Er kommt zwar mit etwas Verspätung (wegen George A. Romero), aber ganz verzichten will ich nicht auf einen Nachruf auf den US-Schauspieler Martin Landau. Der ist ein Paradebeispiel für einen klassischen Hollywood-Nebendarsteller, der selbst in kleinen Rollen viele Filme besser gemacht hat, auch wenn der durchschnittliche Zuschauer nicht unbedingt sein Gesicht erkennt und schon gar nicht seinen Namen. Ein solcher Status ist für einen ehrgeizigen Schauspieler natürlich keineswegs das Ziel aller Träume, andererseits ist es aber definitiv einer, der einem innerhalb der Branche und bei Cineasten große Anerkennung einbringt (und auch ordentliche Gehaltsschecks). Und der bis zuletzt fleißig in Film- und TV-Produktionen auftretende OSCAR-Gewinner Martin Landau zählt zweifellos zu den meistrespektierten Personen in Hollywood. Am Samstag verstarb der gebürtige New Yorker im Alter von 89 Jahren.
Im Kino mag er selten über Nebenrollen hinausgekommen sein, doch im ersten Drittel seiner Karriere war Martin Landau ein etablierter Hauptdarsteller - im Fernsehen. Der Absolvent von Lee Strasbergs berühmtem "Actors Studio" (das zahllose Weltstars wie Marlon Brando, Robert De Niro, Marilyn Monroe, Steve McQueen, Jane Fonda, Al Pacino, Dustin Hoffman oder Johnny Depp hervorbrachte) machte sich zwar zunächst mit Kino-Nebenrollen einen Namen, wobei vor allem sein Part in Alfred Hitchcocks Thriller-Meisterwerk "Der unsichtbare Dritte" aus dem Jahr hervorstach, in dem er die rechte Hand des von James Mason verkörperten Filmantagonisten spielte (weniger stark im Gedächtnis blieben seine kleinen Rollen in anderen Großproduktionen der 1960er Jahre wie dem Historienepos "Cleopatra", dem Bibelfilm "Die größte Geschichte aller Zeiten" oder der Westernkomödie "Vierzig Wagen westwärts"); der breiten Öffentlichkeit wurde er jedoch nach zahlreichen Gastauftritten in diversen Fernsehserien von "Bonanza" bis "Tennisschläger und Kanonen" erst durch die Hauptrollen in zwei TV-Produktionen bekannt: der amerikanischen Spionageserie "Kobra, übernehmen Sie" (aka "Mission: Impossible") und der britischen SciFi-Serie "Mondbasis Alpha 1". In "Kobra, übernehmen Sie" verkörperte Landau in den ersten drei Staffeln von 1966 bis 1969 den Schauspieler und Verwandlungskünstler Rollin Hand - eine ideale Rolle für einen Darsteller von Landaus Kaliber, weil er in viele verschiedene Rollen (darunter sogar Adolf Hitler) schlüpfen und sich somit schauspielerisch wie auch (dank diverser Akzente) sprachtechnisch austoben konnte, was ihm einen Golden Globe einbrachte; nach seinem Ausstieg wegen Gehaltsstreitigkeiten wurde er übrigens von Leonard "Mr. Spock" Nimoy ersetzt. In "Mondbasis Alpha 1" (1975-1977) ergatterte Martin Landau dann sogar die größte Rolle als Commander John Koenig.
Nach der Absetzung von "Mondbasis Alpha 1" sah es eher schlecht aus für Landaus Karriere: Er spielte zwar weiterhin in Kino- und TV-Produktionen, von denen die meisten aber heute mit vollem Recht komplett in Vergessenheit geraten sind. Erst im "Rentenalter" mit Ende 60 wurde Martin Landau wiederentdeckt, als "Der Pate"-Regisseur Francis Ford Coppola ihn in seinem Unternehmer-Biopic "Tucker" als Abe Karatz besetzte, Finanzier und loyaler Unterstützer des von Jeff Bridges verkörperten titelgebenden Autodesigners Preston Tucker. Die Rolle bescherte ihm 1989 seinen zweiten Golden Globe und die erste OSCAR-Nominierung sowie - vermutlich noch wichtiger - zahlrreiche gute Filmangebote. So glänzte er in Woody Allens Tragikomödie "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" als der amoralische Augenarzt Judah Rosenthal (zweite OSCAR-Nominierung), spielte im (allerdings gefloppten) Erotikthriller "Sliver" an der Seite von Sharon Stone - und wurde von Tim Burton für "Ed Wood" besetzt. In dem wunderbar skurrilen und detailverliebten Biopic des angeblich schlechtesten Regisseurs aller Zeiten (gespielt von Johnny Depp) brilliert Martin Landau als gealterter Ex-"Dracula"-Star Bela Lugosi, der sich von Woods' Enthusiamus zum Comeback überreden läßt. Landaus einfühlsame Darstellung der in Vergessenheit geratenen, vereinsamten sowie drogensüchtigen Genreikone bleibt unvergeßlich und wurde 1995 verdient mit dem OSCAR für den besten Nebendarsteller belohnt (und seinem dritten und letzten Golden Globe).
Eine dermaßen starke Rolle konnte Martin Landau nie wieder ergattern, doch blieb er bis zu seinem Lebensende gut beschäftigt. Er wirkte im Kino in "Akte X - Der Film" (1998) mit und in Ron Howards "EdTV" (1999) sowie in Frank Darabonts "The Majestic" (2001), dem Familien-Fantasyfilm "City of Ember" (2008) und Atom Egoyans "Remember" (2015), dazu kamen (teils wiederkehrende) Gastrollen in Serien wie "In Plain Sight", "Entourage" oder "Without a Trace", auch als Sprecher in einer Episode von "Die Simpsons" oder in Tim Burtons Animationsfilm "Frankenweenie" war er zu hören. Einer seiner letzten Filme ist die Tragikomödie "The Last Poker Game", die im April 2017 zu positiven Kritiken bei Robert De Niros Tribeca Filmfestival vorgestellt wurde und in der er die Hauptrolle eines alten Arztes spielt, der im Seniorenheim mit dem sich rapide verschlechternden Gesundsheitzustand seiner Frau zu kämpfen hat.
Am 15. Juli 2017 starb Martin Landau mit 89 Jahren in Los Angeles nach Komplikationen nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt. R.I.P.
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