Regie und Drehbuch: Matt Ruskin, Musik: Paul Leonard-Morgan
Darsteller: Keira
Knightley, Carrie Coon, Chris Cooper, Alessandro Nivola, David
Dastmalchian, Morgan Spector, Bill Camp, Rory Cochrane, Robert John
Burke, Peter Gerety, Ryan Winkles, Luke Kirby
Boston, 1962: Zum
Unverständnis des Großteils ihres Umfeldes arbeitet die dreifache
Mutter Loretta McLaughlin (Keira Knightley, "Stolz und Vorurteil") als Reporterin beim "Boston Record-American". Dort
soll sie sich nur um "Frauenthemen" kümmern,
obwohl sie die investigative Kriminalberichterstattung viel mehr
interessiert. Als in der Stadt innerhalb kurzer Zeit mehrere Frauen
in ihren Wohnungen brutal erwürgt werden, recherchiert Loretta
zunächst auf eigene Faust und schafft es so schließlich, ihren
Chefredakteur Jack MacLaine (Chris Cooper, "Little Women")
dazu zu bringen, sie mit der Geschichte zu betrauen. Zwar wird ihr zu
ihrem Unwillen die erfahrene Kollegin Jean Cole (Carrie Coon, "Ghostbusters: Legacy") zur Seite gestellt, aber die beiden Frauen erweisen sich
schnell als ein gutes Team, das nicht nur Spuren zum Täter findet,
sondern auch grobe Fehler und Nachlässigkeiten der Polizei aufdeckt
– womit sie sich natürlich nicht nur Freunde machen ...
Kritik:
Wer meinem Blog
schon länger folgt, dem ist bestimmt irgendwann aufgefallen, daß
ich ein großer Fan von Keira Knightley bin. Dies ist bereits sage
und schreibe meine 18. "Kinogänger"-Rezension eines Films
mit der britischen Aktrice, womit sie lediglich von Scarlett
Johansson (24), Willem Dafoe (20) und Chris Hemsworth (19)
übertroffen wird. Doch als ich mir den für den US-Pay-TV-Sender
Hulu produzierten "Boston Strangler" angesehen habe, kam
mir eine Frage in den Sinn: Ist Keira Knightleys Karriere in einer
Krise? Wenn man einmal ihren Mini-Auftritt in "Pirates of the
Caribbean: Salazars Rache" außer Acht läßt, liegt ihr letzter
richtiger Hit mit "The Imitation Game"
bereits zehn Jahre in der Vergangenheit. Zwar war sie seitdem immer
gut beschäftigt und hat Hauptrollen in vielen ordentlichen
("Der Nußknacker und die vier Reiche", "Niemandsland")
bis guten ("Colette", "Official Secrets", "Die
Misswahl") Filmen gespielt, aber viele Zuschauer hat
keiner davon in die Kinos gelockt und auch bei den Preisverleihungen
herrscht seit "The Imitation Game" weitgehend Ebbe. Und
jetzt sogar ein TV-Film? Müssen ihre Fans sich ernsthaft Sorgen
machen um die Karriere der immer noch nicht einmal 40 Jahre alten Keira Knightley? Ich weiß es nicht, aber vielleicht hat sie ja auch einfach
keine Lust mehr auf große Blockbuster und spielt lieber in kleineren
Produktionen mit? Hierzu zählt definitiv "Boston Strangler",
dem man sein TV-Film-Dasein durchaus ansieht und der als
größerer, teurerer Kinofilm mit Sicherheit noch deutlich mehr hätte
bieten können. Aber auch so ist er ein guter True
Crime-Journalisten-Krimi geworden, der in erster Linie von seiner
guten Besetzung profitiert.
"Boston
Strangler" hat etliche Stärken, aber leider auch zwei große
Schwächen. Die erste ist weitgehend genreimmanent, denn bei True
Crime-Geschichten (wie auch bei Biopics) ist die kreative Freiheit
zwangsläufig eingeschränkt, solange man die Realität
halbwegs authentisch abbilden will. Das bedeutet häufig, so auch in
diesem Fall, daß es eine große Anzahl an mehr oder wichtigen
Figuren im Film gibt, von denen aber die wenigsten eine so große
Rolle spielen, daß man als Zuschauer eine echte Verbindung zu ihnen
aufbauen kann. Selbst ein David Fincher konnte
das in seinem themenverwandten "Zodiac" nicht gänzlich
kompensieren, der ziemlich unbekannte "Boston
Strangler"-Regisseur und -Autor Matt Ruskin kann es erst Recht
nicht. Richtig nahe kommt das Publikum daher nur den beiden zentralen
Journalistinnen – bei den übrigen Figuren (gerade jenen aus dem
Polizeiapparat) hat man dagegen schon einmal Schwierigkeiten, sie
auseinanderzuhalten. Dem kann man mit der Besetzung bekannter
und/oder markanter Gesichter etwas entgegenwirken und das versucht
auch "Boston Strangler". Es funktioniert dank Schauspielern wie David Dastmalchian ("The Suicide Squad"),
Rory Cochrane ("Oculus") oder Alessandro Nivola ("A
Beautiful Day") sogar ziemlich gut, aber nur bis zu einem
gewissen Grad. Besser sieht es erwartungsgemäß bei den beiden
Protagonistinnen aus, die von Keira Knightley und Carrie Coon
überzeugend und sehr nahbar verkörpert werden. Die Einbeziehung von
Lorettas Privatleben geschieht zwar eher halbherzig, aber zumindest
wird auf diese Weise ansatzweise vermittelt, wie ungewöhnlich ihre
Berufswahl (als verheiratete Mutter) zu dieser Zeit war.
Die
zweite große Schwäche von "Boston Strangler" liegt darin
begründet, daß er ein TV-Film ist. Damit meine ich gar nicht mal
das im Vergleich zu einem Kinofilm überschaubare Budget. Zwar merkt
man die niedrigen Produktionskosten dem Film durchaus an, das wird
insgesamt aber recht gekonnt kaschiert durch gute Handwerksarbeit bei
Kamera, Kostümen et etera. Erheblich problematischer ist aber die
offensichtlich verordnete Familienfreundlichkeit des beim Streamingdienst Disney+
richtigerweise bereits ab 12 Jahren empfohlenen Werks. Wenn man einen
Film über einen der brutalsten und berüchtigsten Serienmörder der
US-Historie drehen will, sollte man das nicht dadurch
konterkarieren, daß man die Besonderheiten dieses Killers so gut wie
möglich ignoriert. Ja, vor allem zu Beginn wird das Vorgehen des
Stranglers recht anschaulich verbal geschildert, weshalb man wenigstens
ansatzweise eine Ahnung vom wahren Ausmaß seiner Verbrechen bekommt
– aber der weitestgehende Verzicht auf deren optische Präsentation
führt auf Dauer dazu, daß man nie ein Gespür für die Dringlichkeit
der Jagd auf dieses menschliche Monster entwickelt, das die Frauen von
Boston in Angst und Schrecken versetzt. Das haben frühere Adaptionen wie Richard Fleischers "Der Frauenmörder von Boston" (1968) deutlich besser hinbekommen.
Lange
Zeit plätschern die immerhin lobenswert authentisch wirkenden
Ermittlungen von Loretta und Jean eher so vor sich hin und wenn
Regisseur Raskin mal versucht, doch etwas Spannung aufzubauen, dann
wirkt es mitunter albern und tut den Charakteren unrecht (so doof kann
die echte Loretta doch gar nicht gewesen zu sein, nachts alleine
einen Verdächtigen aufzusuchen – auch wenn sie das immerhin selbst
noch bemerkt). Erst im letzten Filmdrittel dreht "Boston
Strangler" dann fast schon unerwartet richtig auf mit einem
ziemlich furiosen dritten Akt, der auch spannende Aspekte (leider
nur) streift, die über die reine Kriminalistik hinausgehen – etwa
die Rolle der Polizei, der Politik und der Presse, die letztlich alle
nur schnell einen Sündenbock wollen, um die Menschen in Sicherheit
zu wiegen und von der düsteren Wahrheit abzulenken, daß es in
unserer Gesellschaft viel zu viele Frauenmörder und sonstige
Gewalttäter gibt. Etwas ungünstig empfand ich zudem, daß die hier als
am wahrscheinlichsten präsentierte Lösung des Rätsels um den
Boston Strangler – abschließend wurde die Mordserie nie geklärt –
in meinen Augen sehr früh logisch erkennbar ist. Ich will natürlich
nicht spoilern, aber es handelt sich um einen Ansatz, auf den die
Ermittler in Kino- und TV-Krimis komischerweise fast immer erst sehr
spät kommen – man kann nur hoffen, daß das in der Realität
besser aussieht … Doch davon abgesehen ist "Boston Strangler" ein sehr solider Film geworden, der aber auch verdeutlicht, daß Keira Knightley eigentlich immer noch für deutlich Größeres gemacht ist.
Fazit:
"Boston Strangler" ist ein authentisch inszenierter True
Crime-Journalisten-Krimi, der dem Fall des titelgebenden
Serienmörders formatbedingt nicht gerecht werden kann, aber dank
einer starken Besetzung und eines guten letzten Drittels dennoch
überzeugt.
Wertung:
7 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen