Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 22. August 2014

Klassiker-Rezension: DEN SEINEN GIBT'S DER HERR ... (1963)

Originaltitel: Un drôle de paroissien
Regie und Drehbuch: Jean-Pierre Mocky, Musik: Joseph Kosma
Darsteller: Bourvil, Francis Blanche, Jean Poiret, Véronique Nordey, Solange Certain, Jean Yonnel, Jean Tissier, Bernard Lavalette, Marcel Perez, Jean Galland, Denise Péronne
 Un drôle de paroissien
(1963) on IMDb Rotten Tomatoes: -; FSK: unbekannt, Dauer: 92 Minuten.
Georges (Bourvil) ist das Oberhaupt der altehrwürdigen Familie Lachaunaye, die inzwischen arm wie eine Kirchenmaus ist. Da Georges ebenso wie seine Tochter Françoise (Véronique Nordey, "Leb wohl, meine Königin!"), die gerade ihr Studium absolviert, intelligent ist und auch beachtliches handwerkliches Geschick besitzt, wäre das eigentlich kein Problem, denn eine ordentlich bezahlte Arbeitsstelle würden die Familienmitglieder schon finden. Nur: Für eine Familie von solch guter Herkunft wäre es unschicklich, zu arbeiten! Als der fromme Georges in der Kirche betend um Rat fragt, erhält er – wie er glaubt – ein göttliches Zeichen, wonach er sich einfach bei den Opferstöcken bedienen soll. Mit Feuereifer gehen Georges, sein Freund Raoul (Jean Poiret, "Die letzte Metro") und Françoise an diese gottgewollte Tätigkeit heran und ersinnen immer raffiniertere Methoden, um die Spendenstöcke der zahllosen Pariser Kirchen zu erleichtern – natürlich immer nur um die Hälfte, man will Gotts Gutmütigkeit ja nicht über Gebühr strapazieren. Dennoch wird die Sache zunehmend kompliziert, da der Polizei natürlich nicht entgeht, daß die Kirchen reihenweise ausgeplündert werden …

Kritik:
Erstellt man eine Liste der erfolgreichsten Schauspieler in Frankreich – ausgehend von den Zuschauerzahlen, die sie kumuliert in die Kinos lockten – dann tauchen in den Top 10 jede Menge auch in Deutschland sehr bekannte Namen auf, allen voran Fernandel ("Don Camillo", "Die rote Herberge"), Louis de Funès ("Der Gendarm von Saint Tropez"), Gérard Depardieu ("Der Hornorchse und sein Zugpferd"), Alain Delon ("Der eiskalte Engel"), Jean-Paul Belmondo ("Der Profi"), Jean Gabin ("Die große Illusion") und Lino Ventura ("Der Clan der Sizilianer". Einer jedoch ist außerhalb Frankreichs ziemlich in Vergessenheit geraten: Bourvil, der Mann ohne Vornamen (eigentlich André, aber sein Künstlername lautete einfach Bourvil). Weit über 150 Millionen Kinotickets wurden für die Filme des begnadeten Komikers und Chansonniers gelöst, dabei wurde er nur 53 Jahre alt. Zu Bourvils beliebtesten und erfolgreichsten Filmen zählen die Kriegskomödie "Die große Sause" (in der er an de Funès' Seite agierte) – die noch bis 2008 mit rund 17 Millionen Zuschauern der erfolgreichste französische Film aller Zeiten war, dann abgelöst von "Willkommen bei den Sch'tis" –, Gérard Ourys Komödie "Das Superhirn" (mit Belmondo) und Jean-Pierre Melvilles Krimi "Vier im roten Kreis" (mit Delon). "Den Seinen gibt's der Herr …" ist eines seiner nicht ganz so bekannten Werke, doch unterhaltsam geraten ist die schrullige, gesellschaftskritisch angehauchte Komödie von Jean-Pierre Mocky ("Angst über der Stadt") allemal.

Es ist schon erstaunlich, wie leichthändig es Regisseur und Drehbuch-Autor Mocky gelingt, den im Wortsinn selbstgerechten Georges und seine Familie zu Sympathieträgern zu machen, obwohl sie auf den ersten Blick dekadente Faulpelze und Gauner zu sein scheinen. Selbst als Atheist wird man sich nur selten veranlaßt sehen, jemanden, der die Opferstöcke in Kirchen plündert, nicht zu verachten. Doch die Familie Lachaunaye ist so liebenswert-skurril gezeichnet und von den Darstellern so sympathisch verkörpert, daß man gar nicht anders kann, als sie zu mögen. Dazu trägt natürlich bei, daß die Protagonisten aufgrund der vermeintlichen göttlichen Eingebung keinerlei Unrechtsbewußtsein an den Tag legen; herrlich eine Szene, in der Georges voller Entrüstung einer anderen Kirchendieb zurechtweist, als er diesen beim Klauen erwischt – schließlich hat der Taugenichts keine göttliche Erlaubnis erhalten, außerdem will er gleich den gesamten Opferstock leeren. Und überhaupt, wie amateurhaft er dabei vorgeht! Georges, Raoul und Françoise sind da viel gewitzter und eleganter, sie erarbeiten sich ihren Erfolg hart.

Womit wir schon bei dem großen übergeordneten Witz des bis auf eine kurze Traumsequenz noch in Schwarzweiß gedrehten Films sind. Denn selbstverständlich ist es überaus ironisch, daß Georges und seine Familie sich aus Standesbewußtsein weigern, einer geregelten Arbeit nachzugehen, nur um dann Tag und Nacht an ihren Diebesmethoden zu feilen. Würden sie nur einen Bruchteil dieser Energie und dieses Erfindungsgeistes in ehrliche Arbeit legen, dann hätten sie es gar nicht nötig, zu stehlen. Für den aufmerksamen Zuschauer ist diese Ironie natürlich offensichtlich, den armen Lachauneyes geht dagegen kein Licht auf. Zum Glück, denn sonst hätten wir Zuschauer viel weniger zu Lachen! Trotz der Handlung kommt die Kirche hier übrigens einigermaßen gut weg, für die Verhältnisse des in seinen sonstigen Werken durchaus für bissige Gesellschaftskritik bekannten Jean-Pierre Mocky sind die vereinzelten Seitenhiebe gegen klerikale Eigenheiten zahm geraten, eher steht die bürgerliche Oberschicht im Zentrum des nie bösartigen Spotts.

Das Erzähltempo, das Mocky in "Den Seinen gibt's der Herr …" zunächst an den Tag legt, ist dabei recht gemächlich – was ganz jener Ära entspricht, in der die Komödie entstand. Die Einführung der Protagonisten wird sorgfältig durchgezogen, dafür darf es dann eben auch mal längere Passagen ohne größere Gags geben. Doch nachdem die Konstellation etabliert ist, geht in der zweiten Hälfte richtig schön die Post ab. Zu dieser Konstellation zählt auch die Polizei, die Georges und Konsorten den Job zunehmend schwerer macht. Theoretisch gehen die Polizisten unter der Leitung des Kommissars Cucherat (Francis Blanche, "Belle de Jour – Schöne des Tages", "Mein Onkel, der Gangster") nämlich ziemlich schlau bei der Diebesjagd vor, unglücklicherweise verderben sie sich alles dadurch, daß der leutselige Cucherat den vermeintlich ehrenwerten und sehr an der Polizeiarbeit interessierten Bürger Raoul – der zuvor durch eine (falsche) Zeugenaussage gegen den gesuchten Kirchendieb das Vertrauen der Gesetzeshüter erworben hat – regelmäßig über ihre Pläne informiert. Auf diese Weise sind die Lauchauneyes ihren Häschern immer einen Schritt voraus, auch wenn es für sie angesichts der zunehmenden Menge eingesetzter Polizisten immer schwieriger wird, ihrer "Arbeit" unentdeckt nachzugehen. Humoristischer Höhepunkt ist dabei eine Sequenz, in der sich die Polizisten als Kirchenleute verkleiden, um quasi undercover zu ermitteln – was Georges dadurch kontert, daß er sich seinerseits als Bischof verkleidet. Irgendwann laufen so viele Küster und Pfarrer herum, daß niemand mehr weiß, wer wer ist. Selbst wenn man mit Verwechslungskomödien sonst nicht allzu viel anfangen kann: Diese Sequenz ist so hinreißend komisch in Szene gesetzt und gespielt, daß nur die allergrößten Griesgrame einem herzhaften Lachanfall werden widerstehen können!

Fazit: "Den Seinen gibt's der Herr …" ist kein Highlight der humoristischen Kunst, aber eine eingangs noch gemächlich erzählte, später immer rasanter werdende Komödie, die von einem spritzigen, sauber konstruierten Drehbuch, liebenswert-schrulligen Figuren und einem mitunter saukomischen, von Erzkomiker Bourvil angeführten Schauspieler-Ensemble lebt.

Wertung: 8 Punkte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen