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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 9. Februar 2023

KEINE ZEIT ZU STERBEN (2021)

Originaltitel: No Time to Die
Regie: Cary Joji Fukunaga, Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge, Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Ralph Fiennes, Lashana Lynch, Jeffrey Wright, Ben Whishaw, Naomie Harris, Rory Kinnear, Ana de Armas, Christoph Waltz, David Dencik, Billy Magnussen, Dali Benssalah, Lisa Dorah-Sonnet
No Time to Die (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 83% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $774,2 Mio.
FSK: 12, Dauer: 164 Minuten.
Nachdem sein Erzfeind Blofeld (Christoph Waltz, "Django Unchained") selbst vom Gefängnis aus noch einmal zugeschlagen hat, hat sich James Bond (Daniel Craig, "Glass Onion") von seiner großen Liebe Madeleine Swann (Léy Seydoux, "The French Dispatch") getrennt, beim britischen Geheimdienst MI6 gekündigt und sich nach Jamaika zurückgezogen, wo er seinen Ruhestand genießt. Fünf Jahre später wird Bonds Idylle gestört, als sein alter CIA-Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright, "The Ides of March") ihn um Hilfe bei einer Mission auf Kuba bittet, die mit Blofelds Spectre-Organisation zusammenhängt. Nachdem Bond seine MI6-Nachfolgerin als 007, Nomi (Lashana Lynch, "Captain Marvel"), kennengelernt hat, die ihn vor einem Eingreifen warnt, sagt er Felix zu und macht sich auf den Weg nach Kuba, wo er mit der unerfahrenen Agentin Paloma (Ana de Armas, "Blade Runner 2049") zusammenarbeiten soll. Die Mission verläuft nicht wirklich nach Plan, woraufhin sich Bond schließlich auf den Weg nach London macht, um sich mit seinen alten Kollegen um MI6-Chef Mallory (Ralph Fiennes, "The King's Man") zu treffen – denn ein neuer Bösewicht namens Lyutsifer Safin (Rami Malek, "Bohemian Rhapsody") hat ein streng geheimes Projekt von Mallory gekapert und plant, dieses zu einer Massenvernichtungswaffe umzugestalten ...

Kritik:
Es werden sich niemals alle einig sein, welcher der bislang sechs (offiziellen) James Bond-Darsteller der beste ist. Die meisten setzen wahrscheinlich immer noch auf den Ur-Bond Sean Connery, aber auch Roger Moore und Pierce Brosnan haben viele Anhänger und selbst die kurzen "Amtszeiten" von George Lazenby und Timothy Dalton haben in der Rückschau einiges an Wertschätzung gewonnen. Einer Sache dürften sich aber wirklich (fast) alle einig sein: Die Ära Daniel Craig war für das altehrwürdige Bond-Franchise eine prägende. Craig als grimmiger "No-Nonsense-Bond" mit nur dezenten Humoranflügen (aber einer überraschend romantischen Note) hat die in der späten Brosnan-Phase gegen Konkurrenz wie die "Jason Bourne"-Filme doch etwas altbacken wirkende Reihe buchstäblich ins 21. Jahrhundert geholt – wobei man argumentieren kann, daß das bereits in den 1980er Jahren mit Daltons nicht ganz unähnlicher Darstellung versucht wurde, nur war man da offensichtlich seiner Zeit voraus. Belohnt wurde die Modernisierung, die eine stärkere serielle Komponente beinhaltet, mit Rekord-Zuschauerzahlen und vor allem -Einspielergebnissen. Gerade in den USA erreichten die fünf Craig-Filme eine unerwartete Popularität, aber auch in Deutschland haben lediglich zwei frühe Connery-Bonds ("Goldfinger" und "Feuerball") mehr Zuschauer in die Kinos gelockt als die gut 7,8 Millionen von "Skyfall", dem unumstrittenen qualitativen Höhepunkt der Craig-Ära. Es ist möglich, daß Craigs Abschiedsvorstellung mit "Keine Zeit zu sterben" dies noch übertrumpft hätte, dummerweise kam jedoch die Corona-Pandemie dazwischen, weshalb "Keine Zeit zu sterben" nach mehreren Verschiebungen im Herbst 2021 "nur" noch sechs Millionen Kinogänger erreichte. Wobei das zum Teil sicher auch damit zusammenhängt, daß der bereits in der Vorproduktion nicht ganz problembefreite Film – der erst von "Trainspotting"-Regisseur Danny Boyle inszeniert werden sollte, was aber an den obligatorischen "kreativen Differenzen" scheiterte, woraufhin Cary Joji Fukunaga ("Jane Eyre") übernahm – qualitativ leider nur phasenweise überzeugen kann.

"Keine Zeit zu sterben" beginnt mit einem für die Bond-Reihe äußerst ungewöhnlichen Prolog. Kein actionreiches Mini-Abenteuer diesmal, sondern eine vergleichsweise ruhige Reise in die Vergangenheit (und das gleich in mehrfacher Hinsicht). Das ist ein interessanter Auftakt, der aber für mich nur mittelprächtig funktioniert. Einerseits gehören die kleinen, aber spektakulären Mini-Abenteuer im Prolog einfach zur Reihe dazu und ohne ein solches fühlt es sich irgendwie falsch an. Noch wichtiger ist andererseits, daß mit diesem nostalgischen Einstieg Erwartungen geweckt werden, welche im Rest der rund zweieinhalbstündigen Laufzeit kaum erfüllt werden. Angesichts der stark ausgeprägten seriellen Komponente der Craig-Ära hatte ich fest damit gerechnet und mich darauf gefreut, daß Bonds Vergangenheit in Craigs Abschiedsfilm eine wichtige Rolle spielen würde. Und ansatzweise ist das auch der Fall, denn für Bond wichtige Figuren wie Vesper Lynd aus "Casino Royale" oder die von Judi Dench verkörperte frühere M werden zumindest erwähnt und neben Bonds MI6-Kollegen tauchen mit Felix Leiter, Blofeld und Madeleine Swann weitere prägende Personen aus den vorangegangenen Filmen auf. Jedoch spielen diese – bis auf Madeleine – letztlich nur Nebenrollen, sodaß eine richtig nostalgische Atmosphäre nie so richtig aufkommen will.

Generell ist es das wohl größte Problem von "Keine Zeit zu sterben", daß die Nebenfiguren allesamt zu kurz kommen. Angesichts der Länge des Films sollte man meinen, daß es nicht so schwierig wäre, zumindest einigen von ihnen gerecht zu werden, aber das gelingt den gleich vier Drehbuch-Autoren kaum. Am unglücklichsten ist das beim Haupt-Antagonisten Safin, der sich in der langen Geschichte der Bond-Bösewichte hinsichtlich der Denkwürdigkeit zweifellos irgendwo im unteren Drittel einordnet. Das ist weniger die Schuld von Darsteller Rami Malek als die der Autoren, die Safin überhaupt erst nach einer Stunde offiziell einführen und ihm auch anschließend nicht genügend Screentime verschaffen, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen – zumal seine Motivation denkbar einfallslos ist. Auch die übrigen Charaktere leiden darunter, daß sie zu wenig zu tun bekommen. Das schließt die Neuzugänge ein, was besonders schade ist, da diese beträchtliches Potential offenbaren. Vor allem die CIA-Agentin Paloma ist in ihren vielleicht zehn Minuten im Film ein echtes Highlight; Ana de Armas gelingt es selbst in dieser kurzen Zeit, der unerfahrenen und zunächst etwas tollpatschig erscheinenden, im Einsatz aber sehr beeindruckenden jungen Frau so viel Profil zu verleihen, daß man unbedingt mehr von ihr sehen möchte. Ähnliches gilt für Lashana Lynchs Nomi, die immerhin eine größere Rolle spielt, aber nach vielversprechendem Einstand im finalen Drittel doch arg in den Hintergrund rückt.

Über zwei Drittel von "Keine Zeit zu sterben" hinweg sind diese Schwächen gar kein so großes Problem, da sich die Story zunächst interessant und relativ unvorhersehbar präsentiert und das Erzähltempo hoch genug ist, daß nie Langeweile aufkommt. Zudem sind erwartungsgemäß die Actionsequenzen hochprofessionell und unterhaltsam umgesetzt und erfreulicherweise stimmt auch die Balance zwischen den actionreichen und den ruhigeren Momenten. Das ändert sich bedauerlicherweise im Showdown auf einer der politisch umstrittenen Kurilen-Inseln zwischen Russland und Japan, in dem die Geschichte fast komplett fallengelassen wird zugunsten von Nonstop-Action. Die ist in dieser Phase leider noch nicht einmal sonderlich originell gestaltet und es erscheint eher unpassend, wenn Bond in bester John Wick-Manier Dutzende von Safins Schergen abfertigt. Man könnte es sogar ziemlich öde nennen. Zwar ist dieses gewaltreiche Finale für Bond emotional stark aufgeladen, aber das alles macht einen ziemlich alibihaften Eindruck und die Logik spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Es wirkt, als hätten die Autoren zwar gewußt, wie die Craig-Ära enden soll, jedoch ernsthafte Probleme damit gehabt, den Weg zum gewünschten Finale interessant auszugestalten. Und so endet "Keine Zeit zu sterben" zwar mit einem Knall und beschert Craigs James Bond zumindest kein unwürdiges Ende – davon, auf dem Höhepunkt aufzuhören, kann allerdings leider keine Rede sein. Doch natürlich wird James Bond zurückkehren – in welcher Gestalt, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, aber ich bin sicher, daß die Produzenten wieder eine gute Wahl treffen werden. Interessanter finde ich eigentlich die Frage, ob es einen kompletten Neustart geben wird oder ob man zumindest ein paar der etablierten und sympathischen Nebenfiguren behalten wird – am wahrscheinlichsten dürfte das bei Ralph Fiennes' M sein (immerhin war seine Vorgängerin Judi Dench auch die einzige, die den Sprung von der Brosnan- in die Craig-Ära schaffte), aber ich würde auch Ben Whishaw als Q oder Naomie Harris als Moneypenny vermissen.

Fazit: "Keine Zeit zu sterben" ist ein guter Actionfilm, ein durchschnittliches Bond-Abenteuer und eine letztlich etwas enttäuschende Abschiedsvorstellung für Hauptdarsteller Daniel Craig.

Wertung: 7 Punkte.
 
 
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