Regie: Theodore Melfi, Drehbuch: Allison Schroeder und
Theodore Melfi, Musik: Hans Zimmer, Pharrell Williams und Benjamin Wallfisch
Darsteller: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle
Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Jim Parsons, Mahershala Ali, Glen Powell,
Aldis Hodge, Olek Krupa, Kimberly Quinn
FSK: 0, Dauer: 127 Minuten.
In den 1960er Jahren befinden sich die USA und die
Sowjetunion nicht nur im Kalten Krieg, der immer dichter davor steht, ein
heißer Krieg zu werden, sie stehen ebenfalls in einem erbitterten Wettrennen ins All
– und die Sowjets liegen vorne, nachdem Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum und lebendig wieder zurück gebracht wurde. Die NASA versucht verzweifelt, den Rückstand
aufzuholen, wofür die Arbeit der besten und klügsten Köpfe Amerikas vonnöten
ist. Dazu zählt auch eine Gruppe afroamerikanischer Mathematikerinnen, die es
aber gleich aus zwei Gründen besonders schwer hat: Sie sind Frauen und sie sind
schwarz. Zwar werden sie innerhalb der NASA nicht mit dem gleichen offenen
Rassismus konfrontiert wie im öffentlichen Raum, wo noch immer vielerorts
strikte Rassentrennung herrscht, doch müssen sie sich auch hier häufig anhören,
daß sie keine Ansprüche zu stellen haben und froh sein sollen, daß sie
überhaupt hier arbeiten dürfen. Katherine Goble (Taraji P. Henson, "Date Night"), Mary
Jackson (Janelle Monáe, "Moonlight") und Dorothy Vaughan (Octavia Spencer, "The Help") wollen das allerdings nicht akzeptieren – sie
wissen, was sie können und sie wollen dieses Können auch zeigen und anwenden. Dank
des Rückstands auf die Sowjets und des aufgeschlossenen neuen Direktors Al
Harrison (Kevin Costner, "Man of Steel") dürfen sie das endlich
…
Kritik:
Sind Wissenschaftler etwa die neuen Helden in Hollywood? Es sieht
fast so aus, immerhin ist "Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen"
der dritte kommerziell und künstlerisch erfolgreiche
Wissenschaftler-Film innerhalb weniger Jahre nach "The Imitation Game" (über den Informatik-Pionier Alan Turing) und "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (über Physiker Stephen Hawking). Allerdings ist
letzterer ein britisches Werk und "The Imitation
Game" eine in Großbritannien realisierte britisch-amerikanische Koproduktion,
also eigentlich nicht wirklich Hollywood, auch wenn es sich so anfühlt. Dafür
präsentierte Hollywood aber bereits 2001 das OSCAR-prämierte Mathematiker-Portrait
"A Beautiful Mind" über John Forbes Nash. Ein ganz neuer Trend ist es
sowieso nicht, denn Wissenschaftler-Biopics waren schon einmal sehr beliebt: in
den 1930er und 1940er Jahren, als kompetent gemachte Filme wie "Louis
Pasteur" (1936) mit Paul Muni, "Die Lebensgeschichte Paul
Ehrlichs" (1940) mit Edward G. Robinson oder "Madame
Curie" (1943) mit Greer Garson die Lichtspielhäuser eroberten. "Hidden Figures" von "St.
Vincent"-Regisseur Theodore Melfi ist – wenn ich nichts übersehen habe – tatsächlich
erst der zweite Hollywood-Film nach "Madame Curie", in dem real
existierende Wissenschaftlerinnen im Fokus stehen. Und es ist ein ausgesprochen
unterhaltsamer Film geworden, der verdient drei OSCAR-Nominierungen (darunter
eine für den besten Film) abstauben konnte.
Diese filmische Anerkennung haben Katherine Goble, Dorothy
Vaughan und Mary Jackson auf jeden Fall verdient, auch wenn auf ihre Konten
keine weltbekannten, klar ihnen zurechenbare Entdeckungen gehen, wie es bei den
meisten bisherigen Wissenschaftler-Biopic-Protagonisten der Fall war. Goble,
Vaughan und Jackson waren Teamplayer, die ihr Wissen und Können den
gemeinschaftlichen Projekten zur Verfügung stellten und diese deutlich
voranbrachten, vielleicht gar erst ermöglichten (zumindest innerhalb dieser
Zeitspanne – irgendwann hätte es sicher auch ohne sie funktioniert).
Dementsprechend steht ihre wissenschaftliche Arbeit in "Hidden
Figures" nicht im Zentrum; sie wird zwar nicht vernachlässigt,
aber richtig in die Tiefe geht das Drehbuch nicht. Das ist jedoch
nachvollziehbar, schließlich haben sie hochgradig komplizierte Berechnungen
angestellt, die schon im Ansatz schätzungsweise 99,99% der Zuschauer heillos
überfordern würden – und zudem kaum sonderlich spannend oder aufregend in Szene
gesetzt werden könnten. Melfi macht das geschickt, indem er die Mathematik
gerade so stark in die Handlung einflicht, daß man auch als Laie eine deutliche
Ahnung von der fachlichen Brillanz der Protagonistinnen bekommt.
Inhaltlich wichtiger ist für den Film aber, daß unser hart
arbeitendes Mathematikerinnen-Trio sich selbstredend gegen diverse Widerstände
durchsetzen muß. Immerhin sind sie Frauen und Afroamerikanerinnen und damit in
den frühen 1960er Jahren gleich in zweierlei Hinsicht echte Exoten in der
amerikanischen Wissenschaft. Dementsprechend werden sie von ihren weißen und
überwiegend männlichen Kollegen kaum respektiert, bestenfalls toleriert, wobei
es sowieso selten zu direkten Aufeinandertreffen kommt, da die
Afroamerikanerinnen (schwarze Männer kommen bei den Wissenschaftlern seltsamerweise nicht vor, wenn ich mich richtig entsinne) in einem eigenen Gebäude
arbeiten. Die von Katherines Supervisor Vivian Mitchell (Kirsten
Dunst, "Melancholia"), vertretene Ansicht, daß die hartnäckig nach mehr Verantwortung strebenden Schwarzen dankbar
sein sollten, überhaupt bei der NASA arbeiten zu dürfen, dürfte jedenfalls
durchaus der Mehrheitsmeinung entsprechen. Katherine, Dorothy und Mary haben
also einige Vorurteile zu überwinden, bevor sie zeigen können, was sie wirklich drauf haben. Das gilt umso mehr, als sie nicht einmal zusammen gegen die Vorurteile anarbeiten können, da ihre Stärken in
unterschiedlichen Bereichen liegen. Genau das führt dann aber dazu, daß
sie den Aufstieg schaffen: Katherine ist eine Spezialistin in Sachen
Vektorrechnung, weshalb sie vom neuen Bereichsleiter Harrison in das (komplett weiße)
Spitzenteam befördert wird – ihre erste Aufgabe ist es ausgerechnet, die
Berechnungen des sehr selbstsicheren Ingenieurs Paul Stafford (Jim Parsons in
einer Rolle, die der als Dr. Sheldon Cooper im TV-Hit "The Big Bang
Theory" stark ähnelt) zu überprüfen, was der gar nicht witzig findet. Mary
dagegen hat in dieser Hinsicht mehr Glück, denn ihre Kollegen um den
Windtunnelexperten Karl Zielinski (Olek Krupa, "Burn After Reading") – der als vor den Nazis
geflohener polnischer Jude ganz genau weiß, wie man sich als Außenseiter fühlt – unterstützen
sie, ermutigen sie sogar, zur ersten schwarzen Ingenieurin in der NASA überhaupt zu
werden, auch wenn sie zunächst vor Gericht dafür kämpfen muß. Und Dorothy wiederum, die
Supervisor der afroamerikanischen Mathematikerinnen werden will, macht sich und
ihre Kolleginnen durch ihre Weitsicht unersetzbar, indem sie sich früh und sehr penibel mit den neuen und hochgradig fortschrittlichen, allerdings kompliziert zu
bedienenden Rechenmaschinen eines Unternehmens namens "International Business
Machines" (IBM) und der Programmiersprache FORTRAN vertraut macht …
Das alles ist spannend und unterhaltsam mitanzuschauen,
jedoch geht der Regisseur und Co-Autor Melfi in nahezu allen Aspekten so vor wie
bei den mathematischen Leistungen seiner Hauptdarstellerinnen: Er geht nicht in
die Tiefe. Gerade bei der Rassismus-Thematik wird das deutlich, denn
die wird erkennbar gerade so stark beackert, daß sie einen als Zuschauer nicht
zu wütend macht ob der Ungerechtigkeiten, nicht zu sehr aufwühlt. Die
Benachteiligung durch die weißen Platzhirsche wird keineswegs verharmlost, sie
ist ja sogar ein zentrales Thema des Films – aber Melfi beschränkt sich für mein Empfinden allzu sehr auf ein paar symbolische Facetten wie die getrennten Toiletten und
beläßt es ansonsten überwiegend bei Andeutungen, wenn die Mathematikerinnen beispielsweise
an von Gewalt und Haß begleiteten Bürgerrechts-Demonstrationen vorbeifahren. Noch
kürzer kommt das Privatleben der drei Protagonistinnen, das man inhaltlich
eigentlich auch komplett hätte aussparen können – dramaturgisch ergibt die Einbindung aber
durchaus Sinn, da man Katherine, Dorothy und Mary
so ein bißchen privat kennenlernt und damit eine stärkere emotionale Bindung zu ihnen
aufbaut. Und außerdem sind einfach ein paar richtig schöne und zu Herzen gehende Szenen dabei. Dennoch kommt die Figurenzeichnung nicht über ein ordentliches Niveau hinaus,
für mehr ist angesichts der drei Hauptcharaktere auch einfach nicht genug Zeit.
Am besten schneidet da noch Katherine ab, deren Erzählstrang nach und nach ins
Zentrum rückt. Die wichtigeren weißen Rollen bleiben naturgemäß noch ein wenig
oberflächlicher, allerdings hat Melfi gut darauf geachtet, sie nicht zu
klischeehaft oder als reine Rassisten darzustellen – tatsächlich glaube ich, daß jemand wie Paul Stafford (der wie Vivian Mitchell in der
Wirklichkeit nicht existierte, sondern eine Mischung aus mehreren realen
Personen darstellt) eigentlich eher ein Sexist als ein Rassist ist. Ein wenig
enttäuschend darf man es sicherlich finden, daß selbst hochintelligente
Wissenschaftler nicht vor dummen Vorurteilen gefeit sind, aber das ist nunmal
leider nur allzu realistisch.
Die Besetzung von "Hidden Figures" ist gut
ausgewählt, vor allem die drei Hauptdarstellerinnen Taraji P. Henson, die OSCAR-nominierte Octavia
Spencer und die hauptberufliche
Sängerin Janelle Monáe (Golden Globe-Nominierung) erfüllen ihre Figuren gekonnt, dabei glaubhaft und sympathisch
mit Leben. Daneben überzeugt auch Kevin Costner als strenger, aber fairer und
aufgeschlossener Bereichsleiter Harrison, neben Dunst und Parsons bleiben noch
Mahershala Ali ("Die Tribute von Panem – Mockingjay") als Katherines Verehrer Jim und Glen Powell
("The Expendables 3") als Astronaut John Glenn positiv im Gedächtnis.
Die Atmosphäre der 1960er Jahre fängt "Hidden Figures" überzeugend ein –
auch wenn sich der Großteil der Handlung auf dem NASA-Gelände abspielt, wird
die Aufbruchsstimmung, aber ebenso die gesellschaftliche Spaltung dieser Dekade
greifbar gemacht, dazu dient auch die musikalische Begleitung durch
zeitgenössische Songs von Miles Davis oder Ray Charles, aber auch zu
dieser Zeit passende Neukompositionen von Pharrell Williams, der gemeinsam mit
dem deutschen Altmeister Hans Zimmer und dem britischen Komponisten Benjamin
Wallfisch ("A Cure for Wellness") für die für den Golden Globe
nominierte Musik von "Hidden Figures" verantwortlich zeichnet, fügen sich harmonisch ein.
Fazit: "Hidden Figures – Unerkannte
Heldinnen" ist ein klassisches Feelgood-Movie über drei außergewöhnliche
afroamerikanische Frauen und die Überwindung von Rassenschranken und dummen Vorurteilen – wirklich in die Tiefe geht die Handlung jedoch selten.
Wertung: 7,5 Punkte.
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