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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 13. Juni 2024

THE HOLDOVERS (2023)

Regie: Alexander Payne, Drehbuch: David Hemingson, Musik: Mark Orton
Darsteller: Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da'Vine Joy Randolph, Carrie Preston, Jim Kaplan, Andrew Garman, Naheem Garcia, Brady Hepner, Michael Provost, Ian Dolley, Darby Lily Lee-Stack, Stephen Thorne, Gillian Vigman, Tate Donovan, Kelly AuCoin, Oscar Wahlberg
The Holdovers (2023) on IMDb Rotten Tomatoes: 97% (8,5); weltweites Einspielergebnis: $44,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 134 Minuten.
Als Schüler und Lehrer des privaten Internats "Barton Academy" in Neuengland im Jahr 1970 in die Weihnachtsferien aufbrechen, muß der einzelgängerische und nicht nur bei seinen Schülern unbeliebte Professor für Antike Zivilisationen Paul Hunham (Paul Giamatti, "Barney's Version") zurückbleiben, um auf eine Handvoll Schüler aufzupassen, die die Feiertage an der Academy verbringen müssen. Darunter befindet sich der rebellische Angus (Dominic Sessa), der von seiner Mutter versetzt wurde, da sie lieber mit ihrem neuen Ehemann in die Ferien fährt. Hinzu kommen Angus' arroganter Klassenkamerad Teddy (Brady Hepner, "The Black Phone"), der Strahlemann Jason (Michael Provost, "Fear Street: 1978") – der einen kleinen Machtkampf mit seinem stinkreichen Vater austrägt – und die beiden deutlich jüngeren Ye-Joon (Jim Kaplan, "Marry Me") und Alex (Ian Dolley, "Spirited"). Bis auf Angus dürfen die Schüler nach ein paar Tagen aber doch noch die Academy verlassen, weshalb nur Professor Hunham, Angus, die um ihren im Vietnam-Krieg gefallenen Sohn trauernde afroamerikanische Köchin Mary (Da'Vine Joy Randolph, "Dolemite Is My Name") und Hausmeister Danny (Naheem Garcia, "Challengers") zurückbleiben. Obwohl Hunham und Angus immer wieder miteinander streiten, entwickelt sich nach und nach eine unerwartet enge Bindung zwischen den Zurückgelassenen, die sich immer stärker einander öffnen ...

Kritik:
Der 1961 geborene US-Filmemacher Alexander Payne hat sich früh in seiner Karriere als einer der talentiertesten Autorenfilmer des Landes etabliert: Mit der smarten High School-Politsatire "Election", der gefühlvollen Tragikomödie "About Schmidt", der lakonischen Romanverfilmung "Sideways", der schönen Vater-Tochter-Geschichte "The Descendants" und dem Schwarzweiß-Roadmovie "Nebraska" schuf er zwischen 1999 und 2013 fünf von der Kritik gefeierte kleine Meisterwerke, die jeweils mindestens für einen OSCAR nominiert wurden (zusammen kommen sie auf 19 Nominierungen bei zwei Siegen) und bis auf den erst später zum Kultfilm avancierten "Election" auch beim Kinopublikum glänzend ankamen. 2017 folgte dann aber ausgerechnet mit seinem mit Abstand teuersten Film, der Gesellschaftssatire "Downsizing", ein ziemlicher Schiffbruch mit mittelmäßigen Kritiken und einem Flop an der Kinokasse. Davon mußte er sich wohl erstmal erholen und so dauerte es sechs Jahre, bis er sich mit "The Holdovers" erfolgreich zurückmeldet – interessanterweise seinem erst zweiten Film (nach "Nebraska"), zu dem er nicht das Drehbuch schrieb (sondern TV-Autor und -Produzent David Hemingson, der damit sein Kinodebüt gibt). Das Comeback fällt dafür umso überzeugender aus, denn Payne knüpft mit dem für fünf OSCARs nominierten "The Holdovers" nahtlos an seine stärkste Karrierephase an und begeistert das Publikum mit einer warmherzigen, gefühlvollen Weihnachtsgeschichte, die wahrscheinlich schon bald zu den Weihnachts-Klassikern gezählt werden wird.

Auch wenn Payne diesmal nicht für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, merkt man "The Holdovers" dennoch seinen typischen, lakonischen, tragikomischen und warmherzigen Stil deutlich an. Die Protagonisten von "The Holdovers" sind – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – klassische Außenseiter auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft, die eher zufällig zueinander finden. Bei Hunham und Angus erfahren wir die genauen Gründe erst recht spät, weshalb ich nicht zu viel verraten will. Es ist aber so, daß Hunham vor allem von einem Vorkommnis am College verfolgt wird, welches seine Lebenspläne durchkreuzt und sein Vertrauen in die Menschen stark beschädigt hat, weshalb aus dem einst idealistischen Lehrer und Historiker über die Jahrzehnte hinweg ein zynischer, bei Schülern wie Kollegen unbeliebter Griesgram geworden ist. Angus wiederum hat primär unter seiner Familiensituation zu leiden sowie unter typischen Teenager-Problemen wie einer Antipathie gegen Autoritäten oder dem Ringen nach Anerkennung unter Gleichaltrigen zulasten seiner tatsächlichen, eigentlich sehr freundlichen und wißbegierigen (er ist Hunhams bester Schüler) Persönlichkeit. Köchin Mary wiederum wird von der Trauer um ihren in Vietnam gefallenen Sohn – der wahrscheinlich noch leben würde, wenn er weiß wäre – niedergedrückt. Dennoch ist ironischerweise ausgerechnet sie am ehesten die treibende Kraft bei dem unsichtbaren Band, das sich zwischen dem Trio (und dem nur gelegentlich anwesenden Hausmeister Danny) und speziell zwischen Hunham und Angus bildet.

Ein wenig fühlt man sich wegen des Settings und der melancholischen Atmosphäre an Peter Weirs 1980er Jahre-Meisterwerk "Der Club der toten Dichter" erinnert oder auch an ebenfalls leicht märchenhaft anmutende Filme wie "Tokyo Godfathers" oder "Willkommen, Mr. Chance". Dabei kommt "The Holdovers" allerdings denkbar unspektakulär daher und macht alles eine Nummer kleiner als speziell "Der Club der toten Dichter". Die Konflikte sind eher alltäglich und selbst im Finale bleibt Alexander Paynes Film subtil und vergleichsweise unscheinbar – es bekommt eben nicht jeder seinen "Oh Captain, my Captain"-Moment, wenn er oder sie im Bewußtsein negativer persönlicher Konsequenzen das Richtige tut … Daß "The Holdovers" so wunderbar funktioniert, hängt naturgemäß stark mit der Besetzung speziell der drei Hauptrollen zusammen (unter den Nebenfiguren sticht primär Carrie Prestons freundliche Lehrerin Lydia Crane hervor). Paul Giamatti, der bereits in Paynes "Sideways" die Hauptrolle spielte, ist eine Idealbesetzung für Mr. Hunham und schafft es, aus diesem chronisch schlecht gelaunten und vom Leben enttäuschten Miesepeter eine glaubwürdige Person mit (gut versteckten) Stärken und (offensichtlichen) Schwächen zu machen, den man gerne näher kennenlernt. Der in einem langwierigen Casting-Prozeß gefundene Debütant Dominic Sessa überzeugt ebenfalls auf der ganzen Linie als sein Widerpart Angus, der seine Verletzlichkeit nur unzureichend hinter einer coolen Fassade verbirgt. Und Da'Vine Joy Randolph wurde für ihre einnehmende Darstellung der trauernden, aber starken und gutherzigen Köchin Mary sogar mit dem OSCAR für die beste Nebendarstellerin geehrt. Ein wunderbarer Film.

Fazit: Alexander Paynes "The Holdovers" ist eine feinfühlige, stark gespielte Tragikomödie der leisen Töne, die mit ihrer Warmherzigkeit dem weihnachtlichen Setting alle Ehre macht.

Wertung: 9 Punkte.


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