Originaltitel: Black '47
Regie:
Lance Daly, Drehbuch: P.J. Dillon, Pierce Ryan und Lance Daly, Musik: Brian
Byrne
Darsteller:
James Frecheville, Hugo Weaving, Freddie Fox, Stephen Rea, Barry Keoghan, Jim
Broadbent, Sarah Greene, Moe Dunford,
Aidan McArdle, Dermot Crowley, Antonia Campbell-Hughes
FSK: 12, Dauer: 100 Minuten.
Irland, 1847: Nachdem er unter anderem in Afghanistan in der britischen Armee gedient hat, ist Martin Feeney (James Frecheville,
"Königreich des Verbrechens") schließlich desertiert, um in seine
irische Heimat zurückzukehren. Dort herrscht eine gewaltige Hungersnot,
nachdem die Kartoffelernte durch die Kartoffelfäule nahezu komplett ausfiel.
Die britischen Besatzer lassen sich von der existentiellen Not der
Landbevölkerung aber nicht beeindrucken, weshalb Feeney erfahren muß, daß seine
Mutter und sein Bruder starben, nachdem sie aus ihrem kleinen Haus geworfen
wurden. Als unmittelbar nach Martins Ankunft auch seine mittellose
Schwägerin Ellie (Sarah Greene, "The Guard") und ihre Kinder obdachlos zu werden drohen,
will er eingreifen – woraufhin die Situation endgültig eskaliert. Fortan sinnt
der vom Krieg sowieso desillusionierte und abgehärtete, dabei äußerst fähige
Ex-Soldat auf blutige Rache an allen, die er für den Tod seiner Familie
verantwortlich macht. Kurz nach Beginn seines Rachefeldzugs setzen die Briten
den in Ungnade gefallenen Veteranen Hannah (Hugo Weaving, "Cloud
Atlas") auf Feeney an, der Feeney aus Afghanistan kennt.
Gemeinsam mit dem arroganten unerfahrenen Offizier Pope (Freddie Fox, "King
Arthur: Legend of the Sword"), dem noch jüngeren Gefreiten Hobson (Barry
Keoghan, "Dunkirk") sowie dem ortskundigen Führer Conneely (Stephen
Rea, "Stuck") macht sich Hannah, wenn auch eher widerwillig, auf die
Jagd nach seinem früheren Kameraden …
Kritik:
Es gibt Schauspieler, die haben in etlichen richtig guten
Filmen und/oder Blockbustern große Rollen gespielt und trotzdem nie einen
großen Bekanntheitsgrad außerhalb der eingefleischten Filmfans erreicht. Patrick
Wilson wird gerne als ein Beispiel genannt, der so unterschiedliche
Werke wie "Little Children", "Watchmen", "Insidious",
"Conjuring", "Aquaman" oder "Midway" veredelte,
aber irgendwie trotzdem kein richtiger Star ist. Ein ähnlich guter Vertreter dieser nur bedingt beneidenswerten Kategorie ist
Stephen Rea: Trotz Hauptrollen in zwei Kultfilmen ("The Crying Game"
und "V wie Vendetta") sowie weiteren sehenswerten Auftritten in
"Die Zeit der Wölfe", "Interview mit einem Vampir",
"Michael Collins", "Still Crazy", "Das Ende einer Affäre",
"Blackthorn" oder "Underworld: Awakening" hält sich die Bekanntheit
des Iren außerhalb der britischen Inseln in ziemlich engen Grenzen. Das ist
sehr bedauerlich, denn wie Wilson ist auch Stephen Rea ein guter und
vielseitiger Schauspieler, der für jeden Film ein Gewinn ist. Umso schöner, daß
er in seiner Heimat im Jahr 2018 eine größere Rolle in dem aufwendigen, deutlich
vom US-Western inspirierten Historienfilm "Black 47" von Lance Daly
("Das Leben ist ein Kinderspiel") erhielt, der sich im Rahmen einer
ziemlich klassischen Rache-Story mit der schlimmen Hungersnot in Irland Mitte
des 19. Jahrhunderts während der britischen Besatzung befaßt. Sonderlich tiefgründig ist das nicht und auch
nicht allzu originell, sorgt aber für gut 90 Minuten Spannung mit
stimmiger Western-Atmsophäre.
Neben der Western-Inszenierung in ungewohntem Setting
zeichnet sich "Black 47" vor allem durch einen ziemlich
ungewöhnlichen Wechsel des Schwerpunkts im Verlauf aus. Denn in der ersten
Hälfte begleiten wir primär Martin bei seiner wenig erbaulichen Heimkehr auf
die (ob der Umstände nicht mehr ganz so) Grüne Insel und beim Beginn
seines brutalen Rachefeldzuges gegen die so skrupel- wie mitleidlosen
britischen Besatzer und ihre irischen Verbündeten. So richtig gut lernen wir
den – wie so viele klassische Western-(Anti-)Helden von Clint Eastwood oder Lee Van Cleef – schweigsamen Martin
dabei nicht kennen, doch ist das, was ihm, seiner Familie und vielen anderen
aus der irischen Landbevölkerung widerfährt, dermaßen ungerecht und empörend,
daß wir schnell auf seiner Seite stehen und selbst die extreme Härte seiner
Gegenschläge nachvollziehen können. Zum Sympathieträger taugt der von James
Frecheville angemessen kantig gespielte Martin dennoch nicht wirklich, was
vielleicht auch der Grund dafür ist, daß "Black 47" in der zweiten
Hälfte fast komplett in die Perspektive von Martins Häscher wider Willen
wechselt. Zwar ist Hannah ebenfalls weit von einem klassischen Helden entfernt, doch
funktioniert sein moralischer Kompaß noch einigermaßen und er wird vom Australier
Hugo Weaving so charismatisch verkörpert, daß man ihn trotz seiner Fehler
irgendwie mag. Zudem hat er mit dem von Stephen Rea gespielten Führer und
Übersetzer Conneely diejenige Figur an seiner Seite, die mit flapsigen Kommentaren
immer wieder etwas Humor einbringt und Hannah damit auch ein wenig in die
richtige Richtung schubst. Dieser Perspektivwechsel geht ziemlich ruppig
vonstatten und fühlt sich Feeney gegenüber etwas ungerecht an, funktioniert
insgesamt aber ganz ordentlich.
Grundsätzlich sind allerdings sowohl Martin Feeney als auch
Hannah trotz der gelegentlichen Hinweise auf die gemeinsame Vergangenheit
nicht wirklich gut ausgearbeitet und überzeugen daher vor allem wegen der
guten schauspielerischen Leistungen. Noch weit eindimensionaler sind
die Bösewichte wie der arrogante Gutsherr Lord Kilmichael (Jim
Broadbent, "Brooklyn") oder der brutale Sergeant Fitzgibbon (Moe
Dunford, TV-Serie "Vikings") gezeichnet, doch gibt es glücklicherweise zwei Nebenfiguren, die mit vielen Grautönen eigentlich sogar interessanter
ausfallen als die beiden zentralen Protagonisten. Dabei handelt es sich um Hannahs
Begleiter Pope und Hobson. Zu Beginn sind beide überzeugte Royalisten, die hart
gegen Feeney und andere irische Aufrührer vorgehen wollen; doch was sie während
ihrer Reise sehen und erleben, verändert beide und bringt sie zum Zweifeln an
ihrer Mission, wobei die Zweifel unterschiedlich stark ausgeprägt sind und
sehr verschiedene Konsequenzen zeitigen. Die Entwicklung dieses ungleichen Duos
im Verbund mit der realistischen Darstellung dieser schreiend ungerechten
historischen Ära mit Auswirkungen bis in unsere Gegenwart ist jedenfalls das
Spannendste an "Black 47" und hätte ruhig noch etwas stärker
ausgearbeitet werden dürfen (wenn man schon bei Feeney und Hannah nicht so
richtig in die Tiefe gehen wollte). Das gilt umso mehr, als der letzte Akt des
Films sich bedauerlicherweise in ziemlich generischer Action erschöpft, die dem
insgesamt gelungenen und trotz kleinerer Mängel stimmigen Aufbau der Story
nicht gerecht wird. Trotzdem: Insgesamt ist Lance Daly ein sehenswertes
Abenteuer gelungen, das vor allem Western- und Historienfilm-Fans zu empfehlen
ist.
Fazit: "Black 47" ist ein grimmiger
Rache-Western im Gewand eines irischen Historienfilms, der vor allem mit Stimmung und Besetzung überzeugt, inhaltlich aber nicht alles richtig macht.
Wertung: 7 Punkte.
Bei
Gefallen an meinem
Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger"
mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den
Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der
rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen