Regie: Matthew Warchus, Drehbuch: Dennis Kelly, Musik: Tim Minchin (Songs), Christopher
Nightingale
Darsteller: Alisha
Weir, Emma Thompson, Lashana Lynch, Sindhu Vee, Andrea
Riseborough, Stephen Graham, Rei Yamauchi Fulker, Charlie Hodson-Prior,
Meesha Garbett, Carl Spencer, Lauren Alexandra, Winter Jarrett
Glasspool, Andrei Shen, Ashton Robertson, Amber Adeyinka
Altersempfehlung: 6,
Dauer 117 Minuten.
Die 11-jährige
Matilda Wurmwald (Alisha Weir, "Don't Leave Home") hat noch nie eine Schule von innen
gesehen, weil ihre an ihr überhaupt nicht interessierten Proll-Eltern
(Stephen Graham und Andrea Riseborough) einfach nicht daran gedacht
haben, sie anzumelden. Geschadet hat das der aufgeweckten Matilda nicht wirklich, denn sie
hat sich auch auf eigene Faust zu einer echten Leseratte entwickelt,
die täglich die rollende Bibliothek von Frau Phelps (Sindhu Vee)
besucht und mehrere anspruchsvolle Romane pro Woche liest. Als das
Jugendamt schließlich auf Matilda aufmerksam wird, wird sie an
die Schule Crunchem Hall gebracht. Ihre freundliche Klassenlehrerin
Fräulein Honig (Lashana Lynch, "Captain Marvel") braucht
nicht lange, um zu bemerken, welch besonderes Mädchen Matilda ist,
die sich als echtes Genie herausstellt. Das ist gar nicht
im Sinne der sadistischen Schulleiterin Agatha Knüppelkuh (Emma
Thompson, "Tatsächlich … Liebe"), denn die ehemalige
Profi-Hammerwerferin hasst Kinder leidenschaftlich und glaubt fest
daran, daß man sie erst brechen muß, ehe man ihnen etwas beibringen
kann. Mit ihrem schrecklichen Verhalten kam die furchterregende
Schulleiterin bislang stets durch, weil selbst die Lehrer sie fürchten; doch Matilda ist nicht gewillt,
sich von der Knüppelkuh alles bieten zu lassen. Sie ist der Funken,
der eine Revolution entbrennen läßt ...
Kritik:
Die oft
schwarzhumorigen Werke des 1990 verstorbenen Kinderbuch-Autors Roald
Dahl sind in seiner britischen Heimat absoluter Kult, im
deutschsprachigen Raum scheinen sie mir deutlich weniger verbreitet
zu sein – jedenfalls hatte ich in meiner Kindheit keinerlei Kontakt
zu Dahls Geschichten und wurde erstmals als Erwachsener durch Tim
Burtons Verfilmung von "Charlie und die Schokoladenfabrik"
mit Johnny Depp auf ihn aufmerksam. Auch sein Roman "Matilda"
wurde bereits verfilmt und Danny DeVitos Adaption aus dem Jahr 1996
erfreut sich bis heute nicht nur auf der Insel großer Beliebheit.
2011 brachte dann die Royal Shakespeare Company eine Musical-Version
der Geschichte auf Londons Bühnen und wie bei fast jedem
erfolgreichen Musical war es auch hier lediglich eine Frage der Zeit, bis
es eine aufwendige Verfilmung erhält. Die entstand unter der Regie
des renommierten Theater- und Filmemachers Matthew Warchus
("Pride") und erhielt glänzende Kritiken, jedoch
lediglich in Großbritannien einen großflächigen Kinostart (wo der
Film prompt zu einem Weihnachts-Hit wurde); im Rest der Welt
erfolgte die Veröffentlichung direkt bei Netflix. Das ist
bedauerlich, aber auch auf dem heimischen TV-Gerät bezaubert das
märchenhafte Musical mit seinem skurrilen und überzogenen Humor,
schrägen Charakteren und tollen Songs von Tim Minchin (der
inzwischen übrigens auch ein "Und täglich grüßt das
Murmeltier"-Musical am Broadway zur Aufführung gebracht hat – mal sehen, wann das verfilmt wird).
Da
ich weder Dahls Buch noch Danny DeVitos Adaption kenne, konnte ich
völlig unbelastet an "Matilda – Das Musical" herangehen.
Und es ist erstaunlich, wie viel Laune die Geschichte macht
angesichts der Tatsache, daß der Film mit Fug und Recht ebensogut
"Kindesmißbrauch (emotional und körperlich) – Das Musical"
heißen könnte. Denn im Grunde genommen geht es tatsächlich knapp
zwei Stunden lang darum, wie Matilda von ihren Eltern emotional mißbraucht
und vernachlässigt wird und die Schüler von Crunchem Hall von der Schulleiterin Knüppelkuh emotional und körperlich.
Daß das in einem Film, der eine Altersempfehlung ab 6 Jahren hat,
funktionieren kann, liegt natürlich daran, daß es so extrem
überzogen dargestellt wird – und an der furchtlosen Matilda, die
sich nie unterkriegen läßt und schon bald die Revolution gegen das
herzlose Establishment anführt. Und wenn die gesamte Filmwelt so
eindeutig unrealistisch und übertrieben ist und dies auf die von
einer dank einer offensichtlich auf Hochtouren arbeitenden Masken-
und Kostümabteilung kaum zu erkennenden Emma Thompson grandios verkörperte Antagonistin Knüppelkuh erst recht
zutrifft, dann ist es eben auch lustig, wenn die frühere Hammerwerferin
auf dem Pausenhof ein kleines Mädchen an ihren Zöpfen packt, sie wie
einen Hammer über dem Kopf kreisen läßt und zu einem weiten
Flug in ein Gebüsch wegschleudert. Ja, es ist sogar sehr
komisch, weil das Mädchen es natürlich (weitestgehend) unbeschadet
übersteht und der ganze Vorgang so absurd ist, daß niemand bei
Verstand das ernstnehmen kann …
Solche Szenen hat
"Matilda – Das Musical" zahlreich zu bieten, allerdings
gibt es in dem grob in drei Handlungsstränge unterteilten Film auch
ernstere Momente und selbstredend viele groß aufgezogene
Musicalnummern. Die Struktur der Geschichte folgt streng Matildas
Tagesablauf: Wir beginnen bei ihr zu Hause, wo sie von ihren Eltern
bestenfalls mit Mißachtung gestraft wird (und sie gerade ihrem Vater als
Rache dafür immer wieder Streiche spielt), dann wechseln wir zur
Schule, wo die liebevolle Behandlung durch Fräulein Honig mit der
Tyrannei der Knüppelkuh kontrastiert und nach der Schule folgen wir
Matilda zur netten Bibliothekarin Frau Phelps, der die phantasievolle
Schülerin eine epische, tragische Geschichte über die Liebe
zwischen einer Akrobatin und einem Entfesselungskünstler erzählt.
Dieser Storystrang wirkt zunächst deutlich vom Rest abgetrennt, fügt
sich aber doch harmonisch ins Ganze, als sich eine
unerwartete Verbindung auftut. Matildas Geschichte wie auch die Musical-Nummern nutzt der Regisseur für aufwendige, visuell immer wieder einfallsreich gestaltete Massenchoreographien. Zum Glück gibt es bei den Songs auch absolut keine Ausfälle. Die
schmissigen Melodien und die witzigen Texte sorgen wiederholt für
Erheiterung wie beim wunderbaren "School Song" (der amüsant das Alphabet einbindet) oder dem von Emma Thompson
leidenschaftlich vorgetragenen "The Smell of Rebellion".
Kurzum: "Roald Dahls Matilda – Das Musical" ist ein
riesengroßer Spaß für Groß und Klein, auch wenn durch den Fokus
auf die Songs sowie die übertriebene Darstellung die einzelnen
Charaktere recht oberflächlich bleiben. Aber das machen die
enthusiastischen Schauspieler mehr als wett, wobei neben den
Kinderdarstellern um die quirlige Alisha Weir vor allem Emma
Thompson als bösartige Knüppelkuh richtiggehend aufblüht.
Fazit:
"Roald Dahls Matilda – Das Musical" ist ein enorm
unterhaltsames und sehr skurriles (man könnte sagen: typisch britisches) Musical für die ganze Familie, das
mit starken Songs, großartigen Choreographien und einem gut
aufgelegten Cast begeistert.
Wertung:
9 Punkte.
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