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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 23. Juli 2015

PATEMA INVERTED (2013)

Originaltitel: Sakasama no Patema
Regie und Drehbuch: Yasuhiro Yoshiura, Musik: Michiru Ôshima
Sprecher der Originalfassung: Yukiyo Fujii, Nobuhiko Okamoto, Hiroki Yasumoto, Masayuki Katô, Shintarô Oohata, Shinya Fukumatsu, Maaya Uchida, Gou Shinomiya
 Sakasama no Patema
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 73% (5,6); FSK: 12, Dauer: 99 Minuten.
In der nicht allzu fernen Zukunft sorgt ein katastrophal fehlgeschlagenes Experiment dafür, daß die Gravitation auf der Erde sich umkehrt und ein Großteil der Menschen in den Weltall "fliegt" (und damit natürlich stirbt). Einige Überlebende bauen eine komplett unterirdische Gesellschaft auf, in der auch die 15-jährige Patema lebt. Ihr väterlicher Freund Lagos, ein Entdecker, ist vor Jahren spurlos verschwunden und so wird Patema stets gefährlich von den wenigen offenen Zugängen zur Oberfläche angezogen, deren Betreten streng verboten ist. Eines Tages fällt sie (aufgrund der umgekehrten Schwerkraft) versehentlich in einen dieser Schächte und landet verängstigt auf der Erdoberfläche, wo sie sich nur mit Mühe festhalten kann, um nicht ins All zu fallen. Zu ihrem Glück findet sie der gleichaltrige Schüler Age, denn auf der Oberfläche hat sich die Gravitation wieder in ihren ursprünglich Zustand zurückverwandelt und andere Überlebende haben einen totalitären Staat gegründet. Age hilft Patema, denn indem sie sich aneinander festhalten, kann er sie ebenso auf der Erde halten, wie unterirdisch sie ihn vor einem tödlichen Sturz bewahren könnte. Patema und Age freunden sich schnell an, doch unglücklicherweise wird durch die zahlreichen Sicherheitskameras ebenso der fanatische Staatschef Izamura auf Patema aufmerksam, der die "Inverts" für Sünder hält und sie allesamt vernichten will …

Kritik:
Japanische Zeichentrickfilme sind ja eigentlich fast immer einen Blick wert und da macht das Langfilmdebüt von Yasuhiro Yoshiura keine Ausnahme. An die qualitativen Höhen der Filme von Hayao Miyazaki ("Wie der Wind sich hebt") oder anderer Studio Ghibli-Produktionen reicht "Patema Inverted" zwar aufgrund einiger Schwächen nicht heran, ungewöhnlich und interessant ist die buchstäblich abgedrehte und schön gezeichnete Story aber allemal. Gleichzeitig muß konstatiert werden, daß das Potential der spannenden Prämisse bedauerlicherweise nur im Ansatz ausgeschöpft wird.

Denn in der Theorie ist die Ausgangskonstellation zweier wortwörtlich gegensätzlicher Welten, die unverhofft aufeinanderprallen, ja wirklich vielversprechend. Yoshiura geht sie auch durchaus ambitioniert an, indem er die zarte Liebesgeschichte der beiden zentralen Teenager mit einer dystopischen Atmosphäre samt leichter religiöser Anklänge (Bösewicht Izamura spricht von einer biblischen "Entrückung", nur es daß in diesem Fall durch die umgedrehte Gravitation der "Inverts" aus seiner Sicht die "Sünder" sind, die entrückt werden) verbindet. Leider ist seine Vorgehensweise im Detail alles andere als subtil. Zudem fällt generell auf, daß die Figuren einem seltsam fremd bleiben – lediglich Patema und Age lernt das Publikum näher kennen, doch selbst die Wirkung dieser beiden sympathischen Protagonisten wird dadurch erheblich reduziert, daß ihre Romanze nur bedingt glaubwürdig rüberkommt. Vor allem im Vergleich zu anderen japanischen Zeichentrickfilmen wie etwa dem wunderbaren "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" will der Funke einfach nicht so richtig zum Publikum überspringen.

Die übrigen Charaktere bleiben bloße, größtenteils uninteressante Schablonen – allen voran der von blindem Fanatismus getriebene Izamura, der als völlig übertriebener, größenwahnsinniger Klischee-Bösewicht präsentiert wird, der ohne eine echte Begründung alle "Inverts" töten will. Negativ fällt bei der Originalfassung übrigens auch noch ins Gewicht, daß die Sprecher vor allem zu Beginn selbst für asiatische Filmverhältnisse arg hysterisch auftreten. Des weiteren verläuft die Handlungsentwicklung selbst zwar durchaus interessant, Yoshiura geht aber für meinen Geschmack zu wenig auf die Eigenheiten der beiden so verschiedenen Welten ein. Das "Schwerkraft-Gimmick" wird überstrapaziert, die restlichen Unterschiede – und davon gibt es offensichtlich viele – werden sträflich vernachlässigt, was wiederum an der Glaubwürdigkeit der Filmwelt nagt. Auch hier gibt es genügend Beispiele, wie man das besser macht, etwa in "Die Reise nach Agartha", in dem ebenfalls zwei grundverschiedene Welten – eine davon unter der Erde – aufeinandertreffen. So ist "Patema Inverted" zwar ein netter Film, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Prämisse mit einigen wirklich beeindruckenden, teilweise gar denkwürdigen Bildkompositionen aufwarten kann; gleichzeitig mangelt es ihm aber doch nicht unerheblich an erzählerischer Raffinesse und emotionaler Wucht.

Fazit: "Patema Inverted" ist ein durchaus gelungener Zeichentrickfilm, der fantasievoll eine leicht dystopische Geschichte im Orwell-Stil erzählt, deren Potential aber nicht ausschöpft und bei der Figurenzeichnung und somit auch der emotionalen Bindung zum Publikum schwächelt.

Wertung: Knapp 7 Punkte.


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