Originaltitel: The Lost City of Z
Regie und Drehbuch: James Gray, Musik: Christopher Spelman
Regie und Drehbuch: James Gray, Musik: Christopher Spelman
Darsteller:
Charlie Hunnam, Robert Pattinson, Sienna Miller, Tom Holland, Angus Macfadyen, Edward Ashley,
Franco Nero, Pedro Coello, Matthew Sunderland, Johann Myers, Aleksandar Jovanovic, Ian McDiarmid,
Clive Francis, Daniel Huttlestone, Harry Melling
FSK: 12, Dauer: 141 Minuten.
Anfang des 20. Jahrhunderts bekommt der britische Offizier
Percy Fawcett (Charlie Hunnam, "Pacific Rim") den Auftrag, für die
Royal Geographic Society (RGS) – an der er früher selbst studierte – eine
aufwendige Landvermessung in Bolivien vorzunehmen, um Grenzstreitigkeiten mit Brasilien möglichst friedlich beizulegen. Fawcett, der bereits an den
äußersten Ecken des Commonwealth in Asien stationiert war, hält diesen
langweilig klingenden Auftrag zunächst für unter seiner Würde, stellt aber
schnell fest, daß das ein gewaltiger Irrtum war. Die Erkundung des
Amazonas-Gebiets auf der Suche nach der Quelle des Rio Verde ist anspruchsvoll und gefährlich, nicht nur die unwirtliche Flora und
Fauna machen Fawcett und seinen Begleitern zu schaffen, sondern auch teilweise feindlich
gesonnene Eingeborenenstämme. Dennoch erreicht die Expedition ihr Ziel, an dem
Fawcett zu seiner gewaltigen Überraschung und Begeisterung Überreste einer
uralten, lange untergegangenen Zivilisation entdeckt. Zurück in London stellt
er seine Erkenntnisse den durchaus skeptischen Mitgliedern der RGS vor und
schafft es mit der Unterstützung des Antarktis-Erforschers James
Murray (Angus Macfadyen, "Braveheart"), eine neue Forschungsreise auf die
Beine zu stellen, die nach der versunkenen Stadt suchen soll, von deren
Existenz Fawcett überzeugt ist …
Kritik:
Wissenschaftler als Helden – das gibt es, abgesehen von
Biopics wie "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (Stephen Hawking),
"The Imitation Game" (Alan Turing) oder "A Beautiful Mind"
(John Nash), nicht so häufig auf der großen Kino-Leinwand zu sehen. Kaum
verwunderlich, ist doch Wissenschaft meist eine eher trockene Materie, die
allein nur sehr bedingt zum Kinostoff taugt. Eine Ausnahme bilden allerdings solche Wissenschaftler, die als Entdecker durch die Welt reisen.
Charles Darwin kommt einem da schnell in den Sinn, über dessen Reisen es aber
erstaunlicherweise noch keinen großen Film gibt; der deutsche
Universalgelehrte Alexander von Humboldt hat es dagegen immerhin zu einer Hauptfigur in Detlev Bucks "Die Vermessung der Welt" geschafft. Noch viel
massentauglicher sind jedoch fiktive Entdecker, deren berühmtester und
erfolgreichster Vertreter zweifellos der Archäologe Dr. Henry Jones Jr. ist,
besser bekannt als "Indiana Jones". Und obwohl dessen Schöpfer Steven
Spielberg und George Lucas nie ein konkretes Vorbild für diese Kultfigur
nannten, wird interessanterweise Percy Fawcett als eine der möglichen
Inspirationsquellen gehandelt. So gesehen ist es nur gerecht, daß Fawcett nun
einen "eigenen" Kinofilm bekommt, in dem es allerdings keine Nazis
oder biblische Artefakte gibt, sondern reichlich Dschungel und nicht
immer freundliche Indiostämme. Dementsprechend erinnert "Die versunkene
Stadt Z", dessen sehr britische Geschichte von dem US-Amerikaner
James Gray ("Helden der Nacht", "The Immigrant") als Regisseur
und Drehbuch-Autor (nach einem Sachbuch von David Grann) erzählt wird, stärker an Werke wie Werner Herzogs fiebrige Meisterwerke "Aguirre, der Zorn
Gottes" und "Fitzcarraldo" oder Terrence Malicks poetischen "The New World" als an
die "Indiana Jones"-Reihe. Das schränkt zwar das Publikumspotential
ebenso deutlich ein wie die bewußt altmodische, realitätsnahe und somit eher
unspektakuläre Inszenierung, aber Freunde klassischen
Prä-Blockbuster-Abenteuerkinos bekommen mit "Die versunkene Stadt Z"
einen guten Vertreter dieses nahezu vergessenen Subgenres geboten.
Was "Die versunkene Stadt Z" von zahlreichen
themenverwandten Filmen unterscheidet, ist die Struktur der Handlung – denn es
wird nicht etwa eine Expedition in den südamerikanischen Dschungel ausführlich
geschildert, sondern es gibt deren gleich drei. Das ist dem realen Percy
Fawcett geschuldet, wobei der sogar sieben Forschungsreisen in die Region unternahm,
was für einen wenn auch mehr als zwei Stunden langen Film natürlich zu viel
gewesen wäre. Aber auch mit drei Expeditionen ergibt sich ein interessantes
Bild, denn die sind in gewisser Weise thematisch gegliedert, was im
Zusammenspiel mit den zwischenzeitlichen Heimataufenthalten (sowie einem
"Ausflug" an die Front im Ersten Weltkrieg) für lobenswerte Abwechslung
sorgt. Bei der ersten Reise steht der für Fawcett noch neue Kontinent mit seinen
üppigen Urwäldern im Vordergrund sowie das Kennenlernen mit seinen Begleitern
und eher am Rande die relativ trockene Vermessungsarbeit. Ziel der zweiten
Expedition ist die titelgebende versunkene Stadt, erschwert durch das neue und
ziemlich schwierige Gruppenmitglied Murray; und die dritte und letzte Reise
konzentriert sich auf das Verhältnis Fawcetts zu seinem nun erwachsenen Sohn Jack
(Tom "Spider-Man" Holland), der ihn erstmals begleitet. So förderlich
dieses Hin und Her zwischen den Expeditionen und den britischen Szenen – die
von Fawcetts Beziehung zu seiner Frau Nina (Sienna Miller, "American Sniper") und den gemeinsamen Kindern
geprägt sind – für den Unterhaltsamkeitsgrad des Films sein mögen, machen
sie es doch gleichzeitig unmöglich, bei den Forschungsreisen selbst richtig in
die Tiefe zu gehen und die Beschwerlichkeiten dem Publikum vollumfänglich zu
vermitteln (wie es "Aguirre, der Zorn Gottes" so vortrefflich
gelingt). Letztlich mußte James Gray einen Kompromiß eingehen und wenngleich
man das dem Film durchaus anmerkt, hat er insgesamt eine gute Balance gefunden.
Percy Fawcett ist derweil eine sehr interessante Hauptfigur: Er ist bemerkenswert weltoffen und unangepaßt und eckt
mit seiner damals nahezu unerhörten Ansicht, wonach die Indios keine minderwertigen
Menschen sind, selbstbewußt bei einem Großteil der Gesellschaft, ja selbst
seiner Forscherkollegen (darunter Ian McDiarmid – besser bekannt als Imperator
Palpatine in der "Star Wars"-Saga – als Vorsitzender der Royal
Geographic Society) an. Dieser Einsatz für die Gleichberechtigung wie auch
seine erkennbare Abscheu gegenüber Sklavenhaltern wie dem Baron de Gondoriz
(Franco Nero in einer Gastrolle) machen Fawcett zu einem sympathischen
Protagonisten. Doch Gray macht es sich nicht so einfach, ihn einseitig als
strahlenden Helden zu zeichnen; er verpaßt ihm spannende Facetten, die
ihn zu einem authentischen Charakter machen. Daß Fawcett geradezu besessen ist vom
Amazonasgebiet und der Suche nach "Z" und dafür immer wieder seine
Familie jahrelang alleine läßt, weckt bereits gewisse Zweifel an seinem Edelmut
– auch wenn ein derartiges Verhalten für Männer seiner Zeit alles andere
als ungewöhnlich ist. Richtig interessant wird es aber, als er, der sich so
vehement für die Rechte der südamerikanischen Eingeborenen einsetzt, seine
ihm gegenüber stets nachsichtige Frau (die in früheren Jahren wohl selbst
wissenschaftlich arbeitete, zumindest wird das angedeutet) mit typischen
"Frauen an den Herd"-Argumenten abblitzen läßt, als sie ihm vorschlägt,
ihn auf seiner nächsten Reise zu begleiten. Kein Wunder, daß Nina da stinksauer
auf Percy wird – und wir gleich mit. Zugegeben, es ist keine ganz neue Idee,
brillante Forscher oder Wissenschaftler als im Privatleben nicht so vorbildlich
darzustellen, aber hier ist es glaubwürdig präsentiert und verleiht Percy
Fawcett Tiefe.
Charlie Hunnam, bekannt geworden durch die Biker-TV-Serie
"Sons of Anarchy", liefert in der Hauptrolle zwar keine begeisternde
Glanzleistung ab, die Ambivalenz von Percy Fawcett bringt er aber überzeugend zum
Ausdruck, auch seine an Besessenheit grenzende Leidenschaft für den oft so
unwirtlichen südamerikanischen Dschungel nimmt man ihm ab. Außerdem profitiert Fawcett
vom harmonischen Zusammenspiel mit seinen Reisebegleitern, allen voran dem von
einem bärtigen und bebrillten Robert Pattinson ("Wasser für die Elefanten") sehr charismatisch verkörperten Corporal Henry Costin, der
gemeinsam mit Corp. Arthur Manley (Edward Ashley, "Im Herzen der See") zu Fawcetts wichtigstem
Vertrauten und Freund wird. Und auch Angus Macfadyen überzeugt als zwar
antarktiserprobter, aber noch lange nicht dschungeltauglicher James
Murray, der bei der zweiten Expedition zu einem sehr nervigen Stachel im
Fleisch der Gruppe wird. Die Reisen verlaufen trotz der mal friedlichen, mal
gefährlichen Zusammentreffen mit verschiedenen Indiostämmen gar nicht so aufregend,
was aber durch die Interaktion der Expeditionsteilnehmer und
die sehenswerten Naturaufnahmen von Kameramann Darius Khondji ("Midnight in Paris") kompensiert wird. Die sehen in ausgewählten Kinos (darunter auch mein
Stammkino) übrigens sogar noch etwas schöner aus, da sie
dort in der neuen, farbkräftigeren "EclairColor"-Technologie gezeigt
werden, bei der die unzähligen Grün-Facetten des Urwalds naturgemäß besonders gut
zur Geltung kommen. "Die versunkene Stadt Z" bietet also gute, bewußt
altmodisch und entschleunigt präsentierte Abenteuer-Unterhaltung, wobei das
Ende nicht gänzlich befriedigend ausfällt – was aber den historischen
Geschehnissen geschuldet ist (wer kein Problem mit Spoilern hat und mehr über
Fawcetts letzte Expedition wissen will, den verweise ich auf die sehr
informative Wikipedia-Seite dazu).
Fazit: "Die versunkene Stadt Z" ist ein
unaufgeregt, aber realitätsnah geschilderter Entdecker-Abenteuerfilm, der den
Fokus auf die interessanten Charaktere und großartige Naturaufnahmen legt.
Wertung: Knapp 8 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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