Regie: Morten Tyldum, Drehbuch: Graham Moore, Musik:
Alexandre Desplat
Darsteller:
Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Matthew Beard, Charles
Dance, Mark Strong, Allen Leech, Rory Kinnear, James Northcote, Steven
Waddington, Alex Lawther, Jack Bannon, Tuppence Middleton
FSK: 12, Dauer: 114 Minuten.
Als Großbritannien in den Zweiten Weltkrieg eingreift,
bewirbt sich der junge Mathematiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch, "12 Years a Slave") um eine Stelle als "Codeknacker" beim
Militär. Da sich der hochintelligente, aber im sozialen Umgang nicht
eben einfache Alan beim Vorstellungsgespräch bei Commander Denniston (Charles
Dance, "Dracula Untold") allzu großspurig verhält, hätte er
eigentlich keine Chance – doch im letzten Moment kann er den Commander doch
davon überzeugen, ihn einzustellen. Alan wird Teil einer kleinen Gruppe,
die unter höchster Geheimhaltung die als unantastbar geltende Nazi-Verschlüsselungsmaschine "Enigma"
knacken soll. Während die anderen einen eher direkten Ansatz wählen, kapselt
sich Alan ab und will im Alleingang eine "Universalmaschine" entwickeln, die Enigma gewachsen ist. Dank der Unterstützung des Geheimdienstchefs Menzies
(Mark Strong, "The Guard") kann sich Alan vorerst durchsetzen und
noch einige zusätzliche Leute in das Team holen, von denen sich vor allem die
Studentin Joan (Keira Knightley, "Can a Song Save Your Life?") als wichtige
Verstärkung erweist – zumal sich der notorische Außenseiter Alan der als brillante Frau in
einer von Männern dominierten Gesellschaft klar Benachteiligten emotional verbunden fühlt …
Kritik:
Eingefleischten Science Fiction-Fans ist Alan Turing seit Jahrzehnten bekannt als Schöpfer des "Turing-Tests" zur
Beurteilung Künstlicher Intelligenz. Daß Turing nicht nur ein Computer-Pionier
war, sondern auch nicht weniger als ein echter Kriegsheld, wurde erst in den
1970er Jahren offenbar, als die Geheimhaltung bezüglich seiner Aktivitäten
als Codeknacker während des Zweiten Weltkrieges aufgehoben wurde. Seine Arbeit
war jedoch nicht das einzige an Alan Turings Leben, das filmreif war – leider
traf dies auch auf seinen Tod zu. Denn Turing war homosexuell zu einer Zeit,
als dies (nicht nur) in Großbritannien noch strafbar war. Als er vor Gericht
vor die Wahl zwischen einer Gefängnisstrafe und einer chemischen Kastration
gestellt wurde, entschied er sich für letztere – jedoch nicht ahnend, daß zu den
Nebenwirkungen der Behandlung schwere Depressionen zählten, die den Einzelgänger letztlich im Alter von nur 41 Jahren in den Selbstmord trieben.
Erst Weihnachten 2013 und damit fast 60 Jahre nach seinem Tod wurde Alan Turing
von der Queen begnadigt und somit vollkommen rehabilitiert (im Gegensatz zu
rund 49.000 weiteren zu jener Zeit wegen ihrer Homosexualität verurteilten
Briten – "The Imitation Game"-Hauptdarsteller Cumberbatch zählt zu
den Unterstützern einer Petition für ihre kollektive Rehabilitierung). Als
überzeugter Gegner jeglicher Art von Diskriminierung macht mich schon ganz
allgemein die Vorstellung krank, wie viele Leben noch vor wenigen Jahrzehnten
in Europa und Amerika durch bloße staatliche Willkür, Ignoranz und Heuchelei
zerstört wurden (ganz zu schweigen davon, daß es in vielen Regionen der
Welt noch immer der Fall ist); in Turings Fall kommt der Gedanke
erschwerend hinzu, welche wissenschaftlichen Leistungen dieser brillante Geist
bis zu seinem natürlichen Lebensende noch hätte erbringen können. Der
norwegische Regisseur Morten Tyldum ("Headhunters") setzt Alan Turing
mit "The Imitation Game" ein gelungenes Denkmal, das sich allerdings
vorwiegend auf seine Tätigkeiten während des Krieges konzentriert.
Dementsprechend ist der Haupthandlungsstrang von Tyldums
Film jener, in dem Turing und seine Kollegen versuchen, die deutsche Enigma-Maschine
zu entschlüsseln. Das ist eine Thematik, die im Kino nicht ganz neu ist, unter
anderem befaßte sich damit Michael Apteds Robert Harris-Adaption "Enigma –
Das Geheimnis" aus dem Jahr 2001, in der Kate Winslet und Dougray Scott
die Hauptrollen spielten. Auch das US-Kino widmete sich ein Jahr zuvor Enigma mit Jonathan
Mostows U-Boot-Thriller "U-571" (2000). Doch obwohl beide Filme ihre
Stärken haben, stehen eher die Thriller-Elemente im
Vordergrund. "The Imitation Game"-Autor Graham Moore setzt in seinem Haupthandlungsstrang
dagegen ganz auf die tatsächlichen Entschlüsselungsversuche. Das mag nach einem
sehr trockenen, potentiell langweiligen Stoff für einen Film klingen, doch
Moore sorgt in seinem vortrefflichen Drehbuch dafür, daß das Publikum während
der zwei Stunden niemals das Interesse verliert. Primär liegt das natürlich an
der zentralen Figur des Alan Turing, der als ein Exzentriker vor dem Herrn dargestellt wird (der möglicherweise unter dem Asperger-Syndrom litt) – was Benedict Cumberbatch, der
ja bereits seinen "Sherlock" in der gleichnamigen britischen TV-Reihe nicht unähnlich angelegt hat,
ausgezeichnet spielt. Dieser Alan Turing ist wahrlich kein einfacher Mensch,
aufgrund seiner Direktheit auch kein netter Mensch, was anfänglich zu
zahlreichen Spannungen mit seinen neuen Kollegen führt. Moore bringt das
mit scharfzüngigen Dialogen zur Geltung, die zwar mitunter Alans ebenfalls sehr
talentierte Mitstreiter übertrieben dumm dastehen lassen, dafür aber mit einem
Schuß typisch britischen Humors stets unterhaltsam daherkommen.
Selbstredend reichen bloße Kabbeleien oder auch mal
handfeste Streitigkeiten alleine nicht aus, um einen OSCAR-reifen Film zu
schaffen. Das berücksichtigt Moore, indem er nicht den Fehler begeht, sich zu stark auf Turing zu konzentrieren, sondern auch den Nebenfiguren genügend Raum
gibt. Zugegeben, die beiden "Vertreter der Obrigkeit" – der eher als
Antagonist eingesetzte Commander Denniston und der undurchschaubare
Geheimdienstchef Menzies – sind kaum mehr als Stereotype, wobei vor allem
Denniston aus (nur bedingt nachvollziehbaren) dramaturgischen Gründen
ziemlich schlecht wegkommt: Nach und nach scheint es so, als wäre es Denniston
tatsächlich wichtiger, Turing loszuwerden, als den Krieg zu gewinnen; und das
wirkt dann nicht mehr allzu glaubwürdig. Doch die Darstellung dieser beiden
Figuren durch zwei Könner, wie es Charles Dance und Mark Strong unbestritten
sind, sorgt dafür, daß man wohlwollend über die kleinen Mängel hinwegsieht. Bei
Alans Kollegen in Sachen Enigma-Entschlüsselung ist das zum Glück nicht nötig,
die sind nämlich sehr authentisch gezeichnet. Vor allem Matthew Goode
("Stoker") als anfänglicher Leiter der Gruppe Hugh Alexander gibt den
gutaussehenden, hochintelligenten Bonvivant ausgesprochen überzeugend, den mit
Alan zunächst lediglich eine herzliche Antipathie verbindet, ehe sie durch das gemeinsame
Ziel doch langsam zueinanderfinden. Und dann ist da noch Keira Knightley,
die wie Cumberbatch für einen Academy Award nominiert wurde (insgesamt gab es acht OSCAR-Nominierungen für "The Imitation Game"). Eine verdiente
Ehre, denn Cumberbatch und Knightley harmonieren hervorragend als verwandte
Seelen, die durch ihre gesellschaftliche Außenseiterstellung und ihre
überragende Intelligenz verbunden sind. Ihre Beziehung, deren konkreter Status
sich immer mal wieder ändert, ist keineswegs komplett harmonisch, sondern sie
hat – wie in der Realität – ihre Höhen und Tiefen. Die emotionale Verbindung
zwischen Alan und Joan wirkt so jederzeit glaubwürdig, wobei ich vor allem Joans
"Liebeserklärung" gegen Ende ungemein ergreifend finde. Bei der gelingt es
Knightley zu den einfühlsamen Klängen der Musik von Alexandre Desplat ("Philomena"), eine
ganze Kaskade von Gefühlen in wenigen, dafür umso intensiver vorgetragenen
Worten zu vermitteln – von der Scheu vor Zurückweisung über die
herzliche platonische Freundschaft zu Alan bis hin zu der leicht verzweifelten Furcht vor
dauerhafter Einsamkeit in einer Welt, in der jemand wie Joan Clark eigentlich
(noch) keinen Platz hat. Was auf Alan Turing natürlich ebenso oder sogar noch stärker zutrifft.
Während also die Figurenzeichnung und die Darstellung der
Versuche, Enigma zu knacken (trotz einiger kreativer Freiheiten sowie
einer gegen Ende unnötigen Häufung unglaubwürdiger Zufälle), zu den
großen Stärken von "The Imitation Game" zählen, funktionieren manche
andere Elemente nicht ganz so gut. Das betrifft vor allem die beiden zusätzlichen
Zeitebenen, die den zentralen Storyfaden ergänzen, dabei aber bei weitem nicht
mit der gleichen Sorgfalt behandelt werden. Bei den Rückblicken in Alans
Kindheit ist das zu verkraften – die sollen einfach nur zeigen, warum Alan zu
dem verschlossenen, im Zusammenleben mit anderen Menschen nicht wirklich
geschulten Mann geworden ist, der er ist. Wenn man ganz streng ist, kann
man den entsprechenden Sequenzen sicherlich eine allzu vereinfachende Psychologie
vorwerfen, doch innerhalb der Handlung erfüllt diese frühe und recht kurz
abgehandelte Zeitebene ihren Zweck anstandslos. Etwas diffiziler sieht es beim dritten Handlungsstrang aus: Im Jahr 1951 ermittelt Detective Nock (Rory
Kinnear, "Skyfall") wegen eines Einbruchs in Turings Wohnung. Da sich
der inzwischen zum Cambridge-Professor aufgestiegene Alan (wie üblich) sehr
abweisend und arrogant verhält, mutmaßt Detective Nock, er könne ein
sowjetischer Spion sein, und bringt mit seinen Ermittlungen ungewollt Turings
Homosexualität ans Licht. Angesichts der Tragweite dieser Geschehnisse
hätte ich mir definitiv gewünscht, daß sie intensiver beleuchtet worden wären.
Stattdessen belassen es Regisseur Tyldum und Drehbuch-Autor Moore bei einer eher oberflächlichen Abhandlung (wenngleich
immerhin, wie im gesamten Film, geschickt beiläufig einige von Turings
Leistungen eingeflochten werden, speziell der bereits angesprochene
Turing-Test). Ich kann nur vermuten, daß sich die Filmemacher lieber mehr auf
den positiven Aspekt des unwahrscheinlichen Kriegshelden konzentrieren
wollten als auf den deprimierenden seiner willkürlichen Zugrunderichtung unter
kompletter Ignoranz seiner herausragenden Leistungen. Natürlich ist das, auch
aus der kommerziellen Perspektive betrachtet, absolut nachvollziehbar; trotzdem finde ich es schade.
Fazit: "The Imitation Game – Ein streng geheimes
Leben" ist ein einfühlsames, vortrefflich gespieltes Porträt eines exzentrischen
großen Denkers, dem von einer vorurteilsbelasteten Gesellschaft trotz seiner
gewaltigen Verdienste in Wissenschaft und Krieg kein glückliches Leben gestattet
wurde – was allerdings im Film etwas zu kurz abgehandelt wird.
Wertung: 8,5 Punkte.
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