Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 6. März 2013

HYDE PARK AM HUDSON (2012)

Originaltitel: Hyde Park on Hudson
Regie: Roger Michell, Drehbuch: Richard Nelson, Musik: Jeremy Sams
Darsteller: Bill Murray, Laura Linney, Olivia Williams, Samuel West, Olivia Colman, Elizabeth Marvel, Elizabeth Wilson, Eleanor Bron, Martin McDougall, Samantha Dakin, Nancy Baldwin, Andrew Havill
 Hyde Park on Hudson
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 37% (5,3); weltweites Einspielergebnis: $11,0 Mio.
FSK: 0, Dauer: 96 Minuten.

Ende der 1930er Jahre hat der demokratische US-Präsident Franklin D. Roosevelt (Golden Globe-Nominierung für Bill Murray) jede Menge Streß: Noch immer hat er mit den fatalen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf sein Land zu kämpfen, mit dem "New Deal" hat er gegen große Widerstände die bis heute wohl umwälzendsten Sozial- und Wirtschaftsreformen in den USA durchgesetzt und in Europa droht schon wieder ein neuer Krieg. Daß Roosevelt wegen Kinderlähmung seine Beine kaum noch benutzen kann, ist natürlich auch nicht gerade hilfreich. Als mit George VI. und Elizabeth I. zum ersten Mal ein britisches Königspaar auf Staatsbesuch in die USA kommt, um um Unterstützung gegen Hitler zu werben, sieht sich Roosevelt in einer Zwickmühle. Eigentlich sympathisiert er stark mit dem Widerstand gegen Nazi-Deutschland, doch in der Bevölkerung gibt es nur sehr wenig Verlangen, sich erneut in einen "europäischen Krieg" verwickeln zu lassen. Um Proteste gegen das Königspaar zu vermeiden, lädt er es auf seinen Landsitz nahe New York ein. Dort trifft Roosevelt auch auf seine entfernte Cousine Daisy (Laura Linney, "Tatsächlich ... Liebe"), die von seiner Mutter eingeladen wurde, um ihn etwas von seinen Sorgen abzulenken. Das gelingt ihr besser als erwartet, denn zwischen den beiden entspinnt sich eine zarte Liebesaffäre ...

Kritik:
Der britische Regisseur Roger Michell hat 1999 mit "Notting Hill" eine der erfolgreichsten romantischen Komödien aller Zeiten geschaffen. Seine anschließende Bilanz liest sich allerdings recht mager: Der Thriller "Spurwechsel", die Liebesgeschichte "Die Mutter", der Mystery-Thriller "Liebeswahn" und die Komödien "Venus" (die Peter O'Toole immerhin eine OSCAR-Nominierung einbrachte) und "Morning Glory" kamen kaum über mittelmäßige Kritiken hinaus, echte kommerzielle Erfolge waren sie schon gleich gar nicht (teilweise haben sie es außerhalb Großbritanniens nicht einmal ins Kino geschafft). Die Chancen schienen gut, daß ihm mit "Hyde Park am Hudson" eine Art Comeback gelingen würde: Ein interessantes, auf wahren Ereignissen basierendes Thema (das durch Briefe und Tagebücher publik wurde, die nach dem Tod der echten Daisy gefunden wurden), eine tolle Besetzung, dazu mit dem Amerikaner Richard Nelson ein renommierter und preisgekrönter Theaterautor. Trotzdem ging das so vielversprechende Projekt leider ziemlich in die Hose.

Dafür sehe ich vor allem zwei entscheidende Gründe: erstens eine zu große inhaltliche Unentschlossenheit, zweitens einen zu schwach ausgeprägten Humor. Denn eigentlich soll "Hyde Park am Hudson" durchaus eine Komödie sein, gemischt mit amourösen, politischen und biographischen Elementen. Zu lachen gibt es jeoch kaum etwas. Obwohl Cousine Daisy als Erzählerin fungiert, steht ihre Affäre mit Roosevelt keineswegs eindeutig im Zentrum der Geschichte, vielmehr wird die Aufmerksamkeit beinahe gleichberechtigt zwischen diesem Handlungsstrang und jenem um das britische Königspaar geteilt. Letzterer sorgt zumindest hin und wieder für ein paar Schmunzler, da der junge, stotternde König und seine Gattin im klassischen "Culture clash"-Stil zunächst ziemlich entsetzt sind, wie ihnen von amerikanischer Seite begegnet wird. Das fängt damit an, daß sich George auf dem Weg zu Roosevelts Landsitz bürgernah geben und mit zufälligen Passanten plaudern will, die ihn jedoch schlicht ignorieren; geht damit weiter, daß die Hoheiten – auf Betreiben von Roosevelts politisch linker Ehefrau Eleanor (Olivia Williams, "Anna Karenina") – in Zimmern schlafen sollen, die mit für die Briten wenig schmeichelhaften Cartoons über den Unabhängigkeitskrieg geschmückt sind; und endet mit einem höchst unköniglich anmutenden Picknick zu indianischen Gesängen und Hotdogs als Höhepunkt des offiziellen Programms. Das alles ist recht amüsant in Szene gesetzt, mehr aber auch nicht.

Das große Problem der Schauspieler Samuel West (George VI.) und Olivia Colman (Elizabeth I.) ist natürlich, daß sie sich an Tom Hoopers nur zwei Jahre zuvor gedrehtem OSCAR-Gewinner "The King's Speech" messen lassen müssen, in dem Colin Firth und Helena Bonham Carter die gleichen Rollen so meisterhaft interpretierten. Das ist logischerweise ein Vergleich, den sie nur verlieren können. Vielleicht hat Michell auch deshalb zwei relativ unbekannte britische TV-Darsteller besetzt, bei denen die Erwartungshaltung entsprechend bescheiden ist. Falls das stimmt, dann war es eine recht schlaue Idee, denn West und Colman spielen ihre Rollen durchaus gut und sympathisch. Gleiches trifft erwartungsgemäß auch auf Bill Murray zu, der in der jüngeren Vergangenheit in Filmen wie "Lost in Translation" und "Broken Flowers" nachdrücklich bewiesen hat, daß er viel mehr kann als "nur" Comedy. Seine Verkörperung Roosevelts ist überzeugend und höchst charmant, allerdings doch nicht so grandios, wie man das vorher erhofft hatte (Murray galt lange als heißer Kandidat für eine OSCAR-Nominierung) – was natürlich auch mit dem Drehbuch zusammenhängt, das seine schauspielerischen Fähigkeiten nicht übermäßig fordert. Warum scheinbar alle Frauen auf Roosevelt fliegen, wird einem als Zuschauer jedenfalls nicht wirklich klar, selbst wenn man den "Promi-Faktor" miteinbezieht. Auch Laura Linney, die ihre Rolle der Daisy eigentlich ebenfalls gut spielt, kann kaum zur Lösung dieses Rätsels beitragen, die Leindwandchemie zwischen ihr und Murray hält sich in Grenzen.

Gerade deshalb gestaltet sich die zweite Filmhälfte, in der die Romanze etwas überhand nimmt, ziemlich langweilig. Die spannende (zeit)politische Komponente wird an den Rand gedrängt, stattdessen muß man typische, nur wenig aufregend gestaltete Stationen einer Affäre mitverfolgen. Dabei bekommt man speziell in einigen so intimen wie einfühlsamen Zwei-Personen-Szenen  zwischen George VI. und dem ihm gegenüber beinahe väterlich agierenden Roosevelt ebenso wie zwischen Daisy und Roosevelts Sekretärin Missy (Elizabeth Marvel, "True Grit")  vor Augen geführt, was möglich gewesen wäre. Ärgerlich und unnötig, daß Michell und Autor Nelson daraus nicht mehr gemacht haben.

Fazit: "Hyde Park am Hudson" ist eine unentschlossene Mixtur aus historischer Romanze und Gesellschaftskomödie, die zwar gut gespielt ist und ein paar schöne Szenen zu bieten hat, aber unter einem eklatanten Mangel an Humor leidet.

Wertung: 4,5 Punkte.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen