Regie: Gareth Edwards, Drehbuch: Max Borenstein, Musik:
Alexandre Desplat
Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Bryan Cranston, Elizabeth
Olsen, Ken Watanabe, Juliette Binoche, David Strathairn, Sally Hawkins, Richard
T. Jones, Carson Bolde, Al Sapienza, Victor Rasuk, Ty Olsson
Philippinen, 1999: Bei Bergbauarbeiten
wird versehentlich eine riesige prähistorische Kreatur geweckt, die von den Wissenschaftlern Muto genannt wird und sich von
Radioaktivität "ernährt". Folgerichtig macht sich das nach seinem sehr langen Tiefschlaf hungrige Geschöpf
direkt zur nächsten angemessenen Radioaktivitäts-Quelle auf: ein Atomkraftwerk
in Japan, in dem Dr. Joe Brody (Bryan Cranston, "Contagion", TV-Serie
"Breaking Bad") und seine Frau Sandra (Juliette Binoche, "Der
englische Patient") arbeiten. Während ihr kleiner Sohn Ford von der Schule
aus zusieht, wird das Atomkraftwerk vollständig zerstört, was viele Tote in der
Anlage zur Folge hat. 15 Jahre später ist der inzwischen erwachsene Ford (Aaron
Taylor-Johnson, "Kick-Ass") ein mit Krankenschwester Elle (Elizabeth Olsen, "Kill Your Darlings") glücklich
verheirateter Experte für Bombenentschärfungen bei der US Navy, während sein Vater Joe,
der das damalige Unglück überlebt hat, immer noch in Japan lebt und versucht,
seine Theorie zu beweisen, daß es kein Erdbeben war, das seine frühere
Arbeitsstätte zerstört hat. Keiner will ihm Glauben schenken – bis der Muto
wieder erwacht, sich durch den Pazifik Richtung USA aufmacht und außerdem
scheinbar weitere Kreaturen zu sich ruft, darunter ein gigantisches Echsenwesen
…
Kritik:
Als 1954 der erste "Godzilla"-Film (im Original:
"Gojira") von Ishirō Honda in die japanischen Kinos kam, erwartete
wohl niemand, daß der durch Radioaktivität mutierten Riesenechse ein derart langes
Filmleben bevorstehen würde. Doch die Mischung aus aufregendem
Monster-Katastrophenfilm und atmosphärisch stimmiger metaphorischer Aufarbeitung der
Atombomben-Abwürfe über Hiroshima und Nagasaki gerade einmal neun Jahre zuvor
traf einen Nerv in der japanischen Bevölkerung, und so folgten in den nächsten 60 Jahren fast
30 weitere Werke, bis auf Roland Emmerichs eher mißglückte Version aus dem
Jahr 1998 mit einem zum Leidwesen der Fans komplett neu designten Godzilla
allesamt aus Japan. Nun folgt mit einem weiteren Reboot durch den jungen britischen Regisseur
Gareth Edwards – für den das $160 Mio. teure Projekt einen gewaltigen Schritt
nach vorne nach seinem Low Budget-Debüt "Monsters" (2010) darstellt –
der zweite außerjapanische Versuch. Und der funktioniert erheblich besser, weil
er sich der Tradition (und des ikonischen Aussehens) des Kultmonsters bewußt ist und sie mit reichlich inhaltlichen Anspielungen ehrt (gerade der
Atomkraft-Aspekt wird nicht vernachlässigt, schließlich ist das Unglück von Fukushima noch
nicht lange her), zugleich aber die Handlung an heutige Sehgewohnheiten anpaßt
und in Sachen Kreaturendesign und Spezialeffekte in die Vollen geht. Die
nachträgliche 3D-Konvertierung bietet allerdings wieder einmal kaum Mehrwert, deutlich effektiver gestaltet sich der Einsatz des modernen Soundsystems Dolby
Atmos.
Als eine gute Idee des Storyschöpfers David Callaham
("The Expendables") – das eigentliche Drehbuch stammt von Newcomer
Max Borenstein – erweist es sich früh, daß Godzilla anders als bei Emmerichs
Version nicht wieder als reiner Antagonist verwendet wird, was wohlgemerkt
ebenfalls der Tradition der Reihe folgt. Denn während Godzilla im
Originalfilm und bei Emmerich der alles zerstörende Gegenspieler der
Menschheit ist, der unbedingt mit allen Mitteln gestoppt werden muß,
zollten die japanischen Fortsetzungen schnell der Popularität Godzillas beim
Publikum Tribut und ließen die Kreatur zum Beschützer der Menschheit vor
anderen Monstern avancieren. Was ganz nebenbei auch noch das Problem löste, daß
man die Geschichte einer Riesenechse, die alles zerstört und am Ende vom
Militär besiegt wird, nicht in allzu vielen Variationen erzählen kann. Daß
Gareth Edwards bereits im ersten Film seines Reboots (dem anders als bei
Emmerich mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Teile folgen werden) auf dieses
Stilmittel zurückgreift, ist überraschend, funktioniert aber gut. Die Erwartungen des
Publikums werden auf diese Art und Weise ausgekontert, man erspart sich das
Bemühen, irgendeinen albernen Storykniff zu finden, um in der Fortsetzung das
vermeintlich tote Geschöpf wieder zu "reanimieren" – und vor allem kann man
die technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen, indem man nicht nur ein
gigantisches Monster präsentiert, sondern gleich mehrere, die gegeneinander
kämpfen. Und das ist doch viel spaßiger und spektakulärer als der immer gleiche
David-gegen-Goliath-Konflikt zwischen den Menschen und den Launen der Natur …
Das soll natürlich nicht heißen, daß die Menschen hier
Godzilla von Anfang an ausgelassen zujubeln. Zwar vermutet der Wissenschaftler
Dr. Serizawa (Ken Watanabe, "Batman Begins") – der übrigens einer der Protagonisten im Originalfilm war, womit wir wieder beim Ehren der Tradition der Reihe wären –, daß Godzilla von der
Natur auserkoren wurde, ein Gleichgewicht zu wahren, indem er andere
prähistorische Riesen-Überbleibsel erledigt. Verständlicherweise kommt
diese bloße Theorie beim von Admiral William Stenz (David Strathairn, "Das Bourne Vermächtnis") geführten Militär aber nicht allzu gut an. "Lieber
gleich alle Monster vernichten als zusehen und hoffen, daß sich schon alles von
selber regeln wird", so lautet Stenz' durchaus nachvollziehbare Devise,
die aber wenig überraschend alles nur noch schlimmer zu machen droht. Damit
bleibt der neue "Godzilla" auch in dieser Hinsicht der Tradition
treu, was sich jedoch als nur bedingt begrüßenswert entpuppt. Denn diese Art
von Handlungsstrang hat man einfach schon zu oft in zu vielen Monsterfilmen
gesehen, als daß sie noch irgendwie Spannung erzeugen könnte. Daß Aaron
Taylor-Johnson in der von Zerstörung geprägten zweiten Filmhälfte eine passable Identifikationsfigur des Publikums innerhalb der Militärreihen abgibt,
ist hilfreich, löst aber keineswegs alle Probleme.
Das größte dieser Probleme ist eindeutig, daß die
"Menschenpassagen" bei weitem nicht mit den
"Monsterpassagen" mithalten können. Während alles, was mit den fabelhaft designten Kreaturen zu tun hat, absolut phantastisch ist und mit
einer epischen Bildkomposition nach der nächsten begeistert, sind die
Sequenzen, in denen die Menschen im Zentrum stehen, ziemlich mittelmäßig
ausgefallen. Angesichts der bemerkenswert langen Exposition, in der die Familie
Brody in aller Ausführlichkeit vorgestellt wird, ehe es überhaupt richtig zur
Sache geht, ist es schon erstaunlich, wie wenig Eigenleben die meisten Schauspieler ihren Figuren einhauchen können. Taylor-Johnson gelingt das einigermaßen, Bryan Cranston
erwartungsgemäß sogar sehr gut, auch Ken Watanabe bringt den empathischen
Wissenschaftler überzeugend rüber; dafür sind die Frauenrollen ebenso prominent
besetzt wie sie komplett verschenkt sind. Ob Juliette Binoche als Fords Mutter,
Elizabeth Olsen als seine Ehefrau oder Sally Hawkins ("Blue Jasmine")
als Dr. Serizawas Kollegin Vivienne Graham – alle drei sind kaum mehr als bloße
Stichwortgeber. Daß das Skript zudem klischeetriefende und unglaubwürdige
Storyschlenker – natürlich müssen kurz vor dem Showdown ausgerechnet auf einer vom
Militär zur Angriffsbasis bestimmten Brücke einige Schulbusse im Stau
stecken bleiben, in denen selbstverständlich auch Ford Brodys kleiner Sohn
festsitzt – und Logikfehler (Elle Brody kommt nicht auf die Idee, bei ihrem
Smartphone den reinen Vibrationsalarm abzustellen, während sie verzweifelt auf
ein Lebenszeichen ihres Gatten wartet, und verpaßt deshalb natürlich seinen
Anruf) enthält, kann einen sogar richtig ärgern. Nun mag der ein oder andere
einwenden, daß bei Guillermo del Toros "Pacific Rim" schlimmere
Ungereimtheiten vorkamen, die mich viel weniger gestört haben. Das ist
richtig, dafür gibt es aber auch einen guten Grund: "Pacific Rim" war sehr
offensichtlich als trashiges (Big Budget-)B-Movie angelegt; da stören solche Fehler
nicht, sie gehören eigentlich sogar fast dazu. Gareth Edwards präsentiert den Zuschauern
dagegen einen betont realistisch gehaltenen "Godzilla", und da nerven
solche Mängel, die sich im Showdown zunehmend häufen, einfach. Mich zumindest. Schon
deshalb, weil sie so komplett überflüssig sind und leicht zu vermeiden gewesen
wären.
Trotzdem will ich keineswegs zu sehr auf diesen Mängeln herumreiten. Die Schwächen des Drehbuchs und die rudimentäre Figurenzeichnung ärgern
mich zwar, sie machen aus "Godzilla" aber selbstverständlich keinen
schlechten Film. Denn entscheidend sind in einem Godzilla-Film
nunmal nicht die kleinen Menschlein mit ihren dicken Wummen, sondern die
Monster. Und die sind, da kann ich mir nur wiederholen, absolut episch
ausgefallen und werden von Gareth Edwards sehr effektiv eingesetzt (wobei
Godzilla selbst gar nicht so viele Szenen hat). Die Musik, die zu ihren Auftritten
erklingt, hätte übrigens für meinen Geschmack ruhig noch ein wenig
bombastischer ausfallen können, um der Urwucht dieser Kreaturen vollauf gerecht zu
werden, aber ansonsten hat der eher für verspielte Melodien zu
Literaturverfilmungen bekannte Komponist Alexandre Desplat
("Philomena", "Der fantastische Mr. Fox") gute Arbeit
geleistet.
Fazit: "Godzilla" ist eine würdige Neuinterpretation
des japanischen Kultmonsters, die zwar in den "Menschen-Passagen" mit
unnötigen Klischees und Logikfehlern nervt, in den Kreaturen-Sequenzen aber
nicht weniger als episch ist. Und darauf kommt es bei einem Monsterfilm
schließlich an.
Wertung: 8 Punkte.
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