Darsteller:
Charlize Theron, Margot Robbie, Nicole Kidman, John Lithgow, Mark Duplass, Kate McKinnon,
Allison Janney, Rob Delaney, Malcolm McDowell, Ben Lawson, Josh
Lawson, Liv Hewson, Brigette Lundy-Paine, Connie Britton, Katie Aselton, Nazanin Boniadi, Mark Moses, Spencer
Garrett, Brian d'Arcy James, Alice Eve, Richard Kind, Tricia
Helfer, Jennifer Morrison, Kevin Dorff, P. J. Byrne, Michael Buie, Ashley
Greene, Marc Evan Jackson, D'Arcy Carden, Amy Landecker, Elisabeth Röhm, Tony
Plana, Ahna O'Reilly, Stephen Root, Alanna Ubach, Anne Ramsay, Madeline Zima
FSK: 12, Dauer: 110 Minuten.
Als sich Donald Trump als anfänglicher Außenseiter im
republikanischen Vorwahlkampf zu der Präsidentschaftswahl des Jahres 2016 zum Topfavoriten aufschwingt, ist der konservative TV-Sender Fox News für ihn
ein wichtiger Begleiter. Zu Beginn äußern sich der Sender und sein Chef und
Begründer Roger Ailes (John Lithgow, "Planet der Affen: Prevolution")
noch ziemlich Trump-kritisch und werden daher immer wieder zum Ziel seiner
Anfeindungen – wie allen voran Star-Moderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron,
"Long Shot") erfahren muß, als sie Trump als Co-Moderatorin der
republikanischen Kandidatendebatte sehr direkt auf seine frauenfeindlichen
Äußerungen anspricht und deshalb später von ihm mit bitteren
Twitter-Tiraden bedacht wird, die ihr gar Morddrohungen von Trump-Fans
einbringen. Misogynie, Belästigung und Diskriminierung erfahren die Frauen
bei Fox News allerdings keineswegs nur extern, vielmehr halten sich seit vielen Jahren
Gerüchte um sexuelle Belästigung durch Ailes und andere einflußreiche Männer.
Endgültig an die Öffentlichkeit gelangen diese, als die Moderatorin Gretchen
Carlson (Nicole Kidman, "Destroyer") gefeuert wird und im Gegenzug
Roger Ailes wegen sexueller Belästigung anzeigt. Natürlich wird alles geleugnet
und besonders die prominenten weiblichen Fox News-Persönlichkeiten werden von oben
gedrängt, sich öffentlich hinter den Senderchef zu stellen – doch Kelly zögert
angesichts eigener Erfahrungen und versucht herauszubekommen, wie viel Wahres
an den Anschuldigungen ist. Auch die aufstrebende Kayla Pospisil (Margot Robbie,
"Suicide Squad") überlegt, ob sie ihre Erfahrungen mit Roger
Ailes öffentlich machen sollte …
Kritik:
Eigentlich grenzt es an ein Wunder, daß
"Bombshell – Das Ende des Schweigens" überhaupt als größerer
Hollywood-Film (mit einem Budget von gut $30 Mio.) verwirklicht wurde. Klar,
die #MeToo-Debatte hat die Thematik der sexuellen Belästigung in den
Vordergrund gespült – sein Drehbuch hatte Charles Randolph ("The Big Short") zu diesem Zeitpunkt bereits geschrieben –, aber daß sie
Zuschauermassen in die Kinos locken würde, schien doch sehr unrealistisch.
Dazu kommt bei dieser konkreten Geschichte ein erhebliches Zielgruppenproblem,
denn die meisten Fox News-Zuschauer werden sich keinen Film aus dem von ihnen
sowieso tendentiell abgelehnten Hollywood anschauen, in dem ihr Lieblingssender sowie Donald Trump schlecht wegkommen. Auf der anderen Seite ist es keine
einfache Sache, den liberaleren Zuschauern eine Geschichte zu verkaufen, in der einige einflußreiche Moderatorinnen dieses ultrarechten Propagandasenders die
Protagonistinnen und vielleicht sogar Heldinnen sind. Trotzdem wurde
"Bombshell" produziert, was in erster Linie den Bemühungen von
Charlize Theron zu verdanken sein dürfte, welche nicht nur die Hauptrolle der
Megyn Kelly übernahm, sondern sich mit ihrer Produktionsfirma auch finanziell
beteiligte und prominente Co-Stars vor die Kamera lockte. Die Bilanz,
ob sich das Wagnis "Bombshell" letztlich rentiert hat, fällt in
kommerzieller Hinsicht ähnlich zwiespältig aus wie in künstlerischer. Immerhin
konnte der Film des zuletzt zunehmend vom Komödienbereich
("Austin Powers", "Meine Braut, ihr Vater und ich") zu
dramatischeren Stoffen ("Trumbo") gewechselten Jay Roach ungefähr das
Doppelte seiner Produktionskosten einspielen – was nach gängiger
Filmbranchen-Arithmetik frühestens in der Heimkinoverwertung möglicherweise zu einem kleinen Plus führen dürfte. Und wenn drei
OSCAR-Nominierungen (mit einem Sieg) auch ein Erfolg für "Bombshell" sind, fielen
die Reaktionen von Kritikern und Zuschauern im Allgemeinen eher verhalten
positiv aus und damit bei weitem nicht so gut wie erhofft. Doch obwohl Jay Roachs
Film einige Mängel aufweist, bietet er letztlich ziemlich gute Unterhaltung,
die auf (etwas zu) leichtgängige Art und Weise einen genauen Blick auf eine wichtige
Thematik wirft.
Auf den ersten Blick könnte man es schon für merkwürdig
halten, daß ein Film über sexuelle Belästigung und Machtmißbrauch von
einem Mann geschrieben und von einem Mann inszeniert wird. Auch Drehbuch-Autor
Randolph hatte auf eine
Regisseurin gehofft, doch Charlize Theron wollte unbedingt, daß Jay Roach diese
Rolle übernimmt – und das macht durchaus Sinn, da dieser Film ausdrücklich in
erster Linie an Männer gerichtet ist. Frauen, so die nachvollziehbare Logik,
kennen das, was "Bombshell" schildert, so oder ähnlich sowieso
(entweder aus eigenen Erfahrungen oder von Bekannten), wohingegen es auch in
der #MeToo-Ära immer noch viel zu viele Männer gibt, denen das ganze Ausmaß der
Problematik nicht ansatzweise klar ist. Dem will "Bombshell"
entgegenwirken, indem er die Thematik aus dezidiert weiblicher Perspektive zeigt. Besonders gut gelingt das in jenen Szenen, in denen wir die
Belästigung von Frauen bei Fox News sehen und die Gedanken des jeweiligen
Opfers hören. Die laufen erschreckender-, aber vermutlich realistischerweise
oft auf das verzweifelte Bemühen hinaus, das seine Macht mißbrauchende
männliche Gegenüber zu beschwichtigen und gewissermaßen die Schuld für dessen
unangebrachtes Verhalten auf sich zu nehmen ("es tut mir leid, wenn ich
den Eindruck erweckt habe, ich wäre an mehr interessiert …"), um möglichst
sein Ego nicht zu kränken und damit im Idealfall trotz Ablehnung die eigene
Karriere zu retten. Als sehr effektiv erweist es sich zudem, an einer Stelle
beklemmend nüchterne Archiv-Audioaufnahmen von Anklägerinnen der Fox News-Granden
einzubetten, welche das Ausmaß und die Dauer der Mißstände bei diesem Sender
andeuten. Nicht unerwähnt bleiben soll auch, daß Autor
Charles Randolph neben den namhaften Betroffenen wie Gretchen Carlson und Megyn Kelly einige
fiktive Personen einbaute (allen voran Kayla Pospisil), die für die zahlreichen
Frauen stehen, die wegen eines Vergleichs mitsamt Schweigevereinbarung ihre
Erlebnisse nicht öffentlich machen dürfen.
Letzten Endes enthält "Bombshell" aber
nur eine Handvoll wirklich unter die Haut gehender Szenen, weil
Randolph, Roach und auch Theron kein schwergängiges Drama drehen wollten,
sondern einen trotz der Thematik eher leichten Film, der dafür ein möglichst
großes Publikum erreicht. Das ist natürlich ein Balanceakt, bei dem man viele
Zuschauer (und Kritiker) verärgern kann, doch obgleich zweifellos etwas mehr
Tiefgang wünschenswert gewesen wäre, meistert "Bombshell" diese
Aufgabe ziemlich gut. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst des exzellenten
Darsteller-Ensembles, aus dem wenig überraschend das zentrale Damen-Trio Charlize
Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie heraussticht. Sie, die bei der Arbeit
auffällig dem berühmt-berüchtigten Fox News-Frauentyp entsprechen (platinblonde
Haare, viel Makeup, sehr attraktiv und auf eine ganz bestimmte, feminine und körperbetonte Art inklusive Push-up-BH gekleidet), verkörpern drei verschiedene
Perspektiven innerhalb von Fox News: die der sich (wohl vor allem aus
sexistischen Altersgründen) auf dem absteigenden Ast befindenden Moderatorin,
die ihrer auf dem Zenit ihrer Karriere stehenden Kollegin und die der
aufstrebenden Nachwuchskraft. In gewisser Weise sehen wir drei Stufen der
Entwicklung, solange sich nichts an den Methoden bei Fox News ändert. Kayla Pospisil
ist die naive, im Rahmen ihrer vom Elternhaus "geerbten"
erzkonservativen Wertvorstellungen idealistische, aber naive junge Frau, die voller Hoffnung in ihre berufliche Zukunft blickt. Kelly ist zwar ein
Star, jedoch durch ihre Erfahrungen im Sender bereits ernüchtert und angesichts
der Trump-Konfrontation zusätzlich verunsichert. Und Carlson schließlich ist
desillusioniert und etwas zynisch geworden, aber intelligent und
vorausschauend genug, um Material für ihre Klage nach der von ihr
bereits erwarteten Ausbootung zu sammeln. Diese Dreiteilung nimmt zwar
die Möglichkeit einer tiefgehenden Charakterisierung, funktioniert jedoch insgesamt gut. Die drei Schauspielerinnen machen ihre Sache ausgezeichnet,
wobei Robbie sogar den stärksten Eindruck hinterläßt – wobei sie natürlich die
"dankbarste" Rolle hat, denn Kayla dabei zuzusehen, wie ihr
jugendlicher Elan und ihre Begeisterungsfähigkeit nach und nach schwinden und
sie zunehmend isoliert und verzweifelt wirkt, ist ein Erlebnis, zumal
sie in fast allen zentralen Szenen von "Bombshell" vertreten ist. So
starke Emotionen schüren die deutlich abgeklärteren Kelly und Carlson zwar nicht, trotzdem
ist Charlize Therons Transformation in Megyn Kelly (im Originalton mitsamt deren Akzent)
höchst beeindruckend und wurde ebenso wie Robbies Leistung mit einer
OSCAR-Nominierung belohnt. Nicole Kidman muß dagegen etwas zurückstehen, was in
erster Linie daran liegt, daß sie recht bald kein Teil des Senders mehr ist und
deshalb in ihren Szenen etwas außen vor ist.
Die politische Bedeutung des ultrarechten Propagandasenders Fox
News wird von "Bombshell" derweil keineswegs verschwiegen,
spielt aber nur eine untergeordnete Rolle und wird oft eher humorvoll bis
satirisch aufgegriffen. Das kann man verharmlosend nennen, auch hinsichtlich
der Einordnung der Moderatorinnen, dramaturgisch ist es aber eine
nachvollziehbare Entscheidung, denn sonst hätte man sich wohl zwangsläufig zu
sehr verfranst. Immerhin wird auch so darauf geachtet, Gretchen Carlson und
Megyn Kelly nicht nur als strahlende Heldinnen zu zeichnen; speziell
Kelly – die sich händeringend dagegen wehrt, als Feministin bezeichnet zu
werden – hat einige durchaus kontroverse Momente wie bei einer zentralen Konfrontation
mit Pospisil. Bezogen auf die Thematik der sexuellen Belästigung sind
die (Re-)Aktionen aller drei Frauen – die übrigens nur eine gemeinsame
Szene haben (im Fahrstuhl) – aber allesamt nachvollziehbar, auch wenn sie sicherlich
nicht immer alles richtig gemacht haben. Apropos "nicht alles richtig
gemacht": Bezogen auf den mittlerweile verstorbenen Roger Ailes ist das
die Untertreibung des Jahrhunderts und damit gibt er naturgemäß einen guten
Bösewicht von "Bombshell" ab. Dabei wird Ailes klugerweise nicht pauschal
dämonisiert, sondern – passend zu übereinstimmenden Erfahrungsberichten von
Betroffenen – als betont charismatische, manchmal sogar selbstlos hilfsbereite
Person gezeigt, die zwar laut, großkotzig und machohaft ist, aber per se gar nicht
mal unsympathisch. Umso erschreckender ist es, ihn dann als lauerndes Raubtier
zu erleben, das seine Machtposition raffiniert ausnutzt – wie er das bei Kayla
Pospisil tut, ist die vielleicht stärkste, beklemmendste Szene des gesamten
Films. John Lithgow ist unter prosthetischem Make-up und mit Fatsuit (für die
Maskenabteilung von "Bombshell" gab es einen verdienten OSCAR) kaum
wiederzuerkennen, spielt die schwierige Rolle aber trotzdem sehr überzeugend.
Unter den Nebenrollen sticht vor allem Kate McKinnon ("Yesterday")
als die fiktive, heimlich lesbische Junior-Produzentin Jess Carr hervor, die sich
mit Kayla anfreundet. Zudem gibt es zahlreiche prominente Kurzauftritte etwa
von Malcolm McDowell ("Uhrwerk Orange") als Fox-Gründer Rupert
Murdoch, Richard Kind ("Argo") als Rudy Giuliani, Allison Janney
("I, Tonya") als Ailes' Anwältin Susan Estrich, Connie Britton (TV-Serie
"Nashville") als seine loyale Gattin Beth sowie Spencer Garrett
("Once Upon a Time in … Hollywood") und Alanna Ubach ("Bad Teacher") als die Fox News-Persönlichkeiten Sean Hannity respektive
"Judge Jeanine" Pirro. Gerade wegen dieser großen Anzahl an Figuren
bleibt "Bombshell" aber, wie angesprochen, insgesamt zu
oberflächlich. Er bildet die Verfehlungen von Roger Ailes, seiner rechten Hand
Bill Shine (Mark Moses, "Carriers") und anderen ab (und auch das
meist nur andeutungsweise), geht ihnen und dem ganzen Männer-Macht-System Fox
News aber nicht auf den Grund und analysiert kaum etwas. Vielleicht
sogar deshalb ist der Film dafür insgesamt überraschend unterhaltsam geraten und
offenbart kaum Längen, aber das hat eben seinen Preis. Ob der zu hoch ist oder
nicht, muß jeder Zuschauer für sich entscheiden – meines Erachtens funktioniert
"Bombshell" letzten Endes, wenn seine Oberflächlichkeit auch ein bißchen einen schlechten Geschmack im Mund hinterläßt.
Fazit: "Bombshell – Das Ende des
Schweigens" ist ein herausragend gespielter, handwerklich erstklassig gemachter
Film, der die komplexe Problematik der sexuellen Belästigung und des Machtmißbrauchs
erstaunlich leichtfüßig und unterhaltsam ins Zentrum stellt, dabei aber trotz
einiger starker Szenen zumeist nur an der Oberfläche kratzt.
Wertung: 7,5 Punkte.
"Bombshell – Das Ende des Schweigens" erscheint am 4. Juni 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Das erfreulich umfangreiche Bonusmaterial besteht aus sieben Making of-Featurettes mit einer Gesamtlaufzeit von knapp eineinhalb Stunden, die etliche interessante Informationen über einzelne Aspekte der Produktion und die Beweggründe der Filmemacher vermitteln. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
"Bombshell – Das Ende des Schweigens" erscheint am 4. Juni 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Das erfreulich umfangreiche Bonusmaterial besteht aus sieben Making of-Featurettes mit einer Gesamtlaufzeit von knapp eineinhalb Stunden, die etliche interessante Informationen über einzelne Aspekte der Produktion und die Beweggründe der Filmemacher vermitteln. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © EuroVideo Medien
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