Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 8. März 2013

DIE FANTASTISCHE WELT VON OZ (3D, 2013)

Originaltitel: Oz the Great and Powerful
Regie: Sam Raimi, Drehbuch: Mitchell Kapner und David Lindsay-Abaire, Musik: Danny Elfman
Darsteller: James Franco, Michelle Williams, Rachel Weisz, Mila Kunis, Zach Braff, Joey King, Tony Cox, Bill Cobbs, Abigail Spencer, Martin Klebba, Bruce Campbell, Ted Raimi
Oz the Great and Powerful
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 57% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $493,3 Mio.
FSK: 6, Dauer: 130 Minuten.

Oscar "Oz" Diggs (James Franco, "Spring Breakers") ist ein talentierter junger Zauberkünstler, der unbedingt seiner langweiligen ländlichen Heimat in Kansas entkommen will und sich deshalb einem Wanderzirkus angeschlossen hat. Dort kann er mit seinen Tricks immerhin regelmäßig schöne Frauen verführen, von seinem erklärten Ziel, Großes zu erreichen, ist er allerdings denkbar weit entfernt. Unverhofft erhält er die Chance, sich zu beweisen, als er mit einem Ballon in einen Wirbelsturm gerät und schließlich in einem zauberhaften Land voller Wunder eine Bruchlandung hinlegt – nein, Oscar ist definitiv nicht mehr in Kansas ... Das Land heißt Oz, wie die schöne Hexe Theodora (Mila Kunis, "Black Swan"), die Oscars Absturz beobachtet hat, diesem erläutert. Die Bevölkerung von Oz wartet seit langem auf einen prophezeiten Zauberer, der wie das Land heißen und die böse Hexe besiegen soll, um anschließend den königlichen Thron zu besteigen. Verheißungsvolle Aussichten für Oscar, also gibt er sich als den Retter aus der Prophezeiung aus und lernt viele seltsame Gestalten wie den geflügelten Affen Finley (in der Originalfassung, die ich gesehen habe, gesprochen von Zach Braff aus der Comedyserie "Scrubs") oder das Porzellanmädchen (Joey King, "The Dark Knight Rises") kennen. Auch Theodoras ebenso schöne Schwestern Evanora (Rachel Weisz, "Das Bourne Vermächtnis") und Glinda (Michelle Williams, "My Week with Marilyn") trifft Oscar bald. Doch die böse Hexe und ihre Schergen sind nicht so leicht zu besiegen – vor allem dann nicht, wenn man wie Oscar über keinerlei Magie verfügt, sondern nur über ein Repertoire abgestandener Jahrmarktstricks ...

Kritik:
Victor Flemings "Der Zauberer von Oz" aus dem Jahr 1939 (in Deutschland ursprünglich unter dem Titel "Das zauberhafte Land" veröffentlicht), basierend auf dem gleichnamigen Roman von L. Frank Baum, ist bis heute einer der berühmtesten und beliebtesten Kinderfilme und ein Klassiker der Filmgeschichte. Vogelscheuche, Zinnmann und Löwe berühren bis heute die Herzen nicht nur der kleinen Zuschauer, der bekannteste Filmsong "Over the Rainbow" erobert in unregelmäßigen Abständen immer wieder als Coverversion die Charts, und Judy Garland wurde mit ihrer Hauptrolle der liebenswert-naiven Dorothy zum Star. Dank diverser Adaptionen wie dem Kinofilm "Muppets: Der Zauberer von Oz", einer japanischen Zeichentrickserie oder dem Broadway-Musicalhit "Wicked" sind Baums Kreationen zu einem festen Bestandteil vor allem der westlichen Kultur geworden, doch eine Frage wurde auch in seinen 14 Oz-Büchern nie im Detail beantwortet: Wie kam der Zauberer nach Oz? Die Disney Studios beschlossen, die Antwort darauf in Form dieses von Sam Raimi ("Spider-Man") inszenierten Prequels zu liefern. Darin werden viele Motive der Bücher und auch von Flemings Film übernommen, letztlich wird aber eine eigene Story erzählt, in deren Mittelpunkt Oscar Diggs und die drei Hexen stehen – und unzählige farbenfrohe Spezialeffekte.

Da es lange her ist, daß ich "Der Zauberer von Oz" gesehen habe, kann ich nicht im Detail auf Gemeinsamkeiten oder Unterschiede eingehen, auch wenn mir einiges bekannt vorkam. Sehr gut erinnere ich mich jedoch an den in Schwarz-Weiß-Bildern gehaltenen Auftakt von Flemings Film, der in knallbunte Technicolor-Farben übergeht, sobald Dorothy in Oz landet. Sam Raimi behält dieses Vorgehen als wohl deutlichste Hommage an Flemings Film bei, wobei die Vorstellung Oscars durch eine seiner Zaubereivorstellungen in Kansas mit gut 20 Minuten vielleicht einen Tick zu lang gerät – der Übergang zum farbenfrohen Land Oz, der hier zusätzlich durch den Wechsel in ein deutlich breiteres Bildformat unterstrichen wird, funktioniert aber noch immer einwandfrei, auch wenn er heutzutage natürlich lange nicht so spektakulär wirkt wie 1939. Oz mit seinen vielen phantasievollen Kreaturen, der detailverliebten Architektur und Ausstattung sowie der Fülle an satten Farben ist ein fabelhafter Anblick, was auch der meist hervorragenden Arbeit der Spezialeffekte-Abteilung zu verdanken ist.

Wie bei so vielen Blockbustern dieser Zeit leiden jedoch die Figuren und die Handlung unter dem starken Fokus auf die visuellen Effekte in all ihren Formen und Farben. Daß Raimi und seine beiden Drehbuch-Autoren sich entscheiden, bereits nach einer knappen Filmhälfte die Identität der bösen Hexe zu enthüllen, ist auch nicht gerade hilfreich. Denn ab diesem Zeitpunkt lassen sich der weitere Handlungsverlauf und die Entwicklung der einzelnen Personen problemlos ziemlich genau vorhersagen (selbst ohne Kenntnis von "Der Zauberer von Oz"). Insofern ist es durchaus bezeichnend, daß mit dem von der 13-jährigen Joey King gesprochenen Porzellanmädchen ausgerechnet eine am Computer (und mithilfe erfahrener Puppenspieler) zum Leben erweckte Figur noch die größte Tiefe entwickelt und das Publikum mit Abstand am stärksten emotional berührt. James Franco verkörpert den ebenso windigen wie charismatischen Zauberkünstler, der von seinen Gefährten erst mühevoll dazu bewegt werden muß, seinen Egoismus zu überwinden und seine innere Stärke für den finalen Kampf gegen die böse Hexe zu entdecken, zwar überzeugend (manche Zuschauer kritisieren sein gelegentliches Overacting, aber das ist selbstverständlich durch seine Rolle als Jahrmarkts-zauberer bedingt und ergo gewollt). Echte Glanzpunkte kann er aber genauso wenig setzen wie die an sich glänzend ausgewählten Hexen-Darstellerinnen Williams, Weisz und Kunis.

Das Gute an "Die fantastische Welt von Oz" ist jedoch, daß der Film über die gesamten rund 130 Minuten hinweg ein so hohes Tempo hält und dabei stets so wunderschön anzusehen ist, daß die inhaltlichen Mängel einem zunächst kaum auffallen. Sam Raimi und sein Team haben eine familiengerechte Achterbahnfahrt geschaffen, die in ihrem Versuch, Kinder ebenso zu begeistern wie Erwachsene, die mit einem nostalgischen Gefühl an ihre erste Begegnung mit "Der Zauberer von Oz" zurückdenken, zwar nicht immer erfolgreich ist trotz FSK 6-Freigabe scheinen mir etliche Szenen für kleine Kinder doch zu unheimlich zu sein, andererseits gibt es für die erwachsenen Zuschauer vielleicht ein bißchen zu viel kindgerechten Slapstick und 3D-Kirmeseffekte. Aber alles in allem macht der Film großen Spaß, meiner Ansicht nach deutlich mehr als Tim Burtons "Alice im Wunderland", der stilistisch offensichtlich ein Vorbild von "Die fantastische Welt von Oz" war, mit seiner unausgereiften 3D-Technik und der langatmig erzählten Geschichte jedoch recht enttäuschend ausfiel (was ihn allerdings nicht davon abhielt, einer der größten kommerziellen Erfolge in der jüngeren Kinogeschichte zu werden).

Wie bei "Alice im Wunderland" zeichnet auch bei "Die fantastische Welt von Oz" Danny Elfman für den Soundtrack verantwortlich. In dieser Funktion hat er schön schwungvolle und reichhaltig instrumentierte Melodien komponiert, die die visuelle Pracht des Films harmonisch begleiten (gleiches gilt für die satten Soundeffekte, die mit dem neuen Soundsystem Dolby Atmos besonders eindrucksvoll zur Geltung kommen). Auch in Sachen 3D gibt es qualitativ wenig zu bemängeln, denn die Tiefenwirkung von Oz ist ausgezeichnet und unterstreicht die große Faszination dieses zauberhaften Landes. Geschmackssache ist allerdings die beinahe inflationäre Verwendung der bereits angesprochen Kirmeseffekte, also in die Kamera fliegende Gegenstände und ähnliches, die in ihrer Anzahl selbst viele der für den Gebrauch dieses Stilmittels berühmt-berüchtigten 3D-Horrorfilme in den Schatten stellen. Meiner Ansicht nach haben die Filmemacher es damit etwas übertrieben, aber da sich "Die fantastische Welt von Oz" nunmal auch an Kinder richtet und diese sich durch solche Effekte in der Regel leicht begeistern lassen, war das wohl unvermeidlich.

Sollte Raimis Film ein kommerzieller Erfolg werden, gibt es übrigens bereits Pläne für eine Fortsetzung, die dann voraussichtlich eine Umsetzung von Baums Roman "Der Zauberer von Oz" würde (und sich damit direkt mit Victor Flemings Filmklassiker messen müßte).

Fazit: "Die fantastische Welt von Oz" ist der geglückte Versuch, einen beliebten Kinderfilm-Klassiker in die Neuzeit zu transportieren. Ein größerer Schwerpunkt auf Story und Charaktere wäre zwar wünschenswert gewesen, aber dank eines hohen Humorgehalts, sympathischer Darsteller, einer phantasievollen Ausstattung und beeindruckender Spezialeffekte liefert der Regisseur Sam Raimi auf jeden Fall richig gute Familienunterhaltung ohne größeren Anspruch ab.

Wertung: 8 Punkte.

Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links freuen:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen