Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 20. Juni 2024

SEE HOW THEY RUN (2022)

Regie: Tom George, Drehbuch: Mark Chappell, Musik: Daniel Pemberton
Darsteller: Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Ruth Wilson, Harris Dickinson, David Oyelowo, Reece Shearsmith, Shirley Henderson, Charlie Cooper, Pippa Bennett-Warner, Sian Clifford, Pearl Chanda, Tim Key, Paul Chahidi, Lucian Msamati, Angus Wright, Jacob Fortune-Lloyd, Oliver Jackson
See How They Run (2022) on IMDb Rotten Tomatoes: 75% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $22,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 98 Minuten.
London, 1953: Als nach der 100. Aufführung von Agatha Christies sehr erfolgreichem Whodunit-Theaterstück "Die Mausefalle" der Regisseur der geplanten Hollywood-Verfilmung ermordet und auf der Bühne plaziert wird, wird der desillusionierte Inspector Stoppard (Sam Rockwell, "Three Billboards ...") mit dem Fall betraut. Da der größte Teil der Polizei gerade mit der Jagd nach einem Serienmörder beschäftigt ist, bekommt Stoppard zur Unterstützung nur die unerfahrene und etwas übereifrige Constable Stalker (Saoirse Ronan, "Grand Budapest Hotel") zur Seite gestellt. Schnell finden sie heraus, daß der ermordete Leo Köpernick (Adrien Brody, "Darjeeling Limited") reichlich unbeliebt war und es so genügend Verdächtige mit überzeugenden Motiven gibt – darunter den Filmproduzenten John Woolf (Reece Shearsmith, "A Field in England"), den mit Leo über Kreuz liegenden Drehbuch-Autor Mervyn Cocker-Norris (David Oyelowo, "Selma") und den Hauptdarsteller des Theaterstücks, Richard "Dickie" Attenborough (Harris Dickinson, "The King's Man") ...

Kritik:
Das Theaterstück "Die Mausefalle" zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Werken der britischen Krimilegende Agatha Christie – seit seiner Uraufführung Ende 1952 wird es bis heute täglich in London aufgeführt (außer während der COVID-19-Pandemie) und ist das am längsten laufende Theaterstück der Welt. Daß es, anders als etwa bei den Poirot-Krimis "Mord im Orient Express" oder "Tod auf dem Nil", dennoch bis heute keine Verfilmung davon gibt, mutet daher merkwürdig an, hat aber einen einfachen Grund: Christie verkaufte die Filmrechte (allerdings erst 1956) an den echten John Woolf unter der Bedingung, daß frühestens ein halbes Jahr nach dem Ende der Aufführungen ein Film produziert werden dürfe – was bis heute nicht möglich ist und nun die Produktion von "See How They Run" zur Folge hatte, welcher "Die Mausefalle" zu einem Teil der Geschichte macht und die Christie-Whodunits liebevoll persifliert. Das Ergebnis ist eine vergnügliche Krimikomödie mit vielen Anspielungen, deren Drehbuch es aber an echten Höhepunkten mangelt. Somit wird "See How They Run" der hochklassigen Besetzung zwar nicht ganz gerecht, erfreut Genrefreunde aber doch mit eineinhalb Stunden guter Unterhaltung.

Es hat Tradition, daß Filme und TV-Serien mit "Behind the Scenes"-Thematik bei Kritikern und Filmschaffenden selbst häufig viel besser ankommen als beim "normalen" Publikum. Das ist gar nicht so überraschend, immerhin ist ein Teil des Reizes der Traumfabrik Hollywood, daß die Zuschauer nicht genau wissen, wie die Kinomagie fabriziert wird – durch "Hinter den Kulissen"-Produktionen wird das ein Stück weit konterkariert (obgleich sie oft humoristisch überspitzen). Gleichzeitig erkennen naturgemäß Kritiker und Filmschaffende viel mehr Insidergags, Zitate, Anspielungen, Parodien und dergleichen als die breite Masse. Und das schlägt sich dann eben in überdurchschnittlich guten Kritikerbewertungen und Auszeichnungen für Filme und Serien aus, die in Sachen Publikumsinteresse eher Nischenprodukte sind (aus den letzten Jahren ist Lin-Manuel Mirandas für zwei OSCARs nominiertes, aber dennoch weitestgehend unbekannt gebliebenes Musical "tick, tick… BOOM!" ein perfektes Beispiel dafür). Auch "See How They Run" scheint davon betroffen zu sein, jedenfalls schnitt der Film bei den Kritikern überwiegend gut ab, wogegen die Zuschauerbewertungen ziemlich durchschnittlich ausfielen. Ich persönlich habe als bekennender Cineast "Behind the Scenes"-Produktionen derweil schon immer sehr interessant gefunden – vermutlich gerade deshalb, weil ich schon so viele Filme und Serien gesehen habe. Und das trägt auch dazu bei, daß mir "See How They Run" gut gefällt, wenn er historische Persönlichkeiten wie die spätere Filmlegende Sir Richard Attenborough ("Jurassic Park"), den Produzenten John Woolf und Agatha Christie selbst (schön exzentrisch verkörpert von Shirley Henderson, "Das Märchen der Märchen") leichtfüßig in die Handlung integriert oder Klischees parodiert, indem er etwa Drehbuch-Autor Mervyn in einer Rückblende sich über das Stilmittel der Rückblenden echauffieren läßt ...

So gut die Whodunit-Persiflage funktioniert, kann sie eine der beiden größeren Schwächen von "See How They Run" doch nicht zur Gänze ausgleichen: Das zentrale "Murder Mystery" ist sehr mittelmäßig geraten. Zwar ist die Auflösung erfreulicherweise nicht allzu vorhersehbar, dafür schwächelt das Drehbuch aber auf dem Weg dorthin (trotz einiger durchaus gelungener stilistischer Anleihen bei Wes Anderson sowie der lebhaften musikalischen Begleitung durch "Molly's Game"-Komponist Daniel Pemberton). In Kombination mit der zweiten Schwäche – einer weitestgehend sehr flachen Figurenzeichnung – sorgt das dafür, daß Tom Georges Kino-Regiedebüt zwar jederzeit gut unterhält, dem großen Vorbild Agatha Christie aber nicht das Wasser reichen kann. Immerhin werden diese Problemfelder durch die exzellente Besetzung gut kaschiert, denn wenngleich ein David Oyelowo, eine Ruth Wilson, ein Adrien Brody oder ein Harris Dickinson fraglos schauspielerisch unterfordert sind, gelingt es ihnen doch, ihre recht klischeehaften Charaktere einigermaßen interessant zu gestalten. Und das gilt natürlich erst Recht für die Hauptdarsteller Sam Rockwell und Saoirse Ronan, zumal deren Figuren immerhin etwas mehr Tiefe entwickeln dürfen. Sam Rockwell ist als chronisch genervter Polizeiveteran mit trockenem Humor eine Idealbesetzung, Saoirse Ronan sorgt als etwas zu enthusiastische Nachwuchs-Polizistin für die meisten der spärlich verteilten größeren Lacher (und empfiehlt sich damit dringend für mehr komödiantische Rollen!). Von diesem Duo würde man gerne mehr sehen ...

Fazit: "See How They Run" ist eine vergnügliche, hochkarätig besetzte britische Krimikomödie, die gekonnt, wenn auch ohne große Höhepunkte, die klassischen Agatha Christie-Whodunits parodiert.

Wertung: 7,5 Punkte.


Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen