Regie: Nia DaCosta, Drehbuch: Megan McDonnell, Elissa Karasik, Nia
DaCosta, Musik: Laura Karpman
Darsteller: Brie
Larson, Teyonah Parris, Iman Vellani, Samuel L. Jackson, Zenobia Shroff, Zawe Ashton,
Mohan Kapur, Saagar Shaikh, Gary Lewis, Park
Seo-joon, Abraham Popoola, Leila Farzad, Daniel Ings, Lashana Lynch,
Tessa Thompson, Hailee Steinfeld, Kelsey Grammer
FSK: 12, Dauer: 105
Minuten.
Nachdem Carol
Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson, "Raum") die das
Kree-Imperium kontrollierende "Oberste Intelligenz"
zerstört hat, machten die Kree leider das Schlechteste aus
ihrer (unfreiwillig) neu gewonnenen Freiheit und ergingen sich in
einem Bürgerkrieg, der ihren Heimatplaneten Hala praktisch
unbewohnbar machte. Die neue Kree-Anführerin Dar-Benn (Zawe Ashton,
"Blitz") will das rückgängig machen, indem sie mithilfe eines Quantenbandes Sprungpunkte im Universum öffnet, durch die sie
anderen (bewohnten) Planeten Ressourcen wie Sauerstoff
oder Wasser stiehlt und sie nach Hala leitet. Da es aber zwei
Quantenbänder gibt, die nur im Zusammenspiel einwandfrei
funktionieren, sorgt Dar-Benns Vorgehen für einen ungewöhnlichen
Nebeneffekt: Die Kräfte von Captain Marvel, ihrer inzwischen für
Nick Fury (Samuel L. Jackson, "The Hateful 8")
arbeitenden Nichte Monica Rambeau (Teyonah Parris, "They Cloned
Tyrone") und der jugendlichen Kamala Khan alias Ms. Marvel (Iman
Vellani) – die als Erbstück das zweite Quantenband besitzt – verschmelzen irgendwie miteinander, womit sie stets ihre
Plätze tauschen, sobald zwei von ihnen gleichzeitig ihre Kräfte
einsetzen. Das sorgt naturgemäß für viel Chaos, aber das Trio muß
schnell lernen, zusammenzuarbeiten, denn Dar-Benns Aktionen bedrohen
unzählige Lebewesen im gesamten Universum ...
Kritik:
Ein Punkt, durch den
sich das Marvel Cinematic Universe stets ausgezeichnet hat, war die
nahezu perfekte Besetzung der zahllosen Figuren. Einige der
Darsteller wurden durch das MCU zu Superstars (allen voran die "drei
Chris" Evans, Hemsworth und Pratt), andere belebten ihre
Karriere neu (Robert Downey Jr.) und selbst in kleinen Rollen gibt es
eigentlich keine einzige Fehlbesetzung. Zu den inspiriertesten
Casting-Entscheidungen des MCU dürfte aber die Wahl der damals
18-jährigen, in Pakistan geborenen Kanadierin Iman Vellani für die
im Jahr 2022 veröffentlichte Disney+-Serie "Ms. Marvel" gewesen
sein. Obwohl sie (außerhalb der Schule) bis dahin keinerlei
Schauspielerfahrungen hatte, setzte sie als selbsternannter
MCU-Megafan sich im Casting durch und verzauberte in der Miniserie
von Anfang an mit ihrem Enthusiasmus sowie mit Charisma und
ungezügelter Energie die Marvel-Fans. Mit "The Marvels"
feiert Kamala Khan ihr Kinodebüt neben Captain
Marvel und der aus der Disney+-Miniserie "WandaVision"
(sowie als Kind aus "Captain Marvel") bekannten Monica
Rambeau – und die Chemie dieses Trios wider Willen erweist sich als größte Stärke des Weltraum-Abenteuers von Nia DaCosta
("Candyman"). Daß "The Marvels" trotzdem nur
teilweise funktioniert, liegt daran, daß das Drehbuch (an dem
DaCosta ebenfalls beteiligt war) den reizvollen "Schuld und
Sühne"-Ansatz der Handlung nur rudimentär thematisiert und
damit dessen erzählerisches Potential geradezu sträflich
vernachlässigt. Somit wirkt "The Marvels" wie einige
andere Filme aus der nicht gerade vom Glück verfolgten "Multiverse
Saga" des MCU inhaltlich irgendwie belanglos und bringt trotz
der planetenbedrohenden Ereignisse die übergreifende MCU-Story kaum weiter. Sicherlich ein Grund dafür, daß "The Marvels" an den Kinokassen gewaltig floppte, obgleich der kommerzielle Mißerfolg in diesem Ausmaß inhaltlich nicht gerechtfertigt ist.
Am
besten unterhält "The Marvels" ganz eindeutig immer dann,
wenn er sich im Stil einer Buddy-Komödie mit seinen drei
titelgebenden Heldinnen befaßt. Deren Kennenlernen – Carol und
Monica kennen sich zwar schon, bei ihrem letzten Treffen war Monica
aber noch ein Kind – läuft angesichts der Umstände ausgesprochen
holprig ab, dafür jedoch umso amüsanter. Und während es zwischen
Monica und Carol zunächst einige eher unangenehme Momente gibt,
sorgt stets Kamala mit ihrem jugendlichen Enthusiasmus für
Entspannung. Kamala ist eben – wie übrigens auch ihre Darstellerin Iman
Vellani im realen Leben – ein bekennendes Fangirl und Captain
Marvel ist ihre große Heldin, der sie nacheifert. Sie nun
tatsächlich kennenzulernen und dann sogar mit ihr zusammen um die
Zukunft ganzer Planeten zu kämpfen, ist für Kamala
nachvollziehbarerweise ebenso einschüchternd wie begeisternd und
dem Gefühlswirrwarr läßt sie freien Lauf (was immer wieder auch
amüsante Reaktionen ihrer Umwelt mit sich bringt). Erfreulicherweise
ist aus "Ms. Marvel" nicht nur Kamala selbst mit von der
Partie, sondern auch ihre nicht weniger sympathische und leicht
schrullige Familie, die die meiste Zeit über mit Nick Fury zusammenarbeitet.
Etwas schade ist allerdings, daß Kamalas bester Freund Bruno fehlt
(und noch mehr das Totschweigen von Carols in "Captain
Marvel" von Jude Law verkörpertem einstigen Kree-Mentor
Yon-Rogg). Dafür ist Carols in "Captain Marvel"
aufgelesenes "Haustier", das nur für uneingeweihte Augen wie
eine harmlose Katze aussehende außerirdische Flerken namens Goose
wieder dabei und wird sogar zum Mittelpunkt des vermutlich
verrücktesten (und lustigsten) Evakuierungsplans aller Zeiten …
Doch so
gut die komödiantische Seite von "The Marvels"
funktioniert, so sehr versagt leider die ernste. Dabei
ist die Idee grundsätzlich spannend, Carol mit den
unerwarteten Konsequenzen ihrer Taten hadern und an sich zweifeln zu
lassen. Ganz neu ist die Thematik im MCU nicht, immerhin wurde
das so ähnlich schon bei Wanda Maximoff alias Scarlet Witch
durchexerziert, wiewohl es sich bei ihr beim Ausgangspunkt der
Storyline um ein vergleichsweise harmloses Versehen handelte (mehrere
tote Zivilisten als Folge ihres Kampfes gegen Schurke Crossbones in
"Captain America 3"). Carol hingegen hat die "Oberste
Intelligenz" gezielt zerstört und wurde von den katastrophalen
Folgen kalt erwischt, insofern müßte sie noch viel stärker
traumatisiert sein als Wanda. Doch während Wandas Entwicklung über mehrere Filme und die Miniserie "WandaVision" hinweg
stattfand und entsprechend sorgfältig und glaubwürdig entwickelt
wurde, ist Carols Trauma gewissermaßen zwischen den MCU-Filmen
entstanden und muß nun von ihr in einem einzigen, gut
eineinhalbstündigen Werk verarbeitet werden. Das kann eigentlich gar
nicht gut gehen und das geht auch nicht gut. Brie Larson gibt sich
alle Mühe und es gelingt ihr sogar, Carols Schmerz und innere
Zerrissenheit zum Ausdruck zu bringen, aber das Drehbuch gibt ihr
einfach nicht genügend Stoff und Zeit. Das gilt auch für die
blaß bleibende Antagonistin Dar-Benn, die kaum Persönlichkeit
entwickelt und trotz halbwegs nachvollziehbarer Motivation wenig authentisch
rüberkommt. Dazu passend fällt der Showdown zwischen Dar-Benn
und dem Heldinnentrio vergleichsweise unspektakulär und kaum
erinnerungswürdig aus, wenngleich das Zusammenspiel der Kräfte der
drei Marvels optisch schön umgesetzt ist und die
Spezialeffekte wie üblich überzeugend ausfallen. Somit bleibt "The
Marvels" ein merkwürdig unentschlossener, für das MCU
relativ belangloser Film, dessen eine Hälfte viel besser
funktioniert als die andere.
Fazit:
"The Marvels" ist ein launiges
Weltraum-Buddy-Movie mit drei sympathischen Heroinnen, das allerdings das
erzählerische Potential seiner "Schuld und Sühne"-Story nicht ansatzweise ausschöpft.
Wertung:
7 Punkte.
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