Originaltitel:
The Two Popes
Regie: Fernando Meirelles, Drehbuch: Anthony McCarten,
Musik: Bryce Dessner
Darsteller: Jonathan Pryce, Anthony Hopkins, Juan
Minujín, Luis Gnecco, Cristina Banegas, Sofia Mayra Cessak, María Ucedo, Germán
de Silva, Lisandro Fiks, Joselo Bella, Sidney Cole, Renato Scarpa, Achille
Brugnini, Federico Torre, Nicola Acunzo
FSK: 12, Dauer: 126 Minuten.
Im Jahr 2012 fliegt der argentinische Kardinal Jorge Bergoglio
(Jonathan Pryce, "Die Frau des Nobelpreisträgers") nach Rom, um Papst
Benedikt XVI. (Sir Anthony Hopkins, "Noah") um die Erlaubnis zu
bitten, von seinem Amt zurückzutreten. Der deutsche Papst, der im Vatikan zu dieser Zeit von
einigen Skandalen wie den sogenannten "Vatileaks"-Enthüllungen geplagt wird, lädt den Kardinal in die päpstliche Sommerresidenz Castel
Gandolfo ein, wo sie erstmals seit dem letzten Konklave sieben Jahre zuvor von Angesicht zu Angesicht
aufeinandertreffen. Dort war der reformwillige Jesuit Bergoglio unerwartet zum
einzigen echten Konkurrenten des betont konservativen und traditionsbewußten
damaligen Kardinals Ratzinger avanciert, der sich bei der Papstwahl dann aber
doch deutlich durchsetzte. Das Wiedersehen zwischen diesen beiden so unterschiedlichen
Gottesmännern führt rasch zu Spannungen, da ihre theologischen Ansichten
unverändert weit auseinanderliegen. Was Bergoglio nicht ahnt: Benedikt hat
bereits so gut wie beschlossen, in Kürze als Papst zurückzutreten – ein fast
einmaliger Vorgang in der Historie der katholischen Kirche! Was ihn noch
zurückhält, ist, daß Bergoglio sein wahrscheinlichster Nachfolger
wäre. Deshalb will er ihn näher kennenlernen und prüfen, um herauszufinden, ob
der Jesuit trotz ihrer grundverschiedenen Glaubensansätze das Zeug zum Papst
hat …
Kritik:
Angesichts der Thematik der dreifach OSCAR-nominierten
Netflix-Produktion "Die zwei Päpste" sollte ich wohl gleich zu Beginn
erwähnen, daß ich seit Jahrzehnten überzeugter Atheist bin. Innerhalb der sehr
vielfältigen Gruppe der Atheisten bin ich meinem Eindruck nach
jedoch in (mindestens) einer Hinsicht eher ungewöhnlich, denn ich bin hege
ein aufrichtiges Interesse an dem Themenbereich Glaube, Religion und Spiritualität.
Viele mir bekannte Atheisten sind die Thematik so leid, daß sie einen großen
Bogen um Filme oder Serien mit religiösen Aspekten machen, selbst wenn es sich um fiktive Religionen wie in den TV-Serien "Game of Thrones"
oder "Battlestar Galactica" handelt. Ich fand hingegen die Auseinandersetzung mit religiösen Themen schon immer spannend, gerade die Fragen, mit
welcher Methodik institutionalisierte Religionen die Gläubigen an sich binden
und was viele Menschen dazu motiviert, an Dinge zu glauben, für die es
keinerlei handfeste Beweise gibt – vermutlich auch deswegen, weil ich das eben
nicht kann. Trotzdem gebe ich zu, daß ich mir den Film
des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles ("City of God")
wahrscheinlich eher nicht angesehen hätte, wäre er nicht so positiv besprochen und
für mehrere Academy Awards nominiert worden sowie mit zwei großen
Schauspielern in den Titelrollen besetzt. Mein Blick auf "Die zwei
Päpste" ist sicher ein etwas anderer als der gläubiger Zuschauer, aber
vielleicht ist es sogar ein umso größeres Lob, daß mir als Atheist der Film
richtig gut gefallen hat.
Das liegt unter anderem daran, daß Religion und
Glaube im Skript des Neuseeländers Anthony McCarten ("Bohemian Rhapsody") zwar naheliegenderweise eine bedeutende Rolle spielen, es aber
auch genügend Raum für weitere Themen gibt. Besonders die für jeden offensichtliche Unterschiedlichkeit zwischen dem verkniffenen Papst Benedikt
und dem jovialen argentinischen Kardinal Bergoglio sorgt für Abwechslung und viele
unterhaltsame Szenen. Bereits das erste zufällige Zusammentreffen der beiden
auf der Toilette des Vatikans während des Konklave zur Wahl des
Nachfolgers von Papst Johannes Paul II. ist sehr symptomatisch für die
Unterschiede zwischen den beiden Männern wie auch für den insgesamt unerwartet
lockeren, humorvollen Ton des Films: Kardinal Bergoglio pfeift fröhlich
"Dancing Queen" vor sich, woraufhin Kardinal Ratzinger ihn
interessiert fragt, was das denn für eine Hymne sei – mit der Anwort "ABBA"
kann er aber offensichtlich nichts anfangen … Als sich Papst Benedikt und
Kardinal Bergoglio sieben Jahre später in der päpstlichen Sommerresidenz Castel
Gandolfo wiedersehen, hat sich im Grunde genommen nicht viel geändert. Das
erste Gespräch im Garten erinnert beide daran, wie verschieden ihre Haltungen
zum richtigen Weg der katholischen Kirche sind. Die Spannung ist greifbar und so, wie der Papst sichtlich irritiert ist von Bergoglios eher formlosem
Auftreten ihm gegenüber ist der Kardinal bedrückt wegen Benedikts unnachgiebiger
Strenge in strittigen Themen. Trotz ihrer Differenzen – die auch vor den
Eß- oder Fernsehgewohnheiten (Bergoglio ist Fußball-Fan, Benedikt liebt die
österreichische TV-Serie "Kommissar Rex"!) kommen sie sich jedoch langsam näher, haben sie
doch letzten Endes beide das gleiche Ziel: das Beste für die Kirche zu
erreichen.
Regisseur Meirelles und Autor McCarten offenbaren im Lauf
der zwei durchgehend kurzweiligen Stunden ein gutes Gespür dafür, den beiden
starken Persönlichkeiten gleichermaßen gerecht zu werden und keinen eindeutig
zu bevorzugen. Natürlich erringt der nahbare und weltoffene Bergoglio leichter
die Sympathien des Publikums als der steife Akademiker Benedikt (außer
bei strenggläubigen Zuschauern, vermute ich), doch wird dieser keineswegs zum Antagonisten hochstilisiert, sondern darf seine menschlichen und freundlichen Seiten offenbaren. Inwiefern das der
Realität entspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber in
dramaturgischer Hinsicht funktioniert das Vorgehen einwandfrei. Lobenswert ist zudem, daß die dunklen Flecken in der Biographie beider Kirchenmänner nicht ignoriert werden,
speziell Bergoglios vor allem in seiner Heimat kontroverse Rolle
während der argentinischen Militärdiktatur wird (wenn auch aus seiner
subjektiven Perspektive) in recht ausführlichen Rückblenden anschaulich und
nachvollziehbar geschildert. Diese Sorgfalt macht Bergoglio eindeutig zur
Hauptfigur des Films – bei Benedikt gibt es keine Rückblenden, weshalb
seine Charakterzeichnung insgesamt doch oberflächlicher ausfällt. Bei ihm
werden auch die erwähnten dunklen Seiten – wie seine Rolle in der NS-Zeit, die
Vatileaks-Affäre und vor allem natürlich der große Mißbrauchsskandal – eher
alibihaft und im Schnelldurchgang, wenngleich mit einigen durchaus intensiven
Szenen behandelt. Letztlich beschreibt das ganz gut den gesamten Film: Wir
sehen zwei großartigen, für ihre Rollen für je einen OSCAR nominierten Schauspielern dabei zu, wie sie ernsthaft, manchmal aber auch
überraschend humorvoll diskutieren, über Gott und das Leben und darum, welches
der richtige Weg für die Erhaltung der Kirche ist: Modernisierung oder
Rückbesinnung auf die Traditionen ohne Rücksicht auf sich wandelnde
gesellschaftliche Normen? Das alles ist nicht zuletzt dank intelligenter, leidenschaftlicher
und amüsanter Dialoge sowie der Schauspielkunst der glänzend miteinander
harmonierenden Jonathan Pryce und Anthony Hopkins auch für Atheisten äußerst
unterhaltsam, manchmal sogar einsichtsreich – aber letztlich bleibt "Die
zwei Päpste" eben doch die meiste Zeit über an der Oberfläche und wagt
sich nicht sehr in die Tiefe, mutmaßlich primär aus Furcht, irgendwelche Zuschauer
oder auch Interessengruppen zu verprellen. Gute Unterhaltung mit vermutlich
überschaubarer Nähe zur Realität (nur die beiden Päpste selbst wissen
logischerweise, worüber sie unter vier Augen gesprochen haben), nicht mehr und
nicht weniger. Ach, die schönsten, witzigsten Szenen gibt es übrigens erst
während des Abspanns, als Benedikt und sein inzwischen gewählter Nachfolger
Franziskus gemeinsam im Fernsehen das Fußball-WM-Finale 2014 in Brasilien
zwischen Deutschland und Argentinien verfolgen …
Fazit: "Die zwei Päpste" ist ein zwangsläufig
spekulativer, jedodch spannender, humorvoller und unterhaltsamer Blick auf zwei
prägende, denkbar unterschiedliche Kirchenmänner, der sich aber
zumeist damit begnügt, nur an der Oberfläche der religiösen Grundthematik zu
kratzen.
Wertung: 7,5 Punkte.
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