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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 17. Oktober 2024

DIE FARBE AUS DEM ALL (2019)

Originaltitel: Color Out of Space
Regie: Richard Stanley, Drehbuch: Richard Stanley und Scarlett Amaris, Musik: Colin Stetson
Darsteller: Nicolas Cage, Joely Richardson, Madeleine Arthur, Brendan Meyer, Julian Hilliard, Elliot Knight, Tommy Chong, Q'orianka Kilcher, Josh C. Waller
Color Out of Space (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 86% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $1,0 Mio.
FSK: 16, Dauer: 113 Minuten.
Nachdem einer überstandenen Brustkrebserkrankung wagt Theresa Gardner (Joely Richardson, "Anonymus") mit ihrem Ehemann Nathan (Nicolas Cage, "Kick-Ass") und ihren drei Kindern Lavinia (Madeleine Arthur, "To All the Boys I've Loved Before"), Benny (Brendan Meyer, "The Guest") und Jack (Julian Hilliard, "Conjuring 3") einen Neuanfang mit einer Alpaka-Farm in der beschaulichen Wildnis von New England. Mit der Ruhe ist es jedoch vorbei, als eines Abends ein Meteorit direkt neben dem Brunnen der Farm einschlägt und einen großen Krater hinterläßt. Allerdings scheint es sich nicht um einen gewöhnlichen Meteoriten zu handeln, denn erstens verschwindet er über Nacht scheinbar spurlos, zweitens hat er eine Farbe, die es auf der Erde nicht gibt und drittens finden die Gardners rasch heraus, dass er ungewöhnliche Auswirkungen auf seine nähere Umwelt zeitigt. Zunächst sind vor allem Pflanzen betroffen, doch die Gardners verändern sich ebenfalls immer eindeutiger – zuerst mental, dann auch körperlich! Derweil stellt der Hydrologe Ward Phillips (Elliot Knight, TV-Serie "Sindbad") bei Untersuchungen fest, dass das Grundwasser der Gegend kontaminiert ist und will der Sache auf den Grund gehen ...

Kritik:
Howard Phillips Lovecraft ist mein absoluter Lieblings-Horrorschriftsteller. Sein Talent, mit einer eher einfachen, bewußt gestelzten und direkten Sprache ohne große Schnörkel eine unfaßbar dichte und schauererregende Atmosphäre zu schaffen, ist ebenso unnachahmlich wie seine häufig dem kosmischen Horror zurechenbaren Kreationen – allen voran die "Großen Alten" um den in Filmen, Serien, Büchern, Rollenspielen, Comics und Videospielen oft zitierten Cthulhu. Mit seinen Schauergeschichten inspirierte Lovecraft generell zahlreiche Filmemacher, weshalb seit den 1960er Jahren Dutzende Filme auf Grundlage seiner Werke erschienen. Da Lovecraft seine Wirkung aber vor allem mit seiner Sprache erzielt und weniger mit kohärenten Storys, ist eine angemessene Adaption gar nicht so einfach, viel schwerer als beispielsweise bei Stephen King. Infolgedessen greifen etliche Lovecraft-Verfilmungen eigentlich nur auf die Grundprämisse zurück und interpretieren diese äußerst frei (und ignorieren den meist beiläufigen, aber offenen Rassismus bei Lovecraft). Das führt mitunter zu sehr sehenswerten Ergebnissen wie bei Stuart Gordons kultiger "Re-Animator"-Reihe, aber es wird Lovecraft nur bedingt gerecht. Besonders offensichtlich ist diese Verfilmungs-Problematik bei meiner Lieblings-Lovecraft-Story "Die Farbe aus dem All" – denn darin geht es nunmal um eine Farbe, die auf der Erde nicht existiert, aber ihre nähere Umwelt stark verändert. Wie aber soll man einen Film über eine Farbe drehen, die nicht existiert? Die gelungene deutsche Low Budget-Adaption "Die Farbe" (2010) von Huan Vu entschied sich zu einer recht originellen Herangehensweise, indem der Film in Schwarzweiß gedreht wurde und die einzige Farbe von, nunja, eben "der Farbe" ausging. Der südafrikanische Filmemacher Richard Stanley ("Dust Devil"), der sein Regie-Comeback nach 25 Jahren gibt, geht es etwas konventioneller an und hat einen Farbfilm gedreht, in dem "die Farbe" trotzdem mit einem auffälligen Purpur (ähnlich dem aus "Die Farbe") hervorsticht. Da es Stanley zudem nach einem recht verhaltenen Auftakt gelingt, die Spannungs- und Atmosphäreschraube immer weiter anzuziehen auf dem Weg der Gardners in den Wahnsinn, ist "Die Farbe aus dem All" letztlich eine sehr gelungene Lovecraft-Adaption geworden, die allerdings – gemäß der Vorlage – etwas zu schräg sein dürfte, um bei eher mainstreamig orientierten Horrorfans Begeisterung auszulösen.

Richard Stanley hält sich recht eng an Lovecrafts Kurzgeschichte, ein paar Änderungen gibt es aber doch. So spielt sein Film in der Gegenwart und aus einem der drei Gardner-Söhne ist eine Tochter geworden. Zudem setzt Stanley auf eine chronlogische Erzählweise, wohingegen bei Lovecraft ein namenlos bleibender Landvermesser (dessen Entsprechung hier der Hydrologe Ward ist) die Geschichte der Gardners rückblickend erzählt bekommt. Außerdem geschieht im Film alles innerhalb weniger Tage anstatt innerhalb etwa eines Jahres. Das ist angesichts der zeitlichen Begrenzung eines Films naheliegend, hat aber naturgemäß zur Folge, dass die bei Lovecraft schleichenden, zunächst noch harmlos oder gar positiv erscheinenden Veränderungen (wie besonders schöne und große Früchte, die sich später als allesamt verrottet herausstellen) hier wesentlich schneller und eskalierender vonstattengehen und damit nicht immer gänzlich glaubwürdig wirken. Trotzdem: Im Kern bleiben Richard Stanley und seine Koautorin Scarlett Amaris dicht an der Vorlage und das ist eine gute Nachricht. Im ersten Akt hätte man jedoch das Tempo ein wenig anziehen können, denn wenngleich die recht ausführliche Vorstellung der fünf Gardners angesichts der späteren Gräuel durchaus Wirkung erzielt, ziehen sich die ersten 30 oder 40 Minuten doch etwas. An den Schauspielern liegt das nicht, denn die liefern allesamt gute Leistungen ab, wobei neben Cage speziell Madeleine Arthur als an heidnischen Ritualen interessierte Teenagerin hervorsticht, auf deren Nachttisch das "Necronomicon" liegt (ein von Lovecraft erfundenes dunkles Zauberbuch, das auch durch seine prominente Rolle in der "Evil Dead"-Reihe berühmt wurde). Und das Wiedersehen mit Brendan Meyer dürfte jeden Fan von Adam Wingards "The Guest" freuen, in dem er neben Maika Monroe und Dan Stevens eine der Hauptrollen spielte.

Nach dem etwas zähen Auftakt nimmt "Die Farbe aus dem All" rasant Fahrt auf, sobald die Farbe beginnt, immer deutlichere Effekte rund um die Farm der Gardners zu entfalten. Dabei scheint sich die Anfälligkeit der Lebewesen recht deutlich zu unterscheiden, bei den Gardners offenbaren Lavinia und ihr Bruder Benny die wohl größte Widerstandskraft. Und so müssen sie hilflos mitansehen, wie speziell ihre Eltern immer stärker dem Wahnsinn zu verfallen scheinen und auch darüber hinaus die Natur zunehmend verrückt spielt. Wie genau das geschieht, läßt sich schwer in Worte fassen (außer, man ist H. P. Lovecraft), aber man will ja sowieso nicht zu sehr spoilern. Daher nur soviel: Stanley fängt den immer größeren Wahnsinn sehr effektiv ein und bebildert ihn kunstvoll mit psychedelischen Einstellungen und handgemachten Bodyhorror-Spezialeffekten á la Cronenberg ("Die Fliege"), unterstützt von der unauffällig-schaurigen Musik von Colin Stetson ("Hereditary"). Und selbstredend hat Richard Stanley eine so naheliegende wie geniale Wahl getroffen, als er die Hauptrolle Nicolas Cage anvertraute. Es gibt seit Jahren kaum ein größeres Vergnügen für Filmfans, als Nicolas Cage dabei zuzuschauen, wie er auf der Leinwand alle Hemmungen fallen läßt – und damit ist er geradezu prädestiniert für die Rolle des eigentlich netten Familienvaters Nathan, der von dieser vermaledeiten außerirdischen Farbe nach und nach in eine ganz andere, vollkommen irre Person verwandelt wird! Stanley ist auch dank Cage ein wahrer Trip gelungen, ein rauschhaftes, so wunderschönes wie erschreckendes Kunst-B-Movie, das (zum Glück!) nur wenig mit klassischen Horrorfilmen gemein hat.

Fazit: "Die Farbe aus dem All" ist ein vor allem visuell beeindruckender, langsam beginnender, dann jedoch ungebremst auf den schieren Wahnsinn zurasender Horrorfilm für aufgeschlossene Genrefans.

Wertung: 8 Punkte.


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Die Farbe aus dem All (Manga-Adaption von Gou Tanabe)

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