Regie: Roland Emmerich, Drehbuch: Wes Tooke, Musik: Harald
Kloser und Thomas Wanker
Darsteller: Ed Skrein, Patrick Wilson, Luke Evans, Dennis
Quaid, Woody Harrelson, Etsushi Toyokawa, Tadanobu Asano, Mandy Moore, Aaron
Eckhart, Alexander Ludwig, Darren Criss, Nick Jonas, Luke Kleintank, Keean
Johnson, Rachael Perrell Fosket, Jake Weber, Brennan Brown, David Hewlett, Mark
Rolston, James Carpinello, Geoffrey Blake, Jun Kunimura, Nobuya
Shimamoto, Peter Shinkoda, Annie Trousseau
Der Flugzeugträger U.S.S. Enterprise befindet sich unter der
Leitung von Vice Admiral "Bull" Halsey (Dennis Quaid, "Pandorum") im Dezember 1941 in relativer Nähe des amerikanischen
Flottenstützpunktes Pearl Harbor auf Hawaii, als dieser ohne Vorwarnung von den
Japanern angegriffen wird – als Folge treten die bis dahin offiziell neutralen
USA nun auch in den Zweiten Weltkrieg ein. Dem erfahrenen Admiral Nimitz (Woody
Harrelson, "Three Billboards …") wird das Kommando über die schwer
getroffene Pazifikflotte verliehen, in Zusammenarbeit mit dem Nachrichtenoffizier Edwin
Layton (Patrick Wilson, "Insidious") – der vor dem japanischen
Angriff gewarnt hatte, aber von Nimitz' Vorgänger ignoriert worden war – soll
er fortan die weiteren Angriffspläne der Japaner vorhersehen und im Idealfall
vereiteln. Nach einigen Scharmützeln auf hoher See ist Layton aufgrund
abgefangener, wenn auch codierter Nachrichten überzeugt, daß die Japaner als nächstes den
US-Vorposten auf den Midwayinseln attackieren werden. Nimitz stellt ihnen dort
eine Falle und so werden die zahlenmäßig und technisch überlegenen Japaner von allem
erwartet, was die Amerikaner auf die Schnelle zusammentreiben können – besonders
entscheidend wird der Einsatz der Kampfpiloten von der U.S.S. Enterprise, die
von Lieutenant Commander Wade McClusky (Luke Evans, "Die Schöne und das Biest") und Lieutenant Dick Best (Ed Skrein, "Deadpool")
angeführt werden …
Kritik:
Für mein Buch über "Die Darstellung des Krieges im US-amerikanischen Spielfilm" habe ich so ziemlich jeden auch nur
ansatzweise bedeutenden US-(Anti-)Kriegsfilm seit 1960 gesehen und analysiert, zudem viele aus der Zeit davor. Seitdem habe ich wenig überraschend ein
gewisses Faible für das Genre und bin immer gespannt, wie sich neue Vertreter
historisch und qualitativ einordnen lassen. Für den schwäbischen
Hollywood-Regisseur Roland Emmerich ist "Midway" der zweite Kriegsfilm nach dem während des amerikanischen
Unabhängigkeitskrieges im 18. Jahrhundert spielenden "Der Patriot"
(der in meinem Buch kaum eine Rolle spielt, da ich mich darin auf die Kriege des
20. Jahrhunderts konzentriere) – die beiden "Independence Day"-Filme gehören zwar streng genommen auch zum Genre, handeln aber bekanntlich nicht von einem tatsächlichen
historischen Konflikt. Emmerichs Inspirationsquellen dürften sich in erster
Linie in den 1960er und 1970er Jahren finden, als der Zweite Weltkrieg lang
genug in der Vergangenheit lag und zudem vom neuen "Kalten Krieg"
überschattet wurde, sodaß sich Hollywood auf eine zunehmend realistische und
ausgewogene Darstellung der Geschehnisse einlassen konnte. In Werken wie den
die europäischen Kriegsschauplätze beleuchtenden "Der längste Tag"
(1962) und "Die Brücke von Arnheim" (1977) sowie dem im Pazifikraum
spielenden "Tora! Tora! Tora!" (1970) wurden die Ereignisse von
mehreren Seiten beleuchtet, wobei teilweise sogar mehrere Regisseure für den
Dreh der Szenen der jeweiligen Kriegsparteien (in erster Linie die USA,
Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan) engagiert und diese – was für die
damalige Zeit sehr ungewöhnlich war – in der passenden Landessprache gedreht und für das Publikum untertitelt wurden. Emmerich hat sich für seinen Film keinen japanischen Koregisseur geholt, setzt aber ebenfalls auf eine annähernd
gleichberechtigte japanische Perspektive und verzichtet weitestgehend auf die in den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende übliche Dämonisierung
der Japaner. Ganz ohne Patriotismus und vor allem Pathos kommt er zwar nicht
aus, doch die Befürchtungen, welche der dümmlich-pathetische deutsche Untertitel
"Für die Freiheit" weckt, erweisen sich zum Glück als grundlos.
Zu Beginn wird dem Publikum per Texteinblendung versichert, alles, was in "Midway" gezeigt werde, sei tatsächlich so
passiert. Das entspricht in den Details wahrscheinlich nicht ganz der Wahrheit,
aber im Großen und Ganzen hält sich Emmerich in der Tat eng an die
historischen Geschehnisse, anders als etwa Jack Smights "Schlacht um
Midway" von 1976 setzen er und Drehbuch-Autor Wes Tooke (TV-Serie
"Colony") auch nicht auf fiktive Hauptfiguren, stattdessen sind
diese allesamt historisch verbürgte Personen. In dramaturgischer Hinsicht ist
dies nicht immer unproblematisch, da nur wenige Figuren wirklich mit Leben
erfüllt werden können, zumal das Ensemble sehr groß ist. Daß sich der Film
(anders als "Schlacht um Midway") nicht auf die titelgebende Schlacht
beschränkt – die nimmt erst nach ungefähr 80 Minuten ihren Lauf –, sondern zuvor
auch noch den Angriff auf Pearl Harbor und dessen Nachwehen schildert, läßt
noch weniger Raum für engagierte Figurenzeichnung. Im Grunde genommen ist Dick
Best, der zunächst als draufgängerischer, überheblicher Cowboy wie eine
fragwürdige Identifikationsfigur erscheint, aber in den annähernd zweieinhalb
Stunden eine deutliche, glaubwürdig dargestellte Wandlung durchläuft, die
einzige Person, zu der das Publikum eine nennenswerte emotionale Verbindung
aufbauen kann. Fast alle anderen bleiben letztlich Schablonen, weshalb es hilfreich ist, daß Emmerich die US-Rollen mit markanten
Schauspielern wie Woody Harrelson, Dennis Quaid, Patrick Wilson, Luke Evans,
Aaron Eckhart oder den Jungstars Nick Jonas ("Jumanji 2"),
Alexander Ludwig (TV-Serie "Vikings") und Darren Criss (TV-Serie
"American Crime Story") besetzt hat. Frauen spielen dagegen wie in so vielen
Kriegsfilmen nicht wirklich eine Rolle, die Einbindung der Gattinnen von
Best (Mandy Moore, "American Dreamz") und Layton (Rachael Perrell Fosket) in die Handlung wirkt
sehr alibihaft. Das Staraufgebot von "Der längste Tag" oder "Die
Brücke von Arnheim", in denen sich die Topstars ihrer Zeit die Klinke in
die Hand gaben, erreicht "Midway" nicht, trotzdem zählt die Besetzung
fraglos zu den Stärken des Films.
Daß man spektakuläre Action sehr wohl mit einer qualitativ ansprechenden Handlung und einer sorgfältigen
Figurenzeichnung verbinden kann, hat allen voran
Christopher Nolan mit "Dunkirk" bewiesen, der "Midway"
insgesamt meilenweit überlegen ist. Aber seien wir ehrlich: Von dem Regisseur von
"Independence Day" und "The Day After Tomorrow" dürfte sowieso
niemand ein OSCAR-verdächtiges Werk mit Tiefgang erwarten, sondern eher
ein spannendes und rasantes Actiongewitter. Und das liefert Roland Emmerich mit gewohnter
Zuverlässigkeit ab. Sowohl die Flugkampf- als auch die Schiffskampfszenen sind
von Kameramann Robby Baumgartner ("Die Tribute von Panem") aufregend
und (besonders bei den Sturzkampfbomber-Angriffen) immersiv gefilmt, man ist
jederzeit ganz nah dran am Geschehen – auch wenn die temporeiche Musik von
Emmerichs Stammkomponisten Harald Kloser und Thomas Wanker mitunter etwas
dick in Sachen Pathos aufträgt. Wobei das ganz allgemein für "Midway" gilt,
aber das wird bei einem Emmerich-Film ebenfalls niemanden überraschen und ein
bißchen Pathos ist bei einem Action-Kriegsfilm ja auch erlaubt. Das gilt umso
mehr, als Emmerich sich dafür beim Patriotismus einigermaßen zurückhält und,
wie bereits erwähnt, die Japaner erfreulich gleichwertig gestaltet. Zwar
spielen sie keine so große Rolle wie die Amerikaner, weil sich die japanischen
Szenen überwiegend auf die Befehlshaber – allen voran Admiral Yamamoto (Etsushi
Toyokawa, "Krieg der Dämonen") und Konteradmiral Tamon (Tadanobu Asano, "Der Mongole") – konzentrieren und die
einfachen Truppen nur am Rande beachten. Von der früher gewohnten Dämonisierung
ist jedoch fast keine Spur zu finden; lediglich einige Szenen mit dem auf dem
von den Japanern besetzten chinesischen Festland notgelandeten Lt. Col.
Doolittle (Aaron Eckhart, "Olympus Has Fallen") wirken wie Fremdkörper und so, als wären sie lediglich
eingefügt worden, um die chinesischen Geldgeber des Films zufriedenzustellen. Jedoch: Betrachtet man die historischen Ereignisse, ist es sehr wohl
gerechtfertigt, diese zu erwähnen, auch wenn es gerne weniger
plakativ hätte geschehen dürfen. Bei aller politischen Ausgewogenheit muß zudem eines klar festgehalten werden: "Midway" ist von einem Anti-Kriegsfilm
in etwa so weit entfernt wie Steven Seagal von einem OSCAR. Die Konsequenzen der
Kriegshandlungen für die Soldaten und ihre Angehörigen werden zwar wiederholt
betont und durchaus eindringlich gezeigt, ein klassisches "Krieg ist die
Hölle!"-Gefühl kommt aber niemals auf, stattdessen überwiegt – leicht
überspitzt formuliert – der Eindruck, der Krieg sei ein großer
Abenteuerspielplatz für echte Helden und solche, die gerne welche wären. Das
ist zumindest besser als platte Propaganda, wie man sie in den letzten Jahren
aus Hollywood wieder öfter vorgesetzt bekam (siehe "American Sniper"), und selbstredend ist es nicht verboten, sich gelegentlich auch von einem
anspruchslosen, aber handwerklich stark gemachten Action-Kriegsfilm unterhalten
zu lassen; gleichzeitig kann man sehr wohl darüber diskutieren, ob das gerade
in einer Zeit, in der weltweit der Nationalismus wieder zunimmt, wirklich die
beste Herangehensweise ist. Letzten Endes muß das jeder mit sich selbst ausmachen,
mir hat "Midway" jedenfalls trotz seiner nicht unerheblichen Mängel
erstaunlich viel Freude bereitet.
Fazit: "Midway – Für die Freiheit" ist ein
inhaltlich wenig anspruchsvoller, jedoch handwerklich umso überzeugenderer,
namhaft besetzter Action-Kriegsfilm, der glücklicherweise weitgehend auf
Propagandaelemente verzichtet.
Wertung: Gut 6,5 Punkte.
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