Regie: Detlev Buck, Drehbuch: Daniel Kehlmann, Daniel Nocke
und Detlev Buck, Musik: Enis Rotthoff
Darsteller: Albrecht Abraham Schuch, Florian David Fitz,
Jérémy Kapone, Vicky Krieps, Michael Maertens, Katharina Thalbach, Sunnyi
Melles, David Kross, Karl Markovics, Michael Schenk, Max Giermann, Aaron
Denkel, Mercedes Jadea Diaz, Peter Matić, Sven
Regener, Detlev Buck, Leander Haußmann, Daniel Kehlmann
Rotten Tomatoes: -; weltweites Einspielergebnis: $7,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 123 Minuten.
Rotten Tomatoes: -; weltweites Einspielergebnis: $7,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 123 Minuten.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert begegnen sich der forsche adlige Offizierssohn Alexander von Humboldt und der aus armen Verhältnissen
stammende Carl Friedrich Gauß als Minderjährige beim Herzog von Braunschweig (Michael Maertens),
der dem begabten Gauß ein Stipendium gewährt und auch den einige Jahre älteren Humboldt in seinen wissenschaftlichen Ambitionen unterstützt. Als Erwachsener entwickelt sich Gauß
(Florian David Fitz, "Vincent will Meer") zu einem brillanten
Mathematiker, während Humboldt (Newcomer Albrecht Abraham Schuch) ab der
Jahrhundertwende ferne Länder vor allem in Südamerika bereist und erforscht und
sich zu einem in der Heimat gefeierten Universalgelehrten entwickelt. Obwohl die beiden
Männer ihrem Wissensdrang in gänzlich unterschiedlicher Art und Weise folgen
und auch sonst wenige Gemeinsamkeiten haben, sind sie sich im Kern ihren Wesens
doch erstaunlich ähnlich – was sich auch darin manifestiert, daß sie ihrer
Arbeit alles unterordnen, selbst Familie, Freunde und Geliebte ...
Kritik:
Als Daniel Kehlmann im Jahr 2005 seine fiktive
Doppelbiografie zweier Ikonen der deutschen Wissenschaft veröffentlichte und
damit einen globalen Bestseller schuf, war die vorherrschende Meinung, daß "Die
Vermessung der Welt" angesichts der unkonventionellen narrativen Struktur
unverfilmbar sei. Detlev Buck, als Komödienregisseur für Werke wie
"Männerpension" oder "Karniggels" bekannt und beliebt,
wagte etwa zur gleichen Zeit den Schritt hin zu
ernsteren Stoffen wie dem Berliner Sozialdrama "Knallhart" oder der
ungewöhnlichen Liebesgeschichte "Same same but different". So ist es
wohl nur folgerichtig, daß er sich auch die Filmrechte von Kehlmanns Roman
sicherte und den Autor schließlich sogar davon überzeugen konnte, sich am Drehbuch
– das sich zwangsläufig recht deutlich von der Vorlage unterscheidet – zu
beteiligen und als Erzähler des (für deutsche Verhältnisse) aufwendig produzierten 3D-Films zu
fungieren. Die Voraussetzungen für einen künstlerischen und kommerziellen
Erfolg waren also durchaus gegeben; der fertige Film weckt jedoch zwiespältige
Gefühle.
Ein schwerwiegendes Problem stellt bereits die arg
oberflächlich wirkende Beschreibung des Wirkens der beiden großen Gelehrten dar.
Das ist bei einem 120-Minüter, der sich gleich zweier historischer Größen der
Wissenschaft annimmt und deren größtenteils getrennt voneinander stattfindende
Erlebnisse in zwei ständig hin und her wechselnden Erzählsträngen schildert,
zugegebenermaßen schwer zu vermeiden; was es aber nicht weniger bedauernswert
macht. Der Film – manche sagen, beim Buch sei es nicht viel anders – wird den
realen Forschern Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt und ihren
bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen einfach nicht im Ansatz gerecht. Zwar offenbaren die beiden Hauptfiguren durchaus eine
ordentliche Tiefe und wirken, wenn auch entsprechend der Buchvorlage nicht sehr sympathisch, so doch zumindest ziemlich authentisch. Vor allem die Entdeckungsreisen
Humboldts gemeinsam mit dem französischen Botaniker Bonpland (Jérémy Kapone,
"Livid", "LOL (Laughing Out Loud)") werden jedoch dermaßen vage
und skizzenhaft abgehandelt, daß ihre historische Bedeutung kaum nachvollziehbar ist.
Buck konzentriert sich in diesem in Ecuador mit zahlreichen indigenen Laiendarstellern gedrehten Handlungsstrang lieber
auf fraglos beeindruckende Naturaufnahmen, mit denen der international
renommierte Kameramann Slawomir Idziak ("Black Hawk Down",
"Harry Potter und der Orden des Phoenix") sein Können beweisen kann
und in denen auch der 3D-Einsatz zur Geltung kommt. Optisch und ansatzweise
auch thematisch erinnert der Humboldt-Teil von "Die Vermessung der
Welt" an Roland Joffés Klassiker "Mission" aus dem Jahr 1986 mit
Jeremy Irons und Robert De Niro, inhaltlich könnte der Unterschied zu dessen
Komplexität kaum größer sein.
Erstaunlicherweise funktioniert der Gauß-Erzählstrang trotz
der auf den ersten Blick weitaus unspektakuläreren Prämisse besser. Obwohl Gauß'
mathematische Erkenntnisse naturgemäß schwieriger zu vermitteln sind als
Humboldts Entdeckungen am anderen Ende der Welt und vermutlich ein Großteil des
Publikums ähnlich viel von seinen Erläuterungen versteht wie seine Umwelt im
Film, gelingt es Buck und Darsteller Florian David Fitz, den Enthusiasmus des kauzigen
Wissenschaftlers gut zu vermitteln. Sehr viel tiefer dringt Buck allerdings
auch hier nicht in die Materie ein, stattdessen rückt schnell die
Liebesgeschichte zwischen Gauß und der hübschen Johanna (die Luxemburgerin
Vicky Krieps, "Anonymus") in den Vordergrund. Da diese noch weiter
von der eigentlichen Thematik der Geschichte ablenkt, ist das theoretisch zwar
eher ärgerlich, innerhalb des Films funktioniert es aber gut und läßt den ansonsten
so unnahbaren Gauß menschlicher wirken.
Obwohl Kehlmann als erfrischend lakonischer Erzähler die
beiden Handlungsstränge geschickt miteinander verbindet, ist außerdem ein sehr
flacher Spannungsbogen unübersehbar. Sowohl Humboldt als auch Gauß forschen
mehr oder weniger in einem langen ruhigen Fluß vor sich und entdecken
regelmäßig etwas, aber echte Höhepunkt fehlen. Rund 100 Minuten lang schlängelt sich
die Geschichte auf diese Weise ihrem Ende entgegen, durchaus gefällig und gelegentlich
durchzogen von einer trockenen, mitunter absurden Komik, aber auch immer wieder
am Rande der Langeweile. Lediglich die finalen 20 Minuten, in denen die beiden
deutlich gealterten Forscher bei einem von Humboldt organisierten Naturforscherkongreß erstmals
richtig aufeinandertreffen, stechen ein wenig aus dem sonstigen Einerlei
hervor. Hier stimmen endlich auch die Dialoge, die ansonsten oft unerklärlich
hölzern und steif wirken. Und damit auch die Darsteller vor eine nicht zu
unterschätzende Herausforderung stellen.
Etliche deutsche Kritiker sind bei der Beurteilung der
Leistungen der beiden Hauptdarsteller wenig gnädig gewesen, doch meiner Ansicht
nach machen sowohl Florian David Fitz als auch Albrecht Abraham Schuch ihre
Sache insgesamt ordentlich. Sie können nicht wirklich glänzen und Fitz klingt
als alter Gauß leider viel zu jung (Schuch bekommt das deutlich besser hin),
aber man nimmt ihnen ihre Rollen ebenso ab wie Jérémy Kapone und Vicky Krieps
als die beiden Hauptbezugspersonen der Wissenschaftler. Was aber beileibe nicht auf
jeden Nebendarsteller zutrifft. Die haben allerdings schon deshalb einen
besonders schweren Stand, weil viele der Nebenfiguren dermaßen übertrieben und
unglaubwürdig gezeichnet sind, daß sie wie bloße Karikaturen wirken.
Besonders der arme Michael Maertens chargiert sich als hoffnungslos überkandidelter Herzog von Braunschweig nach Leibeskräften durch seine ziemlich peinliche Rolle; und bei
Max Giermann, der hin und wieder als cholerischer Soldat zu
sehen ist, meint man stets, eine anarchische Version seiner Markus Lanz-Parodie
aus "Switch Reloaded" präsentiert zu bekommen. Andere kleine
Nebendarsteller haben schlicht Probleme damit, ihre künstlich
wirkenden Texte lebendig vorzutragen. Einen Kontrapunkt kann da neben Könnern wie David Kross ("Gefährten", "Der Vorleser") als Gauß' Sohn Eugen oder Karl Markovics ("Die Fälscher", "Nanga Parbat") als Lehrer Büttner vor allem Katharina Thalbach
("Die Blechtrommel") setzen. Mit ihrer großen Kino-, TV- und
Theatererfahrung gelingt es ihr scheinbar problemlos, die gesteltzten Texte
glaubwürdig vorzutragen. Womit sie die Defizite einiger ihrer Kollegen
erst recht offenkundig macht.
In technischer Hinsicht überzeugt "Die Vermessung der
Welt" deutlich stärker als inhaltlich. Wie bereits erwähnt sind die
Naturaufnahmen aus Ecuador sehr gelungen und rechtfertigen wenigstens
ansatzweise den obligatorischen 3D-Aufpreis. Auch die Musik von Enis Rotthoff
("Rubbeldiekatz") weiß zu gefallen und das Alters-Makeup wirkt deutlich authentischer
als die Dialoge. Zudem integriert Detlev Buck ein paar nette Ideen wie eine
kurze, aber witzige Animationssequenz zu Humboldts Überquerung des Atlantiks,
die stilistisch ein wenig an Terry Gilliams berühmte Monty Python-Cartoons
erinnert.
Fazit: "Die Vermessung der Welt" ist der
ehrenwerte, aber inhaltlich nur bedingt geglückte Versuch, einen deutschen Weltbestseller
zu einem "deutschen Hollywood-Film" zu machen. Die optischen Stärken und die spannende Thematik können eine zu monotone Erzählweise sowie die sehr wechselhafte Qualität von Dialogen und Schauspielleistungen nur teilweise übertünchen.
Wertung: 6 Punkte.
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