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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 11. Januar 2022

Nachruf: Peter Bogdanovich (1939-2022)

Als das lange so erfolgreiche Studiosystem in Hollywood in den 1960er Jahren endgültig kollabierte und das Publikum einfach keine Lust mehr auf die sündteuren Monumentalfilme oder Musicals hatte, bereitete das den Weg für das "New Hollywood", das die US-Filmbranche so stark verändern sollte wie wohl keine andere Bewegung seit der Erfindung des Tonfilms und des Farbfilms - zumal es dieses Mal in erster Linie eine inhaltliche Revolution war. Statt auf Glamour und Eskapismus setzten die meist jungen Filmemacher des New Hollywood auf kleinere, persönliche und oft düstere Geschichten mitten aus der Gesellschaft, die sich durch eine große Realitätsnähe und authentische Charaktere auszeichneten. Die prägendsten Namen des New Hollywood waren Martin Scorsese ("Taxi Driver"), Francis Ford Coppola ("Der Pate"), Roman Polanski ("Chinatown"), William Friedkin ("French Connection") ... und Peter Bogdanovich. Am 6. Januar 2022 ist Peter Bogdanovich mit 82 Jahren in Los Angeles verstorben und so verliert Hollywood eine seiner einflußreichsten Stimmen, die sich auch als charismatischer Erklärer der Filmbranche einen Namen machte.

Da das New Hollywood stark durch die französische Nouvelle Vague beeinflußt war, ist es passend, daß auch Peter Bogdanovich den Weg von François Truffaut und Jean-Luc Godard ging und erst über den Umweg des renommierten Filmkritikers zum Filmschaffenden wurde, wobei vor allem seine in die Tiefe gehenden Interviews mit Regisseuren und Schauspielern viel Lob erhielten. Den ersten Schritt auf dem Weg zum Regisseur und Drehbuch-Autor machte Bogdanovich am Theater und dann 1966 als Regieassistent des Roger Corman-B-Movies "Die wilden Engel", bei dem er auch bei Kameraarbeit, Drehbuch und Schnitt aushalf und somit das Geschäft des Filmemachens schön umfassend kennenlernen konnte. Nur zwei Jahre später folgte sein Spielfilm-Regiedebüt (1967 drehte er bereits eine Doku über Regielegende Howard Hawks) mit dem Thriller "Bewegliche Ziele" mit Boris Karloff, der zwar nicht für viel Furore sorgte, aber dank guter Kritiken den Weg ebnete für weitere Werke. Und bereits sein zweiter Spielfilm "Die letzte Vorstellung" (1971) sollte sich als vielbeachtetes Meisterwerk und Schlüsselfilm des New Hollywood erweisen. Das kunstvolle, in einer heruntergekommenen texanischen Kleinstadt spielende und in Schwarzweiß gedrehte Coming of Age-Drama mit einem sehr jungen Jeff Bridges in einer der Hauptrollen gewann zwei OSCARs (Bogdanovich wurde zudem für Regie und Drehbuch nominiert) und beeindruckte mit der ebenso realitätsnahen wie einfühlsamen Darstellung des trostlosen Lebens in einer wirtschaftlich abgehängten und der jungen Generation kaum Aussichten bietenden Kleinstadt sowie mit tiefgründigen Dialogen und intimen Einblicken in seine Charaktere - sehr viel weiter konnte man sich nicht vom klassischen Hollywood-Kino der Studioära entfernen ...

In den nächsten beiden Jahren bewies Bogdanovich, daß er inhaltlich auch ganz anders kam und schuf somit einen der eindruckvollsten Dreier-Blöcke, die je ein Filmemacher zustandebrachte: "Die letzte Vorstellung", "Is' was, Doc?" (1972) und "Paper Moon" (1973) sind drei unnachahmliche und dabei erstaunlich unterschiedliche Meisterstücke, die ihresgleichen suchen. Vor allem "Is' was, Doc?" überrascht als sehr klassische Screwball-Komödie im Stil der Genreklassiker der 1930er Jahre ("Die Nacht vor der Hochzeit", "Ninotschka", "Mr. Deeds geht in die Stadt") und entpuppt sich mit der so simplen wie effektiven Verwechslungsprämisse (vier identische Reisetaschen werden vertauscht und sorgen für große Turbulenzen) als einer der lustigsten Filme, die ich je gesehen habe - woran auch die Hauptdarsteller Barbra Streisand und Ryan O'Neal ihren Anteil haben. Ungleich ernster geht es im tragikomischen Schwarzweiß-Roadmovie "Paper Moon" zu, das sich um den Trickbetrüger Moses (erneut Ryan O'Neal) dreht, der während der "Großen Depression" in den 1930er Jahren die 9-jährige Addie (O'Neals Tochter Tatum, die für ihre Rolle als bis heute jüngste Darstellerin den Nebenrollen-OSCAR gewann) nach dem Tod ihrer Mutter quer durch die USA zu Verwandten bringen soll, sie stattdessen aber zu seiner Komplizin ausbildet. Mit viel Sympathie für seine ambivalenten Figuren und einem starken Sinn für Poesie zeichnet "Paper Moon" ein melancholisches Gesellschaftsbild, das zum Lachen und zum Weinen anregt und viel Stoff zum Nachdenken bietet (1974 folgte übrigens mit "Papermoon" eine kurzlebige und weitgehend in Vergessenheit geratene TV-Serien-Fortsetzung mit Jodie Foster in der kindlichen Hauptrolle, an der Bogdanovich ebenfalls beteiligt war). Erfreulicherweise war dieses Trio von Bogdanovich-Filmen nicht nur bei den Kritikern ein Hit, sondern auch an den Kinokassen.

Leider sollte es nicht so glänzend weitergehen, denn mit der Henry James-Adaption "Daisy Miller" brachte Bogdanovich 1974 erstmals einen Film in die Kinos, der weder die Kritiker noch das Publikum sonderlich überzeugen konnte. Die musikalische Komödie "At Long Last Love" (1975) mit Burt Reynolds schnitt sogar noch schlechter ab und wurde damals von einigen Rezensenten sogar als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten bewertet. Danach lief es wieder etwas besser, doch richtig gute Kritiken sollten nur noch die Paul Theroux-Verfilmung "Saint Jack" (1979) mit Ben Gazzara, das Biopic "Die Maske" (1985) mit Eric Stoltz als krankheitsbedingt entstelltem Jugendlichen und die Komödie "Noises Off!" (1992) mit Michael Caine erhalten, wogegen selbst seine "Die letzte Vorstellung"-Fortsetzung "Texasville" (1990) floppte. Bogdanovichs letzter Spielfilm wurde im Jahr 2014 die solide Screwball-Komödie "Broadway Therapy" mit Owen Wilson, zudem drehte er einige TV-Filme und Dokus. Doch Bogdanovich hatte auch in anderen Bereichen viel zu bieten: Er schrieb diverse Filmbücher, sprach zahllose informative DVD-Audiokommentare zu Filmklassikern ein und betätigte sich immer wieder als Schauspieler. Das tat er schon zu Beginn seiner Karriere hin und wieder, doch ab den 1990er Jahren häuften sich seine Auftritte vor der Kamera (auch aus finanziellen Gründen), wobei vor allem seine wiederkehrende Gastrolle als Psychiater in 14 Episoden der Kultserie "Die Sopranos" hervorsticht. Erstaunlicher- und ungerechterweise blieb Peter Bogdanovich ohne OSCAR- oder Golden Globe-Ehrung (bei jeweils zwei Nominierungen), aber dafür gewann er 2009 immerhin einen Grammy für sein Musikvideo zum Tom Petty & The Heartbreakers-Song "Runnin' Down a Dream".

Am 6. Januar 2022 verstarb Peter Bogdanoch mit 82 Jahren in Los Angeles als Folge seiner Parkinson-Erkrankung. R.I.P.

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