Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 27. Juli 2023

THEY CLONED TYRONE (2023)

Regie: Juel Taylor, Drehbuch: Tony Rettenmaier, Juel Taylor, Musik: Pierre Charles, Desmond Murray
Darsteller: John Boyega, Teyonah Parris, Jamie Foxx, Kiefer Sutherland, Tamberla Perry, J. Alphonse Nicholson, David Alan Grier, Leon Lamar, Trayce Malachi, Big Boy, Juel Taylor
They Cloned Tyrone (2023) on IMDb Rotten Tomatoes: 95% (7,5); Altersempfehlung: 16, Dauer: 122 Minuten.
Der Afroamerikaner Fontaine (John Boyega, "Attack the Block") ist ein Drogendealer, der mit seiner Gang sein Revier in einer heruntergekommenen Gegend namens "The Glen" hat. Als Fontaine dem Zuhälter Slick Charles (Jamie Foxx, "Django Unchained") einen Besuch in einem Motel abstattet, weil der ihm Geld schuldet, läuft er anschließend jedoch in einen Hinterhalt des rivalisierenden Dealers Isaac (J. Alphonse Nicholson, "Just Mercy") und bekommt etwa ein halbes Dutzend Kugeln in den Körper – was erwartungsgemäß den sofortigen Tod zur Folge hat. Umso schockierter ist Slick Charles, als am nächsten Abend ein quicklebendiger Fontaine vor seiner Tür steht und das Geld eintreiben will, das Slick ihm schuldet. An die Ereignisse des Vorabends hat Tyrone keinerlei Erinnerungen und glaubt Slick dessen verrückte Story deshalb nicht, weshalb Slick ihn zu der bislang für ihn arbeitenden Prostituierten Yo-Yo (Teyonah Parris, "The Marvels") bringt, die seine Geschichte weitgehend bezeugen kann. Da Yo-Yo zudem einen Wagen wiedererkannt hat, der am Tatort war, stößt das Trio auf der Suche nach Antworten bald auf ein geheimes unterirdisches Labor – und findet heraus, daß der "neue" Fontaine offenbar ein Klon ist! Doch das ist nur ein winziger Teil einer riesigen Regierungsverschwörung ...

Kritik:
Zu den ungewöhnlicheren Trends in der Geschichte der US-amerikanischen Filmbranche zählt zweifellos das Blaxploitation-Genre. Während das klassische Hollywood ab Ende der 1960er Jahre durch das "New Hollywood" mit seinen "auteurs" und einem realistischeren, grimmigeren, ungeschönten Blick auf die (allerdings weiterhin überwiegend weiße) Gesellschaft revolutioniert wurde, gab es als Folge der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre auch eine erste Blütezeit des jungen schwarzen Kinos. Dabei gibt es einige Parallelen zwischen "New Hollywood" und Blaxploitation – allen voran den Fokus auf die Arbeiterklasse oder auch Kriminelle –, jedoch setzten die zumeist günstig und (speziell zu Beginn) fernab der Hollywood-Studios gedrehten Blaxploitation-Werke in erster Linie auf schillernde Pro- und Antagonisten sowie viel Gewalt, nackte Haut und Zynismus. Die besten Blaxploitation-Vertreter wie "Shaft" oder "Foxy Brown" taten das so gut, daß sie nicht nur kommerziell erfolgreich waren, sondern auch aufgrund ihres Einflusses in die Filmgeschichte eingingen. Denn obwohl die Blaxploitation-Ära letztlich nur eine knappe Dekade umfaßt, hat sie sie anschließend immer wieder Filmemacher inspiriert, gerade bei Quentin Tarantino finden sich viele Blaxploitation-Anspielungen und sein "Jackie Brown" (mit "Foxy Brown"-Heroine Pam Grier in der Titelrolle) ist sogar eine direkte Hommage an das kurzlebige Genre. Einen ähnlichen Weg schlägt Juel Taylors ("Actors Anonymous") stilecht in körnigen Bildern wie aus den 1970er Jahren gefilmte und sehr vergnügliche, von Netflix vertriebene SciFi-Actionkomödie "They Cloned Tyrone" ein, die man auch als "Get Out"-Update von Philip Kaufmanns Paranoia-SciFi-Klassiker "Die Körperfresser kommen" aus dem Jahr 1978 bezeichnen könnte.

Die "Get Out"-Vibes rühren in erster Linie aus der reichlich paranoid anmutenden Story her, die natürlich wiederum wunderbar zu den Filmen der 1970er Jahre paßt, in denen nach Vietnam und Watergate Paranoia- und Verschwörungs-Thriller wie "Die drei Tages Condor", "Zeuge einer Verschwörung" oder "Soylent Green" reüssierten. Im Vergleich zu diesen Filmen und "Get Out" kommt "They Cloned Tyrone" allerdings weitaus actionreicher und spaßiger daher, was primär an dem genialen Protagonisten-Trio liegt. Im Blaxploitation-Kino waren ungewöhnliche Helden respektive Antihelden eher Regel als Ausnahme, aber ein Team, das aus einem Drogendealer, einem Zuhälter und einer Prostituierten mit Reporter-Ambitionen besteht, dürfte neu sein (wobei ich zugegebenermaßen kein ausgewiesener Blaxploitation-Experte bin). Naturgemäß erscheint dieses unkonventionelle Trio auf den ersten Blick denkbar ungeeignet, um eine großangelegte Regierungsverschwörung aufzudecken – was ihnen diesbezüglich an angelernten Fähigkeiten fehlt, machen sie aber mit Engagement, Hartnäckigkeit und Improvisationskunst mehr als wett – wobei ihre etwas anderen Lösungswege regelmäßig für viel Freude beim Publikum sorgen. Die beste Figur macht dabei Jamie Foxx, der als heruntergekommener ("Pimp of the Year 1995"), aber immer noch sehr eloquenter Zuhälter wie entfesselt aufspielt und für die größten Lacher sorgt. Doch auch Teyonah Parris hat mit der detektivisch ambitionierten Yo-Yo (sie ist ein Riesenfan der "Nancy Drew"-Jugendbücher und läßt sich auch immer wieder von diesen inspirieren, wenn das Trio einmal nicht weiß, wie es weitergehen soll) eine denkwürdige Figur geschaffen. Dagegen geht "Star Wars"-Held John Boyega (der den für die Rolle ursprünglich vorgesehenen "Atlanta"-Star Brian Tyree Henry ersetzte) fast etwas unter, obwohl er ebenfalls überzeugend spielt – aber sein Fontaine ist einfach der bodenständigste und am wenigsten schillernde der drei zentralen Charaktere.

Bei allem Lob für "They Cloned Tyrone" stört allerdings ein wenig das Fehlen eines richtigen, greifbaren Antagonisten. Für diese Rolle ist Kiefer Sutherland ("Melancholia") vorgesehen, der seine – sicherlich nicht grundlos "Nixon" getaufte – Figur schön fies und aggressiv anlegt, aber leider nur zwei richtige Auftritte hat und selber zugibt, daß er letztlich nur ein Handlanger ist. Das reicht einfach nicht, um ihn als einen richtig großen "Big Bad" zu etablieren, der lange im Gedächtnis bleibt. Und wo wir schon bei Kritikpunkten sind: Das Improvisieren von Fontaine, Yo-Yo und Slick macht zwar immer wieder viel Spaß, ihr den Weg zum großen Showdown ebnender Plan kann allerdings nur funktionieren, wenn sich die Bösen extrem fahrlässig bis inkompetent verhalten. Das wirkt nur bedingt glaubwürdig und läßt außerdem die Bösewichte weniger bedrohlich erscheinen. Davon abgesehen funktioniert das actionreiche Finale aber gut und bringt die Geschichte zu einem gelungenen Ende. Nicht unerwähnt soll zudem der starke Soundtrack bleiben, den die Jazz-Musiker Pierre Charles und Desmond Murray geschaffen haben, unterstützt von einer zur Atmosphäre des Films passenden Songauswahl inklusive des tollen Diana Ross-Songs "Love Hangover" und des Quasi-Titelsongs "Who Cloned Tyrone" von Erykah Badu, die dafür extra ihr 1997 veröffentlichtes Lied "Tyrone" mit leicht verändertem Text neu aufgenommen hat.

Fazit: "They Cloned Tyrone" ist eine clevere, anspielungsreiche und äußerst vergnügliche, als Hommage ans Blaxploitation-Kino der 1970er Jahre angelegte SciFi-Actionkomödie mit einem genialen Protagonisten-Trio.

Wertung: Gut 8 Punkte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen