Regie: Juan Antonio Bayona, Drehbuch: Sergio G. Sánchez,
Musik: Fernando Velázquez
Darsteller: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Samuel
Joslin, Oaklee Pendergast, Geraldine Chaplin, Sönke Möhring, Marta Etura, Johan
Sundberg, Jan Roland Sundberg, Ploy Jindachote, Douglas Johansson, Emilio
Riccardi, Vorarat Jutakeo, Nicola Harrison

Die britische Familie Bennett feiert ihren Weihnachtsurlaub
2004 in einer paradiesischen Ferienanlage in der thailändischen
Touristenhochburg Khao Lak – nicht ahnend, daß sie sich am Morgen des 26.
Dezember inmitten einer der verheerendsten Naturkatastrophen der jüngeren Vergangenheit
befinden wird, die weit mehr als 200.000 Menschenleben fordert. Die Bennetts vergnügen sich gerade am Hotelpool, als die
gigantische Wasserwand über sie hereinbricht und sie trennt. Mutter Maria
(Naomi Watts) schafft es, trotz des Chaos und einer ernsten Beinverletzung bei
ihrem ältesten Sohn Lucas (Tom Holland) zu bleiben, doch werden sie von den
Wassermassen weit in die Wildnis hineingetragen und können aufgrund von Marias
Verletzung nur hoffen, von Helfern gefunden zu werden. Vater Henry (Ewan
McGregor, "Big Fish", "Lachsfischen im Jemen"), der sich und die beiden jüngeren Söhne in Sicherheit bringen konnte,
macht sich derweil mit einigen Leidensgenossen auf die verzweifelte Suche nach
den Vermissten ...
Kritik:
Es geschieht nicht oft, daß sich zahlreiche Hollywood-Stars
dazu hinreißen lassen, öffentlich die Leistung eines Kollegen oder einer
Kollegin hymnisch zu loben. Die eher unglamouröse Australierin Naomi Watts,
obwohl weithin respektiert, 2004 für "21 Gramm" OSCAR-nominiert und
(hervorragende) Blockbuster-Hauptdarstellerin in Peter Jacksons "King Kong", wirkt in der öffentlichen Wahrnehmung immer etwas unterrepräsentiert.
Wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, daß in der Awards Season 2012/2013
Stars wie Nicole Kidman, Angelina Jolie, Reese Witherspoon oder Mark
"Hulk" Ruffalo fleißig die Werbetrommel für Watts rührten – und das
erstens zurecht und zweitens mit Erfolg, denn die blonde Mittvierzigerin wurde
für ihre herzzerreißende Darstellung in Juan Antonio Bayonas Tsunami-Drama
tatsächlich für einen OSCAR nominiert.
Leider geht in all dem Trubel um Naomi Watts etwas unter,
daß es in "The Impossible" noch mehr Preiswürdiges gibt.
Beispielsweise die kaum weniger bewegende Leistung von Ewan McGregor in der
männlichen Hauptrolle oder die des Newcomers Tom Holland. Letzterer bringt als
ältester Sohn Lucas beeindruckend die innere Zerrissenheit eines ganz normalen
Teenagers auf die Leinwand, der sich selbst immer für extrem cool gehalten hat,
nun aber an dem verzweifelten Bestreben zu zerbrechen droht, sich um seine
verletzte Mutter zu kümmern und gleichzeitig den vermeintlichen Tod des
Vaters und der beiden Brüder zu verarbeiten. Auch der Ton und die inspirierte
Kameraarbeit von Óscar Faura, der während des Tsunamis dem Zuschauer mit rasanten
Kamerafahrten, extremen Close-Ups auf die Gesichter von Maria und Lucas sowie (hier tatsächlich mal sinnvollen)
Wackelkameraaufnahmen das Gefühl gibt, mittendrin im Geschehen zu sein, haben
großes Lob verdient. Wäre das Drehbuch von Sergio G. Sánchez, das auf den
tatsächlichen Erlebnissen einer spanischen Familie basiert, etwas inspirierter
und weniger klischeehaft, und wäre die Regie von Juan Antonio Bayona weniger manipulativ, "The Impossible" wäre wohl ein
Meisterwerk des Genres geworden. So ist der Film eine hochemotionale Achterbahnfahrt der Gefühle,
die ganz eindeutig das Herz anspricht und nicht das Gehirn.
Inwieweit man die vielen Stärken von "The
Impossible" genießen kann, liegt letztlich hauptsächlich daran, wie man
auf die allzu offensichtlichen Manipulationen von Regisseur und Autor reagiert
– läßt man sich mehr oder weniger kritiklos darauf ein, dann ist "The
Impossible" ein überwältigendes Kinoerlebnis. Je mehr man jedoch die
erzählerischen Methoden hinterfragt oder sich darüber ärgert, wie schamlos
Bayona die Gefühlsklaviatur spielt, desto zwiespältiger fällt das Fazit über den
Film zwangsläufig aus. Wenn Bayona beispielsweise ungehemmt seine sadistische
Ader auslebt, indem er minutenlang gleich mehrere Familienmitglieder in einem
hoffnungslos überfüllten Krankenhaus sich ständig knapp verpassen läßt, dann
ist das ebenso zu viel des Guten wie die melodramatische Musik von Fernando
Velázquez ("Devil – Fahrstuhl zur Hölle"), wenn der Regisseur endlich Gnade
zeigt und sie zueinanderfinden läßt. Natürlich verfehlt selbst diese hoffnungslos
überkonstruierte Szene gerade ob der verzögerten Auflösung nicht ihre
emotionale Wirkung. Aber sie führt dem aufmerksamen Betrachter überdeutlich
vor, mit welch billigen Tricks diese vor allem in der schwächeren zweiten
Filmhälfte erzielt wird.
Glücklicherweise gibt es aber ja noch die genannten
Stärken, die vor allem zu Beginn zum Tragen kommen. Der Tsunami selbst wirkt
sehr authentisch, wenn auch vielleicht einen Hauch weniger beeindruckend als in
der Anfangssequenz von Clint Eastwoods "Hereafter". Die Szenen, in
denen Maria und Lucas zum hilflosen Spielball der Wassermassen werden und
mitgerissen werden, sind dafür absolut beklemmend, und wenn Naomi Watts ihre
Schmerzen und ihre Verzweiflung hinausbrüllt, läßt das (deutlich vernehmbar) niemanden im Publikum kalt. In dieser Phase des Films zeigt auch Sánchez
seine Qualitäten als Autor, indem er trotz der klaren Konzentration auf die
Familie Bennett in einzelnen Szenen die ganze Zerstörung und das Leid von
Einheimischen wie Touristen vor Augen führt, die unangenehm an Terry Georges
Genozid-Meisterwerk "Hotel Ruanda" aus dem Jahr 2004 erinnern – nur, daß hier eben
nicht Menschen verantwortlich sind, sondern eine Naturkatastrophe. Da das
alleine zwar realistisch, aber zu bedrückend wäre, hält Sánchez stets einen deutlichen Hoffnungsschimmer im Vordergrund, der sich in kleinen Gesten des
Mitgefühls und des Zusammenhalts zwischen den Überlebenden (darunter übrigens
in einer Szene Charlie Chaplins Tochter Geraldine, die bereits in Bayonas
"Das Waisenhaus" einen eindrucksvollen Gastauftritt hatte)
manifestiert. Zwar wirken auch einige dieser Szenen bereits klischeehaft und
manipulativ, zu diesem Zeitpunkt hält sich das aber noch locker in erträglichen
Grenzen. Zu schade, daß die Gratwanderung in der zweiten Hälfte nicht mehr so
gut gelingt.
In seiner Heimat Spanien wurde "The Impossible"
dennoch zu einem Sensationserfolg mit über sechs Millionen Kinozuschauern und damit dem besten Ergebnis seit James Camerons "Avatar".
International kam er erwartungsgemäß nicht auf ähnliche Ergebnisse, doch konnte
er fast überall die Top10 knacken – Deutschland ist eine der wenigen Ausnahmen,
hier reichte es noch nicht einmal für die Top20.
Fazit: "The Impossible" ist ein hochemotionaler,
handwerklich gut gemachter und herausragend gespielter Katastrophenfilm,
dessen allzu offensichtliches Ziel, um jeden Preis die Gefühle des Publikums in
Wallung zu bringen, jedoch umso befremdlicher wirkt, je genauer
man darüber nachdenkt (als ich den Kinosaal verließ, wollte ich noch 8 Punkte vergeben ...).
Wertung: 7 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links freuen.
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