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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Klassiker-Rezension: DAS WUNDER VON MANHATTAN (1947)

Originaltitel: Miracle on 34th Street
Regie und Drehbuch: George Seaton, Musik: Cyril Mockridge
Darsteller: Edmund Gwenn, Maureen O'Hara, John Payne, Natalie Wood, Jerome Cowan, Gene Lockhart, Alvin Greenman, Porter Hall, William Frawley, Philip Tonge, Harry Antrim, Thelma Ritter
Das Wunder von Manhattan (1947) on IMDb Rotten Tomatoes: 96% (8,3); US-Einspielergebnis 1947: $2,65 Mio.
FSK: 0, Dauer: 97 Minuten.
Die alleinerziehende Mutter Doris Walker (Maureen O'Hara, "Rio Grande") wurde von der Liebe so sehr enttäuscht, daß sie nur noch an die Realität und an Fakten glaubt – eine Einstellung, die sie auch ihrer kleinen Tochter Susan (Natalie Wood, "… denn sie wissen nicht, was sie tun") vermittelt, die daher keine Märchen erzählt bekommt und nicht an den Weihnachtsmann glaubt. Ironischerweise zeichnet ausgerechnet Doris für die Organisation der großen jährlichen Thanksgiving-Parade des Kaufhauses Macy's in New York verantwortlich, die mit der Ankunft von Santa Clause die Weihnachtssaison einleitet. Als der angeheuerte Nikolaus sehr kurzfristig ausfällt, engagiert Doris vom Fleck weg einen netten älteren Herren, der genau so aussieht, wie man sich den Weihnachtsmann vorstellt – und felsenfest darauf besteht, wirklich Santa Clause zu sein! Tatsächlich wird dieser Kris Kringle (Edmund Gwenn, "Immer Ärger mit Harry") bei der Parade ein voller Erfolg, weshalb er anschließend bis Weihnachten bei Macy's Kinderwünsche anhören (und durch die Käufe der Eltern die Kassen des Kaufhauses füllen) soll. Alle lieben diesen Santa Claus, der überall Frohsinn und Menschlichkeit verbreitet – abgesehen von dem grantigen Kaufhaus-Psychologen Sawyer (Porter Hall, "Reporter des Satans"), der Kris wegen seines Glaubens, der echte Weihnachtsmann zu sein, für gefährlich hält und in die Psychiatrie einweisen lassen will. Die Angelegenheit geht vor Gericht, wo Richter Harper (Gene Lockhart, "Der große Edison") widerwillig urteilen muß, ob der von Doris' idealistischem Nachbarn Fred (John Payne, "Auf Messers Schneide") vertretene Mr. Kringle in Freiheit bleibt oder nicht …
 
Kritik:
Ein oft übersehener problematischer Nebeneffekt von Hollywoods sich in den letzten Dekaden verstärkender Remake-Manie ist die Gefahr, daß das Remake das Original in der öffentlichen Aufmerksamkeit in den Hintergrund drängt. Dies geschieht natürlich nicht, wenn das Original ein gefeiertes (Genre-)Meisterwerk ist und die Qualität der Neuverfilmung klar abfällt ("Psycho", "The Fog", "Wicker Man"), aber wenn das Original schon älter und der qualitative Unterschied überschaubar ist, dann kann es durch das Remake in Vergessenheit geraten. Gute Beispiele dafür sind etwa "Das Ding aus einer anderen Welt", "Scarface" oder "Die Fliege". Und auch "Das Wunder von Manhattan" paßt in diese Reihe, denn obwohl Les Mayfields gleichnamige Neuverfilmung von 1994 mit Sir Richard Attenborough als Weihnachtsmann nur mittelmäßige Kritiken erhielt, wurde im deutschen Free-TV seitdem nie mehr das Schwarzweiß-Original von George Seaton ("Ein Mädchen vom Lande") gezeigt. Eine sehr bedauerliche Entscheidung der Programmplaner, denn trotz des Alters hat sich Seatons "Das Wunder von Manhattan" seinen etwas naiven, aber aufrichtigen Charme bis heute bewahrt und verbreitet nach wie vor gekonnt Weihnachtsstimmung mit garantiertem Happy End.
 
Daß "Das Wunder von Manhattan" in erster Linie ein Märchen ist, zeigt vor allem der finale Gerichtsprozeß, der in so ziemlich jeder denkbaren Hinsicht absoluter Humbug ist. Ich muß zugeben, daß mich das schon ein wenig geärgert hat, denn man hätte den Prozeß, ohne den Märchencharakter zu verlieren, sehr wohl realistischer und glaubwürdiger darstellen können. Aber was soll's, witzig ist das Gezeigte allemal und die aus vielen – heutzutage bis auf die Hauptdarstellerin O'Hara weitgehend in Vergessenheit geratenen – damaligen Stars bestehende Besetzung sorgt mit viel Spielfreude dafür, daß man jederzeit gut unterhalten wird. Nicht ohne Grund gewann Edmund Gwenn sogar den OSCAR für die beste Nebenrolle, denn sein Santa Clause ist in der Tat zauberhaft mit seiner unaufgesetzten und mit mildem Witz unterfütterten Freundlichkeit, seinem aufrechten Interesse an allen Menschen, aber auch der unverhohlenen Frustration über Menschen wie den böswilligen Kaufhaus-Psychologen Sawyer, der mit seinem endlosen Zynismus das Gegenteil des sprichwörtlichen Geistes der Weihnacht verkörpert. Das Zentrum von "Das Wunder von Manhattan" ist in Wirklichkeit jedoch Doris Walker, denn sie und ihre aufgeweckte Tochter Susan sind gewissermaßen der Lackmustest für Kris Kringle – ob er nun der echte ist oder nicht.
 
Hollywood-Legende Maureen O'Hara ist in der Rolle wenig überraschend eine Wucht: Obwohl sie schauspielerisch natürlich schon mal stärker gefordert war, verkörpert sie die von der Liebe enttäuschte und zur generellen Skeptikerin mutierte Doris mit einer Wärme und Verletzlichkeit, daß man sie einfach nur in den Arm nehmen und fest drücken und ihren Glauben an Magie und Romantik wiederherstellen will. Somit können wir bestens die Gefühle ihres netten Nachbarn Fred nachvollziehen, denn der will das offensichtlich auch, und noch ein bißchen mehr. John Payne spielt hier eigentlich eine typische James Stewart-Rolle – er sieht sogar ein wenig wie die amerikanische Schauspiel-Ikone aus und macht seine Sache gut, obgleich er naturgemäß nicht an Stewarts Klasse und Charisma heranreicht. Einen James Stewart gab es eben nur einmal! Die Chemie zwischen Payne und O'Hara ist jedoch zweifellos vorhanden, was für den romantischen Erzählstrang logischerweise entscheidend ist. Dennoch funktioniert dieser nicht gänzlich, weil die Entwicklung von der anfänglichen oberflächlichen Freundschaft hin zu einer ernsthaften romantischen Beziehung arg abrupt vor sich geht. Das ist sicherlich zum Teil den damaligen Zensurvorgaben geschuldet und noch stärker der Tatsache, daß es sich um einen Familienfilm handelt, zu dessen Zielpublikum ganz klar auch kleinere Kinder gehören. Dennoch wären ein paar zusätzliche gemeinsame Szenen von Doris und Fred (auch mal ohne Susan) der Glaubwürdigkeit ihrer Beziehung dienlich gewesen. Porter Hall funktioniert derweil als der Antagonist der Geschichte für mich nur bedingt, obwohl er die Rolle überzeugend spielt; doch zu sinnlos und übertrieben scheinen seine grinchartige Abneigung gegen Kris Kringle und seine Aktionen, um den netten älteren Mann loszuwerden. Eine wirkliche, nachvollziehbare Motivation für Porters Handeln ist schwerlich auszumachen.
 
Die weihnachtlich-humanistische Botschaft von "Das Wunder von Manhattan" wird manchmal etwas plakativ vorgetragen, meistens ist sie aber nicht zuletzt im Zuge von Doris' Wandlung durchaus subtil und erweist sich als lobenswertes Plädoyer für Freundlichkeit und Phantasie. Denn letztlich wird Kris Kringle ja nicht nur vor Gericht gestellt, weil er glaubt, Santa Clause zu sein, sondern vor allem deshalb, weil Sawyer und einige andere es für verrückt halten, so nett, zuvorkommend und selbstlos zu sein wie Kris oder dessen Protegé Alfred (Alvin Greenman, "Herr Belvedere kann alles besser"). Eine gewisse Gesellschaftskritik schimmert stets durch, auch im Handlungsfaden über das Kaufhaus Macy's, das durch Kris' eigenmächtiges Handeln (er empfiehlt den Eltern einen rivalisierenden Laden, wenn der das passende Geschenk für die Kinder hat) die beste Mundpropaganda seiner Geschichte erhält. Und diese Kritik ist mehr als 70 Jahre nach dem Erscheinen von "Das Wunder von Manhattan" in der Ära sozialer Medien und von Verschwörungserzählungen leider aktueller denn je. Das Rezept, das Regisseur und Drehbuch-Autor George Seaton (der für sein Skript ebenfalls einen Academy Award gewann) dem offensichtlich schon damals um sich greifenden Zynismus und Egoismus entgegenstellt – Freundlichkeit, solidarisches Denken und Empathie – mag ein wenig naiv sein, zumindest als Grundlage für eine bessere Welt taugt es jedoch allemal. Insgesamt hätte "Das Wunder von Manhattan" gerne etwas witziger und weniger vorhersehbar ausfallen dürfen, aber auch so ist es ein immer noch sehr nett anzuschauender Weihnachtsfilm.
 
Fazit: "Das Wunder von Manhattan" erzählt mit einer ungemein sympathischen, von Maureen O'Hara angeführten Besetzung eine unspektakuläre, aber liebenswerte Weihnachtsgeschichte für die ganze Familie über die Bedeutung von Menschlichkeit und Phantasie.
 
Wertung: 7,5 Punkte.
 
 
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