carpenter nur vier Jahre später kultverdächtig (und sehr blutig) neuverfilmen sollte …
Besonders ärgerlich ist, man die ereignisarme Handlung leicht hätte anreichern können, etwa durch eine stärkere Einbeziehung von Donald Pleasance – seines Zeichens immerhin früherer Bond-Bösewicht (Blofeld in "Man lebt nur zweimal" aus dem Jahr 1966) – in seiner Rolle als Dr. Sam Loomis. Doch nach seinen frühen Szenen vor der Etablierung von Laurie als Protagonistin verschwindet Dr. Loomis fast völlig von der Bildfläche und betätigt sich nur noch ein paar Mal als besserer Stichtwortgeber. Hätte man seine Rolle ausgebaut und damit die Beschäftigung mit den psychologischen Hintergründen von Michaels Schreckenstaten, wäre es fürs Publikum sicher interessanter gewesen als die ständige Telefoniererei der hormongesteuerten Teenager. Stattdessen bleibt Dr. Loomis überwiegend nutzlos und seine psychiatrische Einschätzung von Michael als schlicht und ergreifend "böse" ist so natürlich kompletter Humbug – wenn sie auch den wiederholten Andeutungen möglicher übernatürlicher Elemente beim notorisch untötbaren Michael Vorschub leistet, den Lauries kleiner Schützling (in der deutschen Synchronfassung) für die sprichwörtliche Schreckensgestalt "Schwarzer Mann" hält. Diese Ambiguität bezüglich der Identität Michaels (der von insgesamt sechs Akteuren verkörpert wurde, vorwiegend aber von Nick Castle) ist reizvoll, bleibt jedoch zu stark im Hintergrund, um sich ernsthaft auf die geradlinige Story auszuwirken. Ebenfalls verschenkt ist übrigens das Halloween-Setting – die Ereignisse finden lediglich an Halloween statt, doch das "Fest" selbst spielt kaum eine Rolle. So ist es letztlich vor allem Carpenters stimmiger Inszenierung wie auch der charismatischen Leistung von Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis zu verdanken, daß "Halloween" alles in allem trotz seiner Schwächen funktioniert. Für Curtis – Tochter der Hollywood-Legenden Tony Curtis ("Manche mögen's heiß") und Janet Leigh ("Psycho") – war es das Kinodebüt und der Auftakt einer großartigen Karriere, in der sie ihre ikonische Rolle als "Scream Queen" (die sie u.a. in "Prom Night", "The Fog" und diversen "Halloween"-Fortsetzungen ausbaute) ohne Probleme für anspruchsvollere Stoffe hinter sich lassen konnte. Dabei ist es unbestritten, daß Curtis eine exzellente "Scream Queen" war, die sich in "Halloween" dem maskierten Killer – dessen Morde insgesamt überraschend unblutig in Szene gesetzt sind – aber gleichzeitig entschlossen und mit dem Mut der Verzweiflung entgegenstellt.
Fazit: Die große filmhistorische Bedeutung von John Carpenters ungemein atmosphärischem "Halloween" als Begründer des modernden Slasherfilms ist unbestritten, für sich genommen hat er aber zu viele vor allem dramaturgische Mängel, um seinem Ruf wirklich gerecht werden zu können.
Wertung: 7 Punkte.
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