Originaltitel:
Tunes of Glory
Regie:
Ronald Neame, Drehbuch: James Kennaway, Musik: Malcolm Arnold
Darsteller:
Sir Alec Guinness, Sir John Mills, Dennis Price, Susannah York, Kay Walsh, John
Fraser, Gordon Jackson, Duncan Macrae, Percy Herbert, Allan Cuthbertson
Eine schottische Kaserne kurz nach dem Zweiten Weltkrieg:
Major Sinclair (Sir Alec Guinness) hatte im
Krieg nach dem Tod des eigentlichen Kommandeurs erfolgreich die vorübergehende
Leitung des traditionsreichen Bataillons übernommen. Eigentlich gingen alle
davon aus, daß er bald befördert und somit auch offiziell neuer Kommandeur
werden würde. Stattdessen erhält er die Nachricht, daß Lt. Col. Barrow (Sir
John Mills, "Gandhi") diese Stellung erhält und Sinclair dessen
Stellvertreter wird. Sinclair ist wütend ob dieser Entscheidung und bereitet
Barrow einen entsprechend frostigen Empfang in der Kaserne. Die
Gegensätzlichkeit der beiden Männer – Sinclair ein jovialer, aufbrausender und aus
bürgerlichen Verhältnissen stammender Soldat aus Leidenschaft, der sich
hartnäckig hochgedient hat, Barrow ein eher spröde wirkender Sproß einer angesehenen
Offiziersfamilie mit Uniabschluß und großer Wertschätzung für Regeln und
Traditionen – verstärkt die Spannungen zunehmend, zumal Sinclair die ihm
großteils loyal ergebenen Offiziere aktiv gegen den "Eindringling"
und "Schreibtischtäter" aufhetzt. Obwohl der besonnene Major Scott
(Dennis Price, "Adel verpflichtet") zu vermitteln versucht, scheint
eine Eskalation irgendwann unausweichlich ...
Kritik:
Will man zu Ehren des 100. Geburtstages eines der
großartigsten Schauspieler aller Zeiten – wie es Sir Alec Guinness ohne jeden
Zweifel ist – einen seiner Filme rezensieren, so hat man wahrlich die Qual der
Wahl. Sollte man seinen Durchbruch als multiples Mordopfer von Dennis Price in
insgesamt acht Rollen (darunter eine als Frau) in der rabenschwarzen Komödie
"Adel verpflichtet" aus dem Jahr 1949 wählen? Oder die ähnlich prägende
Darstellung als kriminelles Genie Professor Marcus, das mit seinen Komplizen in
"Ladykillers" (1955) letztlich an seiner gutmütigen Vermieterin
scheitert? Aber nein, DIE typische Guinness-Rolle ist doch sicherlich die
OSCAR-gekrönte als Offizier in David Leans "Die Brücke am Kwai"
(1957). Andererseits war er auch als arabischer Scheich neben Peter O'Toole in Leans Meisterwerk
"Lawrence von Arabien" (1962) beeindruckend. Oder doch die "Star
Wars"-Reihe mit Guinness als weiser Jedi Obi Wan Kenobi? Aber nein, zu der
wurde nun wirklich schon mehr als genügend geschrieben. Vielleicht sollte man
den Blick sogar auf seine TV-Rollen richten, etwa als griesgrämiger Earl,
dessen Herz im Weihnachtsklassiker "Der kleine Lord" (1980) von
seinem kleinen Enkel Cedric erwärmt wird – oder als Meisterspion (und Antithese zu James Bond) George Smiley in den legendären BBC-Miniserien "Dame,
König, As, Spion" (1980) und "Agent in eigener Sache" (1982)?
Nein, nein, das kommt alles nicht in Frage – tolle Produktionen ohne Ausnahme,
kein Zweifel, aber eben auch alles sehr bekannt und vielfach besprochen. Nein,
hier will ich eine Glanzleistung von Sir Alec Guinness würdigen, die nicht
sowieso schon jeder kennt, der sich ein bißchen mit Filmklassikern beschäftigt.
Also kristallisierten sich für mich zwei realistische Möglichkeiten heraus: Die hochgradig bewegende Tragikomödie "Ferien wie noch nie" (1950), in
der Guinness als Handelsvertreter George Bird erfährt, daß er todkrank ist und nur noch wenige Wochen zu leben hat, woraufhin er sich zu einer letzten Ferienreise
in ein Nobelhotel entschließt – oder "Einst ein Held". Wie man sieht,
habe ich mich für letzteren entschieden, weil der vermutlich noch etwas
unbekannter ist (von "Ferien wie noch nie" gibt es ja schließlich
sogar ein mittelmäßiges Remake namens "Last Holiday" mit Queen Latifah in
der Guinness-Rolle), aber Schauspieler-Kino vom Allerfeinsten.
Dabei hat es durchaus seine Gründe, daß "Einst ein
Held" ein bißchen in Vergessenheit geraten ist: Die Militärthematik ist
sperrig, die recht spartanische, dialoglastige Inszenierung erinnert mitunter
eher an ein abgefilmtes Theaterstück – und wer bei Dudelsackmusik von sponanten
Fluchtreflexen ergriffen wird, der sollte um das Drama von Ronald Neame
("Die Höllenfahrt der Poseidon") tunlichst einen ganz weiten Bogen
machen. Aber wen das alles nicht stört, der bekommt ein
herausragendes, begeisterndes Schauspiel-Duell zwischen Alec Guinness und dem
ihm absolut ebenbürtigen John Mills präsentiert. In jeder einzelnen Szene, in der
die beiden als so gegensätzliche Offiziere aufeinandertreffen – zunächst mit
"nur" eisiger Distanziertheit, später speziell von Sinclairs Seite
aus mit offener Feindschaft –, knistert es nur so in der Luft, als würde die
unvermeidlich scheinende Explosion unmittelbar bevorstehen. Guinness hat dabei
die etwas dankbarere Rolle erwischt, da er den extrovertierten, ein bißchen selbstverliebten und trinkfesten Kumpeltyp gibt, den neben seinen
militärischen Fähigkeiten vor allem ein
natürliches Charisma auszeichnet, das ihn sofort zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft
werden läßt, sobald er einen Raum betritt. Major Barrow dagegen ist alles andere als
ein Partyhengst, sondern ein typischer steifer Offizier, humorlos und
distanziert, zudem von einem traumatischen Kriegserlebnis gepeinigt. Alec Guinness und
John Mills verkörpern diese von Drehbuch-Autor James Kennaway
("Luftschlacht um England"), der seinen eigenen Roman adaptiert hat, möglicherweise zu dramaturgischen Zwecken etwas überzeichneten, aber in ihrer
Vielschichtigkeit dennoch absolut glaubwürdigen Figuren so sensationell gut,
daß einem beim Zuschauen beinahe der Atem stockt. Dabei schwanken die
Sympathien beständig zwischen diesen beiden Figuren, die abwechselnd dumme
Dinge sagen und tun, deren Beweggründe man aber zugleich stets nachvollziehen
kann. So grundverschieden sie auch sein mögen, im Kern sind beide aufrichtige
Männer, deren größter Fehler es ist, sich nicht in die Lage des Anderen
versetzen zu können oder wollen. Und die emotionale Verwundbarkeit, die
Guinness und Mills ihren Rollen besonders im dramatischen Finale verleihen, ist dermaßen intensiv und hautnah greifbar gespielt, daß einem schlicht die Worte
wegbleiben.
Auch die übrige Besetzung von "Einst ein Held" ist
einwandfrei, doch neben Guinness und Mills wirkt selbst der geschickt als
Mittler und eigentliche Identifikationsfigur des Publikums Major Scott
eingesetzte Dennis Price (der in "Adel verpflichtet" ein tolles
Gespann mit Guinness abgab) relativ blaß. Einige Kritiker werfen der
nicht ganz unvorsehbaren Handlung ein Übermaß an Sentimentalität und Pathos vor
und Neames Inszenierung einen Mangel an Subtilität. Streng genommen ist das schon
richtig, aber wenn man ein so gutes (übrigens OSCAR-nominiertes) Drehbuch und
zwei solch glänzende Hauptdarsteller zur Verfügung hat, dann ist es zweifellos
erlaubt, diese Elemente etwas stärker herauszustellen als es nötig
wäre. Zumal es Neame ausgezeichnet gelingt, das urschottische Setting
hervorzuheben (nicht nur, aber auch dank der exzessiv eingesetzten
Dudelsack-Musik), das "Einst ein Held" noch deutlicher aus der
Masse von Filmen hervorstechen läßt als es bereits Drehbuch und Besetzung
gelingt.
Fazit: "Einst ein Held" ist nicht nur ein
bewegendes Melodram im schottischen Nachkriegs-Militärmilieu und eine
faszinierende Charakterstudie zweier komplizierter Offiziere, deren ganz
persönlicher Konflikt eine Kette verhängnisvoller Ereignisse in Gang setzt – "Einst
ein Held" ist ein Triumph des britischen Schauspieler-Kinos!
Wertung: 9 Punkte.
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