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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Montag, 17. Juli 2017

Nachruf: George A. Romero (1940-2017)

Es gibt wohl kaum ein westliches Land, in dem der US-amerikanische Regisseur, Drehbuch-Autor und Filmeditor George A. Romero in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt ist als in Deutschland. Der einfache (aber deshalb nicht weniger ärgerliche) Grund dafür ist, daß zwei der drei besten und erfolgreichsten Filme des Horrorspezialisten hierzulande bis heute indiziert sind und deshalb weder im Free-TV ungeschnitten gezeigt noch im Einzelhandel offen angeboten werden dürfen. Tatsächlich feierte "Dawn of the Dead" erst an Halloween 2016 bei Tele 5 seine deutsche Free-TV-Premiere, war dabei aber ebenso stark gekürzt wie "Day of the Dead" (der 2007 schon mal bei Arte lief). Und daß die beiden Filme in Deutschland offiziell unter den nicht allzu kreativen Titeln "Zombie" und "Zombie 2" firmieren, half auch nicht unbedingt. Anhänger des Horrorgenres und speziell von Zombiefilmen ist George A. Romero aber natürlich auch im deutschsprachigen Raum seit langem ein Begriff - und die trauern nun um den im Alter von 77 Jahren an Lungenkrebs verstorbenen Genre-Großmeister.

Wenngleich die Indizierung der beiden genannten Filme weiterhin Bestand hat, erfuhr George A. Romero doch in Deutschland in den letzten Jahren eine Art Rehabilitation, der Renaissance der Zombiethematik dank "The Walking Dead" und Konsorten sei's gedankt - daß die heutigen Genrevertreter beim Jugendschutz mit weit grausameren Szenen durchkommen als Romero seinerzeit, entbehrt dabei natürlich nicht einer gewissen Ironie. Aber beginnen wir von vorne, denn gleich mit seinem Langfilmdebüt im Jahr 1968 schuf George A. Romero ein Meisterwerk, das ein ganzes Genre prägte: Die Low Budget-Produktion "Die Nacht der lebenden Toten" gilt als Urvater des Zombiefilms, auch wenn es je nach der genauen Definition des Begriffs bereits vorher Werke mit lebenden Toten gab (Victor Halperins "White Zombie" aus dem Jahr 1932 mit Bela Lugosi gilt allgemein als bester Kandidat für den ersten "richtigen" Zombiefilm). Doch "Die Nacht der lebenden Toten" schuf Genreregeln, die jahrzehntelang feste Gültigkeit besaßen und es teilweise bis heute tun. So treten die Untoten in dem Schwarzweiß-Film etwa erstmals als unersättliche und nahezu unaufhaltsame Menschenfresser auf, die nur durch die Vernichtung ihres Gehirns gestoppt werden können. Anders als sehr vielen späteren Genrevertretern ging es George A. Romero aber nie nur um Horror und Splatterexzesse - was seine Filme seit jeher auszeichnet und von der Masse abhebt, ist eine deutliche (nicht immer subtile) metaphorische Gesellschaftskritik. Deutschen Jugendschützern entging das bedaulicherweise (oder es war ihnen egal, jedenfalls waren die Begründungen für Indizierung und Beschlagnahmung teilweise geradezu absurd, wie man in der lesenswerten "Zombie"-Retrospektive von Schnittberichte.com nachlesen kann), doch zumindest der als bittere Allegorie auf den Vietnam-Konflikt angelegte "Die Nacht der lebenden Toten" blieb noch vor Zensurmaßnahmen bewahrt, was vielleicht auch an der Schwarzweiß-Optik lag. Bemerkenswert war zudem, daß Romero als Protagonisten von "Die Nacht der lebenden Toten" einen von Duane Jones verkörperten Afroamerikaner namens Ben wählte, als das in Hollywood noch so gut wie nie geschah (abgesehen von Sidney Poitier).

In den Kinos feierte "Die Nacht der lebenden Toten" trotz oder gerade wegen der begleitenden Kontroversen angesichts exzessiver Gewaltszenen (Gehirne zu vernichten ist nunmal nicht der unblutigste Job ...) überraschende, jedoch sehr verdiente Erfolge. In den 1970er Jahren blieb Romero überwiegend dem Horrorgenre verhaftet, hielt sich aber zunächst vom Zombiethema fern. Doch obwohl Filme wie "Crazies" (1973) - von dem es 2010 ein gelungenes Remake gab - oder "Martin" (1977) inzwischen selbst einen kleinen Klassikerstatus haben, waren sie keine Kassenerfolge. Das sollte sich erst mit seinem zweiten Zombiefilm ändern: "Dawn of the Dead" aka "Zombie", in dem sich eine Gruppe von Überlebenden der Zombie-Apokalypse in einem Kaufhaus verbarrikadiert, wurde 1978 ein noch größeres popkulturelles Phänomen, sorgte ob noch viel größerer, von Romero gemeinsam mit Spezialeffekt-Legende Tom Savini realisierter Splatter-Exzesse aber auch für deutlich mehr Diskussionsstoff als "Die Nacht der lebenden Toten". Dennoch gilt der in mehreren, teils sehr unterschiedlichen Schnittfassungen erhältliche "Dawn of the Dead" - in Europa kam vorwiegend der vom italienischen Horror-Maestro und hier als Koproduzent beteiligten Dario Argento zusammengesetzte "Argento Cut" zum Einsatz, der ein höheres Tempo anschlägt und zugunsten der Action die Charakterentwicklung etwas in den Hintergrund rückt - vielen als Romeros bester Film (ich selbst bevorzuge knapp "Die Nacht der lebenden Toten").

Die 1980er Jahre eröffnete George A. Romero mit der leider etwas in Vergessenheit geratenen, aberwitzigen "König Artus"-Variation "Knightriders - Ritter auf heißen Öfen", in der eine (von Ed Harris angeführte) Motorrad-Gang ihr Geld verdient, indem sie mittelalterliche Ritterduelle auf Motorrädern austrägt. 1982 folgte der schwarzhumorige, kommerziell erfolgreiche Episodenfilm "Creepshow" (in Deutschland auch als "Die unheimlich verrückte Geisterstunde" bekannt), der fünf eigens von Stephen King geschriebene Horrorgeschichten erzählt (plus Prolog und Epilog) und mit namhaften Schauspielern wie Hal Holbrook, Adrienne Barbeau (die wenige Jahre zuvor gemeinsam in John Carpenters Grusel-Meisterwerk "The Fog - Nebel des Grauens" spielten) und Leslie Nielsen aufwarten konnte. Drei Jahre später ging es für Romero dann zurück zu den Zombies mit dem ambitionierten "Day of the Dead" ("Zombie 2"), in dem sich einige verbliebene Wissenschaftler und Militärs in einem Bunker verschanzt haben. An den Erfolg des Vorgängers konnte Romero damit allerdings nicht anknüpfen, auch die Kritiken fielen eher verhalten aus. Der qualitative Abwärtstrend Romeros war damit endgültig eingeleitet, seine nächsten Werke "Der Affe im Menschen" (1988), die zusammen mit Dario Argento in Italien verwirklichte Edgar Allen Poe-Adaption "Two Evil Eyes" (1990), die Stephen King-Verfilmung "Stark" (1993) sowie "Bruiser" (2000) fielen bestenfalls mittelmäßig aus. Daraus zog Romero seine Lehre und kehrte erneut zu den Untoten zurück - dank des großen Erfolges von Zack Snyders "Dawn of the Dead"-Remake im Jahr 2004 bekam Romero für sein "Land of the Dead" mit Dennis Hopper und einem jungen Simon Baker ("The Mentalist") sogar zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere ein größeres Budget ($15 Mio.) von einem Hollywood-Studio. Doch "Land of the Dead" lief ein Jahr nach Zack Snyders "Dawn of the Dead" zwar in den Kinos zu ordentlichen Kritiken einigermaßen solide, mehr aber auch nicht. Deshalb drehte er 2007 "Diary of the Dead" mit Handkamera im kostengünstigen Found Footage-Format, was aber angesichts mittelprächtiger Kritiken kaum noch jemand sehen wollte. Die erstmals richtig schlecht rezensierte Fortsetzung "Survival of the Dead" floppte 2009 komplett und setzte George A. Romeros Filmkarriere somit ein ebenso frühes wie unrühmliches Ende - mehr Erfolg hatte er 2014-2015 immerhin als Autor der Marvel-Comicreihe "Empire of the Dead". Die Zombies haben ihn eben nie losgelassen und der Einfluß seiner Zombiefilme auf die Popkultur kann nicht hoch genug eingeschätzt werden - ein späteres Massenphänomen wie "The Walking Dead", auch die zahllosen Zombieschnetzel-Computerspiele hätte es ohne Romeros Vorarbeit vielleicht nie gegeben.

Am 16. Juli 2017 starb George A. Romero im Alter von 77 Jahren im kanadischen Toronto an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung.
R.I.P. (auch wenn das in diesem speziellen Fall etwas komisch klingen mag ...)

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