Originaltitel: No Time to Die
Regie: Cary Joji
Fukunaga, Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga,
Phoebe Waller-Bridge, Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Daniel
Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Ralph Fiennes, Lashana Lynch,
Jeffrey Wright, Ben Whishaw, Naomie Harris, Rory Kinnear, Ana de
Armas, Christoph Waltz, David Dencik, Billy Magnussen, Dali
Benssalah, Lisa Dorah-Sonnet
Rotten Tomatoes: 83% (7,4); weltweites Einspielergebnis: $774,2 Mio.
FSK: 12, Dauer: 164
Minuten.
Nachdem sein
Erzfeind Blofeld (Christoph Waltz, "Django Unchained")
selbst vom Gefängnis aus noch einmal zugeschlagen hat, hat
sich James Bond (Daniel Craig, "Glass Onion") von seiner
großen Liebe Madeleine Swann (Léy Seydoux, "The French Dispatch")
getrennt, beim britischen Geheimdienst MI6 gekündigt und sich nach
Jamaika zurückgezogen, wo er seinen Ruhestand genießt. Fünf Jahre später wird Bonds Idylle
gestört, als sein alter CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright,
"The Ides of March") ihn um Hilfe bei einer Mission auf
Kuba bittet, die mit Blofelds Spectre-Organisation zusammenhängt.
Nachdem Bond seine MI6-Nachfolgerin als 007, Nomi (Lashana
Lynch, "Captain Marvel"), kennengelernt hat, die ihn vor
einem Eingreifen warnt, sagt er Felix zu und macht sich auf den Weg
nach Kuba, wo er mit der unerfahrenen Agentin Paloma (Ana de
Armas, "Blade Runner 2049") zusammenarbeiten soll. Die Mission
verläuft nicht wirklich nach Plan, woraufhin sich Bond schließlich
auf den Weg nach London macht, um sich mit seinen alten Kollegen um
MI6-Chef Mallory (Ralph Fiennes, "The King's Man") zu
treffen – denn ein neuer Bösewicht namens Lyutsifer Safin (Rami
Malek, "Bohemian Rhapsody") hat ein streng geheimes Projekt von Mallory gekapert und plant, dieses zu einer Massenvernichtungswaffe
umzugestalten ...
Kritik:
Es werden sich niemals
alle einig sein, welcher der bislang sechs (offiziellen) James
Bond-Darsteller der beste ist. Die meisten setzen wahrscheinlich
immer noch auf den Ur-Bond Sean Connery, aber auch Roger Moore und Pierce
Brosnan haben viele Anhänger und selbst die kurzen "Amtszeiten"
von George Lazenby und Timothy Dalton haben in der Rückschau einiges
an Wertschätzung gewonnen. Einer Sache dürften sich aber wirklich
(fast) alle einig sein: Die Ära Daniel Craig war für das
altehrwürdige Bond-Franchise eine prägende. Craig als
grimmiger "No-Nonsense-Bond" mit nur dezenten Humoranflügen
(aber einer überraschend romantischen Note) hat die in der
späten Brosnan-Phase gegen Konkurrenz wie die "Jason
Bourne"-Filme doch etwas altbacken wirkende Reihe buchstäblich
ins 21. Jahrhundert geholt – wobei man argumentieren kann, daß
das bereits in den 1980er Jahren mit Daltons nicht ganz unähnlicher Darstellung
versucht wurde, nur war man da offensichtlich seiner Zeit
voraus. Belohnt wurde die Modernisierung, die eine stärkere
serielle Komponente beinhaltet, mit Rekord-Zuschauerzahlen und vor
allem -Einspielergebnissen. Gerade in den USA erreichten die fünf
Craig-Filme eine unerwartete Popularität, aber auch in Deutschland
haben lediglich zwei frühe Connery-Bonds ("Goldfinger" und
"Feuerball") mehr Zuschauer in die Kinos gelockt als die
gut 7,8 Millionen von "Skyfall", dem unumstrittenen
qualitativen Höhepunkt der Craig-Ära. Es ist möglich, daß
Craigs Abschiedsvorstellung mit "Keine Zeit zu sterben" dies
noch übertrumpft hätte, dummerweise kam jedoch die
Corona-Pandemie dazwischen, weshalb "Keine Zeit zu sterben" nach mehreren Verschiebungen im
Herbst 2021 "nur" noch sechs Millionen Kinogänger
erreichte. Wobei das zum Teil sicher auch damit zusammenhängt, daß
der bereits in der Vorproduktion nicht ganz problembefreite Film – der erst von "Trainspotting"-Regisseur
Danny Boyle inszeniert werden sollte, was aber an den obligatorischen
"kreativen Differenzen" scheiterte, woraufhin Cary Joji
Fukunaga ("Jane Eyre") übernahm – qualitativ leider nur
phasenweise überzeugen kann.
"Keine Zeit zu
sterben" beginnt mit einem für die Bond-Reihe äußerst
ungewöhnlichen Prolog. Kein actionreiches Mini-Abenteuer diesmal,
sondern eine vergleichsweise ruhige Reise in die Vergangenheit (und
das gleich in mehrfacher Hinsicht). Das ist ein interessanter
Auftakt, der aber für mich nur mittelprächtig funktioniert.
Einerseits gehören die kleinen, aber spektakulären Mini-Abenteuer
im Prolog einfach zur Reihe dazu und ohne ein solches fühlt es sich
irgendwie falsch an. Noch wichtiger ist andererseits, daß mit
diesem nostalgischen Einstieg Erwartungen geweckt werden, welche im
Rest der rund zweieinhalbstündigen Laufzeit kaum erfüllt werden.
Angesichts der stark ausgeprägten seriellen Komponente der Craig-Ära
hatte ich fest damit gerechnet und mich darauf
gefreut, daß Bonds Vergangenheit in Craigs Abschiedsfilm eine
wichtige Rolle spielen würde. Und ansatzweise ist das auch der Fall,
denn für Bond wichtige Figuren wie Vesper Lynd aus "Casino
Royale" oder die von Judi Dench verkörperte frühere M werden
zumindest erwähnt und neben Bonds MI6-Kollegen tauchen mit Felix
Leiter, Blofeld und Madeleine Swann weitere prägende Personen aus
den vorangegangenen Filmen auf. Jedoch spielen diese – bis auf
Madeleine – letztlich nur Nebenrollen, sodaß eine richtig
nostalgische Atmosphäre nie so richtig aufkommen will.
Generell
ist es das wohl größte Problem von "Keine Zeit zu sterben",
daß die Nebenfiguren allesamt zu kurz kommen. Angesichts der Länge
des Films sollte man meinen, daß es nicht so schwierig wäre,
zumindest einigen von ihnen gerecht zu werden, aber das gelingt den
gleich vier Drehbuch-Autoren kaum. Am unglücklichsten ist das
beim Haupt-Antagonisten Safin, der sich in der langen
Geschichte der Bond-Bösewichte hinsichtlich der Denkwürdigkeit
zweifellos irgendwo im unteren Drittel einordnet. Das ist weniger die
Schuld von Darsteller Rami Malek als die der Autoren, die Safin
überhaupt erst nach einer Stunde offiziell einführen und ihm auch
anschließend nicht genügend Screentime verschaffen, um nachhaltig
Eindruck zu hinterlassen – zumal seine Motivation denkbar
einfallslos ist. Auch die übrigen Charaktere leiden darunter, daß
sie zu wenig zu tun bekommen. Das schließt die Neuzugänge ein,
was besonders schade ist, da diese beträchtliches Potential
offenbaren. Vor allem die CIA-Agentin Paloma ist in ihren vielleicht
zehn Minuten im Film ein echtes Highlight; Ana de Armas gelingt es
selbst in dieser kurzen Zeit, der unerfahrenen und zunächst etwas
tollpatschig erscheinenden, im Einsatz aber sehr beeindruckenden
jungen Frau so viel Profil zu verleihen, daß man unbedingt mehr von
ihr sehen möchte. Ähnliches gilt für Lashana Lynchs Nomi, die
immerhin eine größere Rolle spielt, aber nach vielversprechendem
Einstand im finalen Drittel doch arg in den Hintergrund rückt.
Über
zwei Drittel von "Keine Zeit zu sterben" hinweg sind diese
Schwächen gar kein so großes Problem, da sich die Story zunächst
interessant und relativ unvorhersehbar präsentiert und das
Erzähltempo hoch genug ist, daß nie Langeweile aufkommt. Zudem
sind erwartungsgemäß die Actionsequenzen hochprofessionell und
unterhaltsam umgesetzt und erfreulicherweise stimmt auch die Balance
zwischen den actionreichen und den ruhigeren Momenten. Das ändert
sich bedauerlicherweise im Showdown auf einer der politisch
umstrittenen Kurilen-Inseln zwischen Russland und Japan, in dem die
Geschichte fast komplett fallengelassen wird zugunsten von
Nonstop-Action. Die ist in dieser Phase leider noch nicht einmal
sonderlich originell gestaltet und es erscheint eher unpassend, wenn Bond in bester John Wick-Manier Dutzende von
Safins Schergen abfertigt. Man könnte es sogar ziemlich öde nennen.
Zwar ist dieses gewaltreiche Finale für Bond emotional stark
aufgeladen, aber das alles macht einen ziemlich alibihaften Eindruck
und die Logik spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Es wirkt,
als hätten die Autoren zwar gewußt, wie die Craig-Ära enden soll, jedoch ernsthafte Probleme damit gehabt, den Weg zum gewünschten
Finale interessant auszugestalten. Und so endet "Keine Zeit zu
sterben" zwar mit einem Knall und
beschert Craigs James Bond zumindest kein unwürdiges Ende – davon, auf dem Höhepunkt aufzuhören, kann allerdings leider keine Rede
sein. Doch natürlich wird James Bond zurückkehren – in welcher
Gestalt, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, aber ich bin
sicher, daß die Produzenten wieder eine gute Wahl treffen werden.
Interessanter finde ich eigentlich die Frage, ob es einen kompletten
Neustart geben wird oder ob man zumindest ein paar der etablierten
und sympathischen Nebenfiguren behalten wird – am
wahrscheinlichsten dürfte das bei Ralph Fiennes' M sein (immerhin
war seine Vorgängerin Judi Dench auch die einzige, die den Sprung
von der Brosnan- in die Craig-Ära schaffte), aber ich würde auch
Ben Whishaw als Q oder Naomie Harris als Moneypenny vermissen.
Fazit:
"Keine Zeit zu sterben" ist ein guter Actionfilm, ein
durchschnittliches Bond-Abenteuer und eine letztlich etwas
enttäuschende Abschiedsvorstellung für Hauptdarsteller Daniel
Craig.
Wertung:
7 Punkte.
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