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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 2. Juni 2022

DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS (3D, 2022)

Regie: Sam Raimi, Drehbuch: Michael Waldron, Musik: Danny Elfman
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Elizabeth Olsen, Rachel McAdams, Benedict Wong, Xochitl Gomez, Chiwetel Ejiofor, Patrick Stewart, John Krasinski, Lashana Lynch, Hayley Atwell, Anson Mount, Sheila Atim, Adam Hugill (Stimme), Michael Stuhlbarg, Bruce Campbell, Julian Hilliard, Jett Klyne, Topo Wresniwiro, Ross Marquand (Stimme), Michael Waldron, Charlize Theron
Doctor Strange in the Multiverse of Madness (2022) on IMDb Rotten Tomatoes: 74% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $955,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 126 Minuten.
Eigentlich dachte Doctor Strange (Benedict Cumberbatch, "The Power of the Dog") ja, nach seinen jüngsten Abenteuern mit Spider-Man wäre die Konfrontation mit dem Multiversum vorbei – weit gefehlt! Ausgerechnet während der Hochzeit von Stranges großer Liebe Dr. Christine Palmer (Rachel McAdams, "Game Night") – mit einem anderen Mann – erscheint ein riesiges Seemonster in New York und sorgt für Chaos. Offenbar hat das Monster namens Gargantos es auf eine Jugendliche abgesehen, die Strange zu seinem Erstaunen aus seinen (Alp-)Träumen wiedererkennt! Gemeinsam mit dem Obersten Zauberer Wong (Benedict Wong, "Prometheus") gelingt es Strange letztlich, die Kreatur zu besiegen. Es stellt sich heraus, daß sie aus einem anderen Universum kam, ebenso wie ihr Ziel. America Chavez (Xochitl Gomez, TV-Serie "Der Babysitter-Club") verfügt nämlich über die Fähigkeit, zwischen den Universen zu reisen – nur kann sie die Fähigkeit leider (noch) nicht kontrollieren. Da Gargantos durch Hexerei beeinflußt war, sucht Strange Rat bei der einzigen Hexe, die erkennt: Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen, "Godzilla"). Was er nicht ahnt: Die immer noch vom Tod von Vision im Kampf gegen Thanos schwer traumatisierte Wanda war es, die Gargantos America auf die Spur gesetzt hat, da sie America ihre Kraft abnehmen und für sich nutzen will, um in ein Universum zu gelangen, in dem ihre beiden Kinder mit Vision real und am Leben sind ...

Kritik:
Einer der entscheidenden Faktoren für den anhaltenden riesigen Erfolg des Marvel Cinematic Universe ist bekanntlich, daß die einzelnen Filme (zumeist) so eng miteinander verwoben sind, daß man sich als Fan irgendwann beinahe zwangsläufig wie ein Mitglied dieser großen und ein wenig dysfunktionalen Superhelden-Familie fühlt. Diesem Erfolgsrezept wohnt allerdings auch eine gewisse Gefahr inne, denn für Quereinsteiger wird es immer schwieriger, in dieses Comic-Filmuniversum hereinzufinden – und erst einmal über 20 Filme nachzuholen, wird auch nicht jeder auf sich nehmen wollen. Bisher funktioniert es aber offensichtlich noch einwandfrei, selbst die große Zäsur nach Phase 3 mit dem Sieg über Thanos mitsamt der Verabschiedung etlicher Heroen der ersten Stunde in "Avengers: Endgame" hat dem MCU nicht geschadet, auch die Corona-Pandemie wurde einigermaßen schadlos überstanden – vermutlich auch deshalb, weil der hauseigene Streamingdienst Disney+ es jedem Interessierten denkbar einfach macht, für vergleichsweise geringes Geld verpaßte Filme nachzuholen. Trotzdem ist es bemerkenswert, daß Marvel-Mastermind Kevin Feige die internen Verbindungen nun sogar noch ausbaut, indem "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" als erster MCU-Vertreter direkt auf einer der Disney+-exklusiven Serien aufbaut, nämlich auf "WandaVision". Zwar achtet Drehbuch-Autor Michael Waldron – der mit "Loki" bereits für eine andere populäre Disney+-Serie verantwortlich zeichnete – darauf, daß der Film auch ohne "WandaVision"-Vorkenntnisse gut verständlich ist; wenn man die Serie jedoch gesehen hat, wird man speziell Wandas Beweggründe erheblich besser nachvollziehen können. Doch Fakt ist: Auch diese Erweiterung der MCU-Formel auf die Serien funktioniert mit dem ersten Versuch, denn "Doctor Strange 2" ist ein weiterer globaler Monsterhit.

Für die Regie heuerte Marvel diesmal nicht eine relativ unbekannte, junge Person an, sondern mit Sam Raimi, dem Regisseur der "Spider-Man"-Trilogie mit Tobey Maguire, einen Branchen- und Genreveteranen. Raimi ersetzt Scott Derrickson, der nach dem sehr gelungenen "Doctor Strange" eigentlich auch die Fortsetzung inszenieren sollte, sich aufgrund der obligatorischen kreativen Differenzen aber verabschiedete. Gemeinsam mit Raimi wurde Waldron als Drehbuch-Autor verpflichtet, der dem Projekt eine neue Richtung gab (die ursprünglich geplante Handlung hätte wohl stärker an den ersten Teil und dessen Mordo-Cliffhanger angeschlossen und nichts mit dem Multiversum zu tun gehabt). Raimis Einfluß ist dem Film deutlich anzusehen, und das ist eine gute Sache, denn von einem Sam Raimi braucht man keinen konventionellen Film zu erwarten. Glücklicherweise ließ Marvel Raimi offensichtlich weitgehend freie Hand, was dieser nutzte, um zahlreiche herrlich schräge Einfälle umzusetzen und "Doctor Strange 2" die bislang mit Abstand stärksten Horrorelemente des MCU zu injizieren. Das führte in den USA sogar zu Diskussionen über die Altersfreigabe, während es in Deutschland bei der üblichen FSK 12-Freigabe blieb, die Raimi aber ziemlich ausreizt. Auch auf einen klassischen Spannungsbogen legen Raimi und Waldron wenig Wert, stattdessen beginnen sie einfach mit einem typischen, episch inszenierten Endkampf zwischen Doctor Strange, America und Gargantos – der sich wenig später als vermeintlicher Alptraum entpuppt. Nur um sich dann durch den Übergang von America und Gargantos in "unser" Universum (MCU-Erde 616) in abgewandelter Form gleich zu wiederholen. Nein, zu Atem kommen läßt uns "Doctor Strange 2" in den ersten Minuten so gut wie gar nicht. Zugegebenermaßen ist diese Vorgehensweise nicht ganz unproblematisch, denn nach diesen frühen Adrenalinschüben fällt die Spannung erst einmal ab und obwohl die Story ein unglaublich hohes Tempo hält und dabei eine beeindruckende, teilweise erfreulich innovative Actionsequenz an die nächste reiht, fehlt es auf Dauer doch ein wenig an echten Höhepunkten – der Spannungsbogen ist eben eher eine Zickzacklinie, deren Ausschläge in der Höhe nicht allzu sehr voneinander abweichen.

Es ist ja generell ein Problem etlicher MCU-Vertreter (und im Grunde genommen fast aller Big Budget-Superhelden-Filme), daß die Handlung meist zulasten der Action zu kurz kommt, und "Doctor Strange 2" ist hierfür ein Paradebeispiel. Die atemlose Hatz von Actionhöhepunkt zu Actionhöhepunkt läßt die sehr dünne Kernhandlung zwar fast vergessen, aber eben nur fast. Zum Glück gibt es mit Benedict Cumberbatch und Elizabeth Olsen gleich zwei herausragende Hauptdarsteller, denen es auch mit wenigen ruhigen Szenen und Dialogen gelingt, ihren Figuren und deren emotionalem Zwiespalt Authentizität und Gewicht zu verleihen. Gerade Olsen glänzt als Wanda aka Scarlet Witch, die eigentlich seit ihrem Einstieg ins MCU wahrscheinlich mehr Leid erfahren mußte als all ihre Mit-Avengers (wir erinnern uns: gleich bei ihrem ersten großen Auftritt in "Avengers: Age of Ultron" verlor sie ihren Bruder) und deren Trauma und Leid, deren Getriebenheit bis an den Rand des Wahnsinns – und vielleicht auch darüber hinaus – sie mit einer Intensität verkörpert, daß man ihren Schmerz als Zuschauer regelrecht mitfühlt. Vor allem gilt das, wenn man "WandaVision" gesehen hat, denn ansonsten kommt die Sache mit ihren magisch erzeugten Kindern wohl zu sehr aus dem Nichts, um ihre ganze emotionale Wirkung zu erzielen.

Trotz des von mir kritisierten Spannungsbogens gibt es sehr wohl einen großen Höhepunkt, der für viel Gesprächsstoff gesorgt hat – allerdings nicht unbedingt inhaltlich, sondern wegen seiner Besetzung. Denn bei der Flucht auf die MCU-Erde 838 treffen Strange und America (die von Newcomerin Gomez sympathisch verkörpert wird) auf die Illuminati, die so etwas wie deren Variante der Avengers sind. Dabei gibt es einige für Fans spektakuläre Gastauftritte bekannter Gesichter (sowie eines Neulings), die ich an dieser Stelle schweren Herzens nicht spoilern will. Nur so viel: Die Bandbreite dieser angemessen episch in Szene gesetzten Gastauftritte ist beachtlich und umfaßt sogar den Protagonisten einer selbst unter Marvel-Fans wenig beliebten und sehr kurzlebigen TV-Serie, der sich aber nahtlos einfügt. Auch gewisse Verbindungen zur animierten Disney+-Serie "What if …" gibt es und natürlich hat das Ganze ein bißchen was von "Was wäre, wenn dieser Superheld gegen jenen kämpfen würde"-Fan Fiction, aber Sam Raimi macht mit seiner ganzen Routine das Beste daraus. Eine erfreulich große Rolle spielt übrigens Christine Palmer, deren Darstellerin Rachel McAdams laut eigener Aussage überrascht war, überhaupt wegen einer Rückkehr angefragt zu werden. Aber man hat sie sinnvoll in die Story integriert und ihre Rolle ist wahrscheinlich sogar größer und wichtiger als im Vorgänger. Dann gibt es natürlich noch den beliebten Wong, der dank Thanos inzwischen Oberster Zauberer ist (Strange war ja fünf Jahre lang "weg") und diese Rolle sichtlich genießt, sie aber auch sehr kompetent ausfüllt. Die zahlreichen Kampf- und Actionsequenzen sind derweil wie gewohnt erstklassig gemacht und profitieren hier zusätzlich davon, daß Raimis alter Weggefährte Danny Elfman ("Hellboy 2") seinen besten Score seit Jahren abliefert und gerade die Horrorelemente mit einfallsreichen und atmosphärisch stimmigen Melodien untermalt. Was man bei allem Lob in Sachen Unterhaltsamkeit und Fanservice definitiv an "Doctor Strange 2" kritisieren muß, das ist und bleibt die Handlung. So wichtig der Film speziell für die Entwicklung von Wanda ist, ändert sich im MCU letztlich nur wenig und der sowieso noch sehr diffuse Kernplot von Phase 4 bleibt undeutlich – so langsam müßte sich da wirklich mal etwas tun! Auch ist es schade, daß Stranges Rivale Mordo durch die Multiversums-Story zwar nicht komplett vergessen wird, aber stark an den Rand rückt (in "unserer" MCU-Erde 616 taucht er gar nicht auf). Seine Geschichte ist definitiv noch nicht auserzählt und es bleibt zu hoffen, daß man sie nicht doch irgendwann einfach fallen läßt. Spannend bleibt natürlich auch, wie es mit dem Multiversum weitergeht ...

Fazit: "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" kann mit der selbst für Genreverhältnisse sehr dünnen Story nicht glänzen, überzeugt dafür aber mit den gewohnten MCU-Stärken, zwei exzellenten Hauptdarstellern, einer erfreulich ungezügelten Inszenierung sowie spektakulären Gastauftritten.

Wertung: Knapp 8 Punkte.

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