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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 29. Dezember 2022

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY (2022)

Regie und Drehbuch: Rian Johnson, Musik: Nathan Johnson
Darsteller: Daniel Craig, Edward Norton, Janelle Monáe, Dave Bautista, Kathryn Hahn, Kate Hudson, Leslie Odom Jr., Jessica Henwick, Madelyn Cline, Noah Segan, Hugh Grant, Jackie Hoffman, Dallas Roberts, Ethan Hawke, Angela Lansbury, Stephen Sondheim, Kareem Abdul-Jabbar, Natasha Lyonne, Serena Williams, Yo-Yo Ma, Jake Tapper, Joseph Gordon-Levitt
Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (8,0); US-Einspielergebnis: $13,3 Mio.
FSK: 12, Dauer: 139 Minuten.
Mai 2020: Die COVID-19-Pandemie grassiert in den USA und der Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig, "Skyfall") langweilt sich während des Lockdowns beinahe zu Tode – zumal er erstaunlich schlecht bei Gesellschaftsspielen ist. Umso willkommener ist die Einladung des visionären Tech-Milliardärs Miles Bron (Edward Norton, "Birdman"), der jedes Jahr seine engen Freunde zu einem verschwenderischen Wochenende einlädt. Diesmal ist das Ziel seine neue Privatinsel nahe der griechischen Küste, wo er ein "Murder Mystery"-Spiel vorbereitet hat, in dem sein eigener Tod aufgeklärt werden soll – und mit Blanc gibt es erstmals eine zum Thema passende Addition zur etablierten Gruppe. Die setzt sich zusammen aus der Politikerin und Gouverneurin Claire (Kathryn Hahn, "Bad Moms"), dem Twitch-Streamer und "Männerrechtler" Duke (Dave Bautista, "Hotel Artemis") mit seiner Freundin Whiskey (Madelyn Cline, TV-Serie "Outer Banks"), dem Wissenschaftler Lionel (Leslie Odom Jr., "Mord im Orient Express") und dem ehemaligen Supermodel Birdie (Kate Hudson, "Almost Famous") mit ihrer Assistentin Peg (Jessica Henwick, "Love and Monsters"). Für alle überraschend nimmt ebenfalls Miles' frühere Geschäftspartnerin Andi (Janelle Monáe, "Hidden Figures") die Einladung an, obwohl Miles sie erst vor kurzer Zeit vor Gericht aus dem gemeinsam gegründeten Unternehmen gedrängt hatte. Spannungen sind also vorhanden und schon bald gibt es eine echte Leiche. Blancs Spürnase ist gefragt ...

Kritik:
Nachdem sein erster "Star Wars"-Film "Die letzten Jedi" dem US-Filmemacher Rian Johnson zwar viel Lob, aber auch reichlich Ärger (von Fans, die seine Story-Entscheidungen ablehnten) einbrachte, gelang ihm im Jahr 2019 mit der ironischen Agatha Christie-Hommage "Knives Out" ein Hit, der bei Kritikern und sonstigen Zuschauern gleichermaßen prächtig ankam – und Rian Johnson eine OSCAR-Nominierung fürs Drehbuch einbrachte. Da gerade die vom langjährigen James Bond-Darsteller Daniel Craig verkörperte Hauptfigur des Privatdetektivs Benoit Blanc auf Anhieb viele Fans fand, war eine Fortsetzung nur eine Frage der Zeit und wurde recht schnell beschlossen. Jedoch nicht von einem der klassischen Hollywood-Studios, sondern von Netflix, denn der Streamingdienst-Pionier setzte sich in einem Wettbieten durch. Leider bedeutet das auch, daß "Glass Onion: A Knives Out Mystery" nur einen (erfolgreichen) Alibi-Kurzeinsatz in den Kinos hatte und für die meisten Interessierten lediglich im Heimkino zu sehen ist. Das ist bedauerlich, da "Glass Onion" den Vorgänger in vielerlei Hinsicht sogar noch übertrifft und den Kinos mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen zusätzlichen, nach der Corona-Pandemie dringend benötigten Hit beschert hätte. Außerdem hätte es der Film schlicht verdient gehabt, auf einer großen Leinwand genossen zu werden. Letztlich funktioniert "Glass Onion" – benannt nach einem wenig bekannten Beatles-Song – aber natürlich auch auf dem heimischen Bildschirm ausgezeichnet und lässt auf weitere Abenteuer von Benoit Blanc hoffen.

Obwohl die Reaktionen auf "Glass Onion" insgesamt weit überwiegend positiv sind, scheint der Film doch etwas stärker zu polarisieren als der allseits mindestens respektierte "Knives Out". Das ist bei genauerer Betrachtung nicht verwunderlich, da Johnson stilistisch einen anderen Weg einschlägt als beim im Kern relativ konventionellen Vorgänger, noch stärker seinem Faible für exzentrische Figuren nachgibt und zudem ganz gezielt die Tech-Branche und die sozialen Medien aufs Korn nimmt. Bereits der Einstieg in die neue Geschichte dürfte einige Interessierte irritieren bis verschrecken, denn während "Knives Out" ein Krimi mit humorvollen Elementen war, präsentiert sich "Glass Onion" von Beginn an als eine waschechte Krimikomödie, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Das erkennt man auch an der Präsentation des "Glass Onion"-Personals (aka "die Verdächtigen"). Bereits in "Knives Out" war das Ensemble schön schräg und ein wenig überzeichnet, allerdings ging Johnson dabei noch ziemlich subtil vor. In "Glass Onion" legt er eine Schippe drauf und zeigt uns die Entourage des stark an einen gewissen Elon Musk erinnernden Tech-Milliardärs Miles Bron als parodistisch überhöhte Stereotype. Die sind aber sehr gut beobachtet und damit ausgesprochen treffsicher, zudem ungemein amüsant. Alleine für die Idee, den ganzkörpertätowierten Ex-Wrestler und Muskelprotz Dave Bautista als prolligen Twitch-Streamer und "Männerrechtler" zu besetzen (der natürlich bei seiner Mutter wohnt, die auch gerne mal seine Live-Streams stört …), hätte Johnson einen OSCAR verdient – und Bautista, der sich seit dem Ende seiner Wrestling-Karriere leidenschaftlich in jede neue Rolle stürzt und dabei wiederholt bemerkenswertes schauspielerisches Talent offenbart (mein Favorit in dieser Hinsicht ist immer noch sein kleiner, feiner Auftritt in "Blade Runner 2049"), erweist sich als echter Glücksgriff, der Duke Cody bei aller Karikatur erstaunlich facettenreich und gar nicht unsympathisch portraitiert.

Daß Rian Johnson mit "Glass Onion" vom Erfolg des Vorgängers profitieren und selbst noch mehr Spaß beim Drehen haben wollte, beweist bereits die erste Szene von Benoit Blanc, der – wie offenbar ständig seit Beginn des Corona-Lockdowns – in der Badewanne liegt und in seiner Verzweiflung, seine Fähigkeiten nicht in der "echten Welt" einsetzen zu können, via Zoom mit einigen Freunden das Mehrspieler-Phänomen "Among Us" spielt. Diese Freunde sind nämlich echte Prominente und es bleiben nicht die einzigen hochkarätigen Cameos in "Glass Onion" – neben Craig kehren aus "Knives Out" übrigens auch Johnsons langjährige "Maskottchen" Noah Segan und Joseph Gordon-Levitt zurück (in neuen Rollen), die in jedem von Johnsons Filmen dabei sind. Die tödliche Langeweile erklärt auch, warum Blanc die unverhoffte Einladung durch Miles Bron zu dessen "Murder Mystery" sofort annimmt und voller Vorfreude und Tatendrang in Griechenland eintrifft. Mit der Ankunft auf Miles' luxuriöser, hochtechnologisierter Privatinsel legt dann der Krimi-Teil von "Glass Onion" richtig los. Und bei allen komödiantischen Elementen kann der sich wirklich sehen lassen. Wie in "Knives Out" gibt es irgendwann einen (wirklich!) überraschenden Twist, der das Publikum das Geschehen aus einer gänzlich neuen Perspektive betrachten läßt. Zudem greift Johnson auf einige erzählerische Tricks zurück, die legitim und im Krimi-Genre sehr wohl etabliert sind, bei manchen Anhängern klassischer Krimikost jedoch eine gewisse Verärgerung hervorrufen und das (berechtigte) Gefühl, von Johnson manipuliert zu werden. Das sorgt aber eben auch dafür, daß "Glass Onion" bis zum Schluß unvorhersehbar bleibt und immer wieder neue spannende und amüsante Haken schlägt – die am Ende meiner Ansicht nach sogar alle Sinn ergeben (wobei Johnson glücklicherweise nicht alles haarklein erklärt, sondern einige Zusammenhänge die Zuschauer selbst erkennen läßt – doch dafür muß man halt auch aufpassen ...).

Um Spoiler zu vermeiden, kann ich auf die Story nicht konkret eingehen, aber verraten, daß ich sie als sehr vergnüglich und clever empfand mit einigen herrlichen, zielgenauen Seitenhieben auf die sozialen Medien, die Tech-Branche und Typen wie Musk (dessen Twitter-Eskapaden Johnson beim Verfassen des Drehbuchs noch nicht ahnen konnte, aber im Grunde genommen gut vorhersagt). Zudem ist der Hauptschauplatz – Miles' Privatinsel – sehenswert gestaltet, die Figuren sind mit schön exzentrischen Kostümen ausgestattet (vor allem Blancs Kleidung sorgt für einige hochgezogene Augenbrauen und Schmunzler) und die bunte Songauswahl von den Bee Gees über David Bowie und Nat King Cole bis zu den Red Hot Chili Peppers unterstreicht die gute Laune, die "Glass Onion" verbreitet. Das Ensemble ist derweil vielleicht nicht ganz so namhaft wie in "Knives Out", aber ebenfalls paßgenau. Interessant ist dabei, daß Daniel Craig viel mehr Raum als im Vorgänger bekommt, um seinen Benoit Blanc (der in "Knives Out" lange primär als Beobachter im Hintergrund fungierte) weiterzuentwickeln. Diesmal wirkt Blanc weit exzentrischer – was natürlich zumindest teilweise eine Folge des Corona-Lockdowns sein kann – und erinnert ein wenig an Kenneth Branaghs Hercule Poirot-Darstellung ohne dessen Hang zur Melancholie (wobei ich Blancs auffällige Badekleidung jedoch für eine Hommage an Sir Peter Ustinovs Poirot in "Das Böse unter der Sonne" halte). Dieser aktivere, leidenschaftlichere und etwas skurrilere Benoit Blanc mag ein wenig gewöhnungsbedürftig sein, hinterläßt meines Erachtens aber mehr Eindruck als in "Knives Out". Neben Craig und Bautista überzeugen vor allem Edward Norton – bei dessen Miles Bron man nie genau weiß, ob er nun das Genie ist, als das er gilt, oder nur ein gerissener und vom Glück verfolgter Idiot – und Janelle Monáe, die aufgrund ihrer Vorgeschichte mit Miles neben Blanc die zweite Außenseiterin der Gruppe ist. Abschließend möchte ich noch einmal betonen, wie unverschämt lustig "Glass Onion" ist. Es gibt etliche wunderbare Momente, die mich laut auflachen ließen, wobei sich das sowohl auf Johnsons Dialoge bezieht (vor allem Blanc glänzt mit einigen herrlichen Bonmots) als auch auf Situationskomik (etwa, als Blanc Miles' "Murder Mystery" aufklärt). "Glass Onion" macht viel Spaß und überzeugt nebenbei noch mit seinem intelligent aufgezogenen Krimiplot. Ein dritter Fall für Benoit Blanc, wiederum aus der Feder von Johnson, gilt glücklicherweise als sicher.

Fazit: "Glass Onion: A Knives Out Mystery" ist eine herrliche Krimikomödie mit einem sehr gut aufgelegten Ensemble und einer spannenden, wendungsreichen Story.

Wertung: Gut 9 Punkte.

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