Originaltitel: I soliti ignoti
Regie:
Mario Monicelli, Drehbuch: Agenore Incrocci, Furio Scarpelli, Suso Cecchi
D'Amico und Mario Monicelli, Musik: Piero Umiliani
Darsteller:
Vittorio Gassman, Marcello Mastroianni, Renato Salvatori, Carlo Pisacane,
Claudia Cardinale, Totó, Tiberio Murgia, Memmo Carotenuto, Rossana Rory, Carla
Gravina
Ein Vorort Roms in den 1950er Jahren: Hier leben jene, die
nur kleine Wohnungen und kaum Geld haben, die sich mehr oder weniger von einem
Tag zum nächsten hangeln müssen. Viele von ihnen verdingen sich deshalb
(teilweise auch aus purer Arbeitsscheu) als Kleinkriminelle, so etwa Cosimo
(Memmo Carotenuto, "Umberto D."). Als er wieder einmal im Gefängnis
sitzt, erhält er von seinem Zellengenossen einen Tip für einen ganz leichten,
aber sehr einträglichen Einbruch. Dummerweise wird er erneut verhaftet, noch ehe er
ihn durchführen kann. Da das Zeitfenster der Gelegenheit nicht ewig geöffnet
sein wird, soll jemand gegen Bezahlung als Sündenbock für ihn einspringen, den
versuchten Autodiebstahl gestehen und somit an Cosimos Stelle die mehrmonatige
Haftstrafe absitzen. Schließlich erklärt sich Peppe (Vittorio Gassman,
Hauptdarsteller der Tragikomödie "Der Duft der Frauen", die später ein erfolgreiches Hollywood-Remake mit Al Pacino erfuhr) dazu bereit, doch der
Plan mißlingt, da die Polizei ihm nicht glaubt. Er wird also umgehend wieder
entlassen, vorher erzählt ihm Cosimo jedoch von seinem Einbruchsplan.
Folgerichtig trommelt Peppe die Truppe zusammen, mit der eigentlich Cosimo den
Raubzug durchführen wollte, um das Unternehmen nun selbst anzugehen. Doch begnadete
Einbrecher sind sie alle nicht wirklich …
Kritik:
Wer sich ein bißchen mit der Filmhistorie auskennt und das
Stichwort "Italienisches Kino der 1950er Jahre" hört, der wird mit
großer Wahrscheinlichkeit sofort an die Neorealisten denken. In den Nachwehen
des Zweiten Weltkrieges, in dem Italien das Kunststück gelang, unter der
faschistischen Mussolini-Herrschaft auf beiden Seiten zu kämpfen (natürlich
nicht gleichzeitig), schufen italienische Filmemacher im Bemühen um Aufarbeitung
stilistisch formvollendete, gesellschaftskritische Meisterwerke, die allerdings großteils
die Nebenwirkung entfalteten, beim Publikum heftige Suizid-Gedanken
auszulösen. Denn die deprimierenden Geschichten, die ein Roberto Rossellini in
"Rom, offene Stadt", ein Giuseppe De Santis in "Bitterer Reis"
oder ein Vittorio De Sica in "Fahrraddiebe" erzählten,
waren alles andere als Wohlfühlkino. Es geht um den kleinen Mann (manchmal auch
die kleine Frau) von der Straße, der schuldlos mit den Alltags-Folgen von Krieg und
Faschismus leben muß und dahinvegetiert und für den jeder Tag ein ständiger Kampf ums
Überleben ist. Ein Kampf, in dem bereits der Diebstahl eines (für die Arbeit
dringend benötigten) Fahrrads beinahe ein Todesurteil sein kann. Doch neben
dieser international aufsehenerregenden Stilrichtung, die bis heute eng mit dem
italienischen Kino verbunden wird, gab es natürlich andere, leichtere
Filme – die Leute wollten nach den schweren Zeiten schließlich auch mal was zu
Lachen haben. Viele Komödien jener Zeit (und eigentlich hat sich daran bis
heute nicht allzu viel geändert) setzten auf völlig übertriebenen,
hysterischen, oft sehr physischen Humor und waren wenig anspruchsvoll. Zu den positiven
Ausnahmen von der Regel zählt (neben etwa der legendären "Don
Camillo"-Reihe mit Fernandel, deren erster Teil bereits 1952 in die Kinos
kam) Mario Monicellis ("Man nannte es den großen Krieg") 1959 für den Auslands-OSCAR nominierte und sehr vergnügliche
Gaunerkomödie "Diebe haben's schwer", die mit Charme und Esprit
begeistert und das Genre gleichzeitig liebevoll veralbert. Aufgrund des großen Erfolges der Schwarz-Weiß-Komödie folgte bereits ein Jahr darauf die Fortsetzung "Diebe sind auch Menschen", satte 28 Jahre darauf gab es mit "Diebe haben's schwer ... Zwanzig Jahre danach" einen dritten Teil.
Wer Filme wie "Ocean's Eleven" kennt, dem wird an
"Diebe haben's schwer" einiges bekannt vorkommen. Das ist kaum
verwunderlich, schließlich ist "Ocean's Eleven"-Regisseur Steven
Soderbergh ein so großer Fan des italienischen Klassikers, daß er 2002 und
damit ein Jahr nach dem ersten Kinoabenteuer von Danny Ocean und seiner Bande
sogar ein (allerdings geflopptes) Remake namens "Safecrackers" mit
George Clooney in der Hauptrolle produzierte, auch bei den
"Ocean's"-Filmen gibt es etliche Gemeinsamkeiten. Das grundsätzliche
Muster einer Bande von Kriminellen, die einen großen Coup penibel vorbereiten
und dann (natürlich nicht ohne unerwartete Hindernisse) ausführen, etablierte
zwar bereits 1955 der französische Regisseur Jules Dassin mit
"Rififi", doch Monicelli präsentierte mit "Diebe haben's schwer" die
erste komödiantische Variation. Daß diese so hervorragend gelungen ist,
dafür gibt es zwei hauptsächliche Gründe: erstens das gut durchdachte Drehbuch,
das mit leichter Hand rund ein halbes Dutzend sehr unterschiedlicher Hauptfiguren
etabliert, die man trotz ihrer kriminellen Tätigkeit und mancher Spleens rasch ins Herz schließt; zweitens die hervorragende Besetzung bis in die
Nebenrollen hinein.
Vittorio Gassman verkörpert den Anführer Peppe als
energiegeladenes Schlitzohr, das man einfach mögen muß (solange man nicht
gerade von ihm übers Ohr gehauen wird), der spätere Superstar Marcello
Mastroianni (der 1960 mit Fellinis "La Dolce Vita" seinen Durchbruch
zu weltweitem Starruhm erlebte) amüsiert als gestresster, vorübergehend
alleinerziehender Vater eines kleinen Jungen (die Mutter sitzt wegen Zigarettenschmuggels
im Knast). Carlo Pisacane ("Die Rechnung wird mit Blei bezahlt")
sorgt als zahnloser, aber ständig hungriger Capanelle ebenso für etliche Lacher wie
Tiberio Murgia ("Mit Pistolen fängt man keine Männer") als
hitzköpfiger Sizilianer Michele Ferribotte, der seine schöne, verlobte Schwester
Carmelina (Claudia Cardinale, "Spiel mir das Lied vom Tod") möglichst vor allen Männeraugen verstecken will. Das allerdings mit überschaubarem
Erfolg, weshalb Renato Salvatori ("Rocco und seine Brüder") als junger,
gutaussehender Mario einen ziemlich klassischen romantischen Helden geben darf,
der Carmelinas Herz erobern will. Und schließlich ist da noch die italienische
Komikerlegende Totó ("Räuber und Gendarm"), die in einer witzigen Nebenrolle
als ehemaliger Safeknacker Dante eine Art Mentorenrolle für die unerfahrenen Gauner
einnimmt.
So leicht und locker die Vorbereitungen auf den Coup sowie
die Interaktion der einzelnen Bandenmitglieder untereinander und mit Außenstehenden auch sind, das
Highlight des Films ist ohne Frage der finale Akt, in dem der so clever
ausgeklügelte Einbruch endlich vollzogen wird – und selbstverständlich komplett in die Hose geht, weil es bekanntlich erstens immer anders kommt und
zweitens als man denkt. Die Widrigkeiten, die Peppe und Konsorten vor ein Problem
nach dem anderen stellen und ihren so schön vorbereiteten Plan konsequent in
seine nutzlosen Einzelteile zerfallen lassen, sind einfach herrlich und voll
komischer Raffinesse in Szene gesetzt. Die Klischees anderer Gangsterfilme (und übrigens auch
gängige Klischees über die Italiener an sich) werden clever und zugleich
hinreißend charmant ausgehebelt, bis am Ende – und so viel Spoiler muß einfach
sein, sorry – die Zeitungsmeldung steht: "Unbekannte rauben Nudeln mit
Kichererbsen durch Loch in der Wand."
Fazit: Mario Monicellis "Diebe haben's schwer" ist trotz eines
ob der Lebensbedingungen der Protagonisten ernsten Untertons eine höchst
vergnügliche Gaunerkomödie, die mit liebenswert-schrulligen, ebenso passend
wie hochkarätig besetzten Figuren, einer souveränen Inszenierung und einer
feinen, von subtiler Gesellschafts-Satire bis hin zu klassischem Slapstick
reichenden Humormischung zu Recht zu einem Klassiker der "Commedia
all'italiana" avanciert ist.
Wertung: 8,5 Punkte.
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