Regie und Drehbuch: Christopher Nolan, Musik: Ludwig Göransson
Darsteller: John
David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Sir Kenneth
Branagh, Dimple Kapadia, Aaron Taylor-Johnson, Himesh Patel, Yuri
Kolokolnikov, Clémence Poésy, Fiona Dourif, Martin Donovan, Wes
Chatham, Jack Cutmore-Scott, Matthew Marsden, Jeremy Theobald, Josh
Stewart (Stimme), Tom Nolan, Sir Michael Caine
FSK: 12, Dauer: 150
Minuten.
Als auf die Oper in
Kiew während einer Vorstellung ein Terroranschlag verübt wird,
greift eine Einsatztruppe der CIA ein. Chaos bricht aus und
die Sache endet mit dem vermeintlichen Tod des namenlos bleibenden
Anführers (John David Washington, "Ein Gauner & Gentleman")
der CIA-Agenten. Jedoch wacht dieser wenig später wieder auf und
wird von der mysteriösen Priya (Bollywood-Star Dimple Kapadia) für
eine hochgradig brisante Geheimoperation namens "Tenet"
rekrutiert, die über nicht weniger als die Zukunft der Menschheit
entscheiden soll. Die befindet sich nämlich, unbemerkt von der
Öffentlichkeit, unter einer Attacke aus der Zukunft! Dort wird
irgendwann eine Technologie entwickelt, die Objekte invertiert –
alles bewegt sich rückwärts und somit sind (auf umständliche
Art und Weise) Zeitreisen möglich. Als Schlüssel dazu, den Angriff
aus der Zukunft abzuwehren, wird der russische
Oligarch Andrei Sator (Sir Kenneth Branagh, "Tod auf dem Nil")
betrachtet. Also versucht der Protagonist – wie der CIA-Agent nur
genannt wird – gemeinsam mit seinem neuen Kollegen Neil (Robert
Pattinson, "Die versunkene Stadt Z"), über Sators Gattin Kat (Elizabeth Debicki, "Widows") an ihn
heranzukommen. Doch die ganze Angelegenheit entpuppt sich als noch
viel komplizierter als gedacht ...
Kritik:
Der
britisch-amerikanische Filmemacher Christopher Nolan hat seine Werke
seit jeher gerne auf ein bestimmtes, einprägsames Gimmick
begründet. Am offensichtlichsten war das beim rückwärts erzählten
"Memento", doch auch bei "Insomnia" mit seinem
unter Schlaflosigkeit leidenden Protagonisten, den Traumwelten
von "Inception" oder dem SciFi-Drama "Interstellar"
(dessen Gimmick zu benennen ein Spoiler wäre) war es deutlich zu
erkennen. Bei "Tenet" fällt das zentrale Gimmick
besonders dominant aus, wobei gerade zu "Inception"
einige Parallelen bestehen. Es gibt nur ein nicht unerhebliches
Problem: Die Sache mit der Invertierung und den Zeitreisen in "Tenet"
ist so kompliziert, daß ich sie bis zum Schluß nicht
wirklich verstanden habe. Nun bieten sich dafür primär zwei
Erklärungen an: Entweder bin ich zu doof, um Nolans Drehbuch zu
verstehen – oder es ergibt einfach tatsächlich keinen Sinn.
Naheliegenderweise neige ich zu letzterer These (zumal
mich schon "normale" ernstgemeinte Zeitreise-Filme wegen des unauflösbaren Zeitreisen-Paradoxons häufig nerven), aber sollte ich
wirklich zu doof sein, um Nolan zu verstehen, dann wäre ich
wahrscheinlich auch zu doof, um zu erkennen, daß ich zu doof bin …
Die Frage muß für mich also unbeantwortet bleiben, aber ich bin mir
sehr sicher, daß dieser Film nicht nur mich ziemlich ratlos
zurücklassen wird. Insofern mag "Tenet" ein Fest für
Rätselfreunde sein, aber vor allem dürfte Nolans Werk wohl jene
Zuschauer erfreuen, die einfach nur einen gut gemachten und
mit spektakulären Szenen nicht geizenden Actionfilm mit
hochkarätiger Besetzung sehen wollen, ohne großartig über Sinn
oder Unsinn der Story nachzudenken. Zu diesen Gruppen gehöre ich
jedoch nicht, weshalb "Tenet" für mich die erste echte
Enttäuschung aus Nolans Hand und Feder ist.
Bei
Filmen von Christopher Nolan gibt es einige Elemente, auf die man
sich verlassen kann. Das beginnt mit einer namhaften und passend
ausgewählten Besetzung (zu der seit "Batman Begins" stets Sir Michael Caine zählt), setzt sich fort mit
originellen, cleveren Story-Einfällen und endet mit aufwendigen,
großartig und einfallsreich in Szene gesetzten Actionsequenzen, die
auf so wenig Computereffekte setzen wie möglich. All dies ist auch
bei "Tenet" vorhanden, wenngleich die Besetzung vielleicht
nicht ganz so starlastig ausfällt wie sonst zumeist. Doch Denzel
Washingtons Sohn John David Washington macht seine Sache in seiner
erst zweiten großen Hollywood-Hauptrolle (nach Spike Lees
"BlacKkKlansman") ausgezeichnet und er gibt einen ebenso
toughen wie mitfühlenden Actionhelden ab, der zudem gut mit Robert
Pattinsons etwas humorvollerem Neil sowie Elizabeth Debickis
schöner Kunstexpertin Kat harmoniert. Auf der anderen Seite glänzt
Shakespeare-Mime Sir Kenneth Branagh einmal mehr als sinistrer
Bösewicht und auch die kleineren Rollen sind passend besetzt. Keine
Beschwerden also in dieser Hinsicht – jedoch fällt auf, daß
Nolans Drehbuch sich bedauerlicherweise so stark auf das "invertierte Zeitreisen"-Gedöns und die brachialen
Actionsequenzen konzentriert, daß die Figurenzeichnung (und
in der Folge die emotionale Greifbarkeit für das Publikum) darunter nicht
unerheblich leidet. Auch im Vergleich zu früheren Nolan-Werken
bleiben die Hauptfiguren einem recht fremd; daß wir nicht einmal den Namen von Washingtons
Protagonisten erfahren, ist so gesehen durchaus
passend.
Im
Zentrum von "Tenet" stehen jedoch ganz eindeutig die
Zeitreisen-Spielereien und hier ganz besonders ihr Einfluß auf die
zahlreichen Actionsequenzen. Die fallen bei Christopher Nolan ja
häufig atemberaubend aus und reizen die Grenzen des technisch Möglichen aus – und das ist bei "Tenet" nicht anders.
Bereits der Prolog in der Kiewer Oper beeindruckt, doch anschließend
legt Christopher Nolan richtig los. Die Flugzeugcrash-Sequenz
und die Hochgeschwindigkeits-Autoverfolgungsjagd sind bis ins letzte
Detail durchchoreographiert und lassen das Publikum mit der Fülle an Ereignissen kaum zum Durchatmen kommen, zumal ob der
angemessen wuchtigen musikalischen Untermalung durch Ludwig Göransson
("Black Panther"). So sieht handwerkliche Perfektion aus!
Das eigentliche Finale fällt dagegen relativ
unspektakulär aus, außerdem rücken hier Nolans
existentialistisch-philosophische Gedankengänge rund um das
Zeitreisen-Gimmick wieder stärker in den Vordergrund, was –
jedenfalls für mich – leider auch die in vielerlei Hinsicht
fehlende Logik betont. Kann man das ausblenden, ist "Tenet"
fraglos ein beeindruckender Hollywood-Blockbuster, den man möglichst
auf der großen Leinwand sehen sollte. Kann man es nicht, ist er eine
mindestens kleine Enttäuschung.
Fazit:
Christopher Nolans "Tenet" beeindruckt mit bombastischen,
brillant choreographierten Actionsequenzen und einem starken Ensemble,
verwirrt jedoch gleichzeitig mit seinem extrem komplizierten bis
nervigen "invertierte Zeitreisen"-Gimmick.
Wertung:
6 Punkte (8, wenn man den Verstand ausschalten kann).
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