Regie und Drehbuch: Rian Johnson, Musik: Nathan Johnson
Darsteller: Daniel Craig, Ana de Armas, Christopher Plummer,
Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Don Johnson, Toni Collette, Katherine Langford,
Michael Shannon, Frank Oz, LaKeith Stanfield, Noah Segan, Edi Patterson, Riki Lindhome,
Jaeden Martell, M. Emmet Walsh, Marlene Forte, K Callan, Joseph
Gordon-Levitt (Stimme)
FSK: 12, Dauer: 131 Minuten.
Als Haushälterin Fran (Edi Patterson, TV-Serie "The Righteous Gemstones") den Bestseller-Kriminalautor Harlan Thrombey
(Christopher Plummer, "Verblendung") am Morgen nach seinem mit einer großen Familienfeier
begangenen 85. Geburtstag tot auffindet, scheint die
Sache klar: Harlan hat sich selbst die Kehle durchgeschnitten, alles
deutet also auf Selbstmord hin. Das sehen eigentlich auch die beiden ermittelnden
Polizisten Elliot (LaKeith Stanfield, "Selma") und Wagner (Noah Segan,
"Tales of Halloween") nicht anders, doch ein anonymer Hinweisgeber hat den berühmten
Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig, "Skyfall") auf den Fall
angesetzt, der den Polizisten zur Hand geht und schnell einige Ungereimtheiten
entdeckt. Weil, falls Harlan doch ermordet wurde, alle seine Verwandten
Tatverdächtige wären, rekrutiert Blanc kurzerhand Harlans schüchterne Pflegerin
Marta (Ana de Armas, "Blade Runner 2049") als Assistentin, da
sie erstens ein Alibi hat und zweitens eine für das Begehen krimineller Taten
höchst ungünstige zwanghafte Angewohnheit: Wenn sie lügt, muß sie sich fast unmittelbar übergeben! Mit Martas widerwilliger Hilfe findet Blanc heraus, daß sich
hinter der halbwegs harmonischen Fassade der Familie Thrombey einige
Abgründe auftun und im Grunde genommen jeder ein Tatmotiv hat …
Kritik:
Wenn man mich fragt, ist die Filmographie des
US-Filmemachers Rian Johnson fast makellos: Er begann seine Karriere mit dem
Low Budget-Meisterwerk "Brick", ließ mit "Brothers Bloom"
eine etwas unrunde, aber unterhaltsame Tragikomödie folgen, schaffte mit
dem einfallsreichen SciFi-Kracher "Looper" den weltweiten Durchbruch
und schuf mit "Star Wars Episode VIII: Die letzten Jedi" den
inhaltlich mutigsten "Star Wars"-Film seit "Das Imperium schlägt
zurück" aus dem Jahr 1980. Das Problem ist, daß zumindest letztere
Einschätzung keineswegs von allen Filmbegeisterten geteilt wird: "Die letzten
Jedi" hat das Publikum so scharf polarisiert wie kein anderer Teil der
Reihe und weil das "Star Wars"-Fanuniversum gigantisch und
ausgesprochen meinungsstark ist, geriet Johnson als kreative Kraft hinter
"Die letzten Jedi" ins Kreuzfeuer der leidenschaftlichen Debatten.
Kein Wunder also, daß ihm danach der Sinn nach einer ruhigeren, kleineren
Produktion stand – da Johnson bekennender Anhänger klassischer
Whodunit-Krimis ist, schuf er mit "Knives Out – Mord ist
Familiensache" eine intelligente, raffiniert konstruierte und mit
einem exzellenten Schauspiel-Ensemble zum Leben erweckte Hommage speziell an
die Meisterin des Genres, Agatha Christie. Verdienter Lohn:
"Knives Out" entwickelte sich auch dank überragender Kritiken zu
einem unerwarteten Blockbuster und einem der erfolgreichsten Originalstoffe der letzten Jahre.
Problematisch ist, daß "Knives
Out" so unberechenbar ist, so voller wirklich überraschender Wendungen,
die auch noch ausnahmslos absolut Sinn ergeben und stets glaubwürdig bleiben,
daß ich über den Inhalt abseits der Prämisse wegen extremer Spoilergefahr eigentlich nichts
verraten will. Also muß ich das irgendwie umgehen, und da erweist es sich als
praktisch, daß "Knives Out" zu meiner Überraschung einige Parallelen
zu Bong Joon-hos beinahe zeitgleich veröffentlichtem südkoreanischen Hit "Parasite"
aufweist. Beide sind von (schwarzem) Humor durchzogen und präsentieren ihre
wendungsreiche Geschichte betont satirisch, doch was noch auffälliger ist:
Beide Filme sind im Kern sehr gesellschaftskritisch. Zugegeben, bei
"Parasite" ist dieses Element stärker ausgeprägt – dafür allerdings
relativ landesspezifisch –, während es bei "Knives Out" hinter dem Krimi- und Unterhaltungsaspekt zurücksteht. Doch der Konflikt Arm
gegen Reich ist beiden Werken gemein und wird bei "Knives Out" in
erster Linie durch die gutmütige Pflegerin Marta verkörpert. Die wird von den
reichen Thrombeys vordergründig fast wie ein Familienmitglied behandelt, was ihr sogar immer
wieder direkt vermittelt wird – doch von der großmütigen Solidarität und der
Dankbarkeit für ihr Engagement für Harlans Wohlbefinden ist bei den meisten nicht mehr viel zu erkennen, sobald die Dinge dank Blancs Ermittlungen
kompliziert werden (und schon zuvor darf sie nicht an der Beerdigung teilnehmen,
was ihr von verschiedenen Familienmitgliedern mit einem bedauernden "Ich
wurde überstimmt!" erklärt wird …). Ein Unterschied zu "Parasite" ist, daß die
dortige reiche Familie einer gewissen Arroganz zum Trotz eigentlich recht nett und normal
dargestellt wird, wohingegen die Thrombeys eine Ansammlung von streitbaren
Exzentrikern sind, deren Persönlichkeitsentwicklung es nicht gut getan hat, zu
lange von Harlan finanziell verwöhnt worden zu sein.
Der Ansatz von "Parasite" mag diesbezüglich authentischer sein, der von "Knives Out" ist dafür fraglos unterhaltsamer und bietet dem namhaften Ensemble viel Raum, sich schauspielerisch auszutoben. Gerade Jamie Lee Curtis ("Halloween") glänzt als Harlans sarkastische Tochter Linda wieder einmal, aber auch Don Johnson ("Django Unchained") als ihr großspuriger Gatte Richard, Toni Collette ("Ganz weit hinten") als Harlans zur Esoterik neigende Schwiegertochter Joni, Katherine Langford ("Love, Simon") als Jonis Tochter Meg oder Michael Shannon ("Shape of Water") als Harlans seinen Verlag leitender Sohn Walt zeigen, was sie können; ebenso das in zahlreichen Rückblenden agierende (Selbst-)Mordopfer Christopher Plummer und die beiden von LaKeith Stanfield und Noah Segan verkörperten Cops. Im Mittelpunkt steht allerdings ein ungleiches Trio: Privatdetektiv Blanc, Pflegerin Marta und Harlans rebellischer Enkel Ransom, das schwarze Schaf der Familie. Gerade die Interaktion des von Daniel Craig herrlich lakonisch interpretierten Meisterdetektivs mit der inmitten der Thrombeys wie ein Lamm unter hungrigen Löwen wirkenden Marta sorgt für etliche Highlights – nicht ohne Grund wurden Craig und Ana de Armas für einen Golden Globe nominiert. Chris Evans genießt derweil nach vielen Jahren als edelmütiger Captain America die Rolle als aufbrausender und arroganter, manchmal aber auch liebenswürdiger Ransom mit Strickpullover-Fetisch (die von Ransom getragenen Pullis haben innerhalb kürzester Zeit Kultstatus erlangt, es gibt sogar Kinovorstellungen ausschließlich für Pulli tragende Zuschauer!) sichtlich. Unter der Konzentration auf diese drei leidet das restliche, auffällig farbenfroh gewandete Ensemble ein wenig, doch Johnson hat penibel darauf geachtet, allen ein paar starke Momente zuzuschustern. Im Zusammenspiel mit der wirklich cleveren, erwartungsgemäß zahlreiche Anspielungen auf klassische Whodunits bergenden Handlung, die – schon wieder eine Parallele zu "Parasite" – immer wieder neue Wege einschlägt und dabei die Spannung nach einem noch etwas gemächlichen Einstieg gut zwei Stunden lang mühelos hochhält (was schon deshalb eine bemerkenswerte Leistung ist, weil das Publikum durch die Rückblenden stets mehr weiß als die Ermittler), ergibt das einen der originellsten Hollywood-Filme der letzten Jahre. Erfreulicherweise zeigt sich Rian Johnson offen für eine Fortsetzung mit einem weiteren Fall von Benoit Blanc – und Daniel Craig sollte nach seinem Abschied von James Bond ja auch genügend Zeit haben. Übrigens: In meinen Augen schlägt "Knives Out" "Parasite" qualitativ deutlich, da er einfach unterhaltsamer ist und seine Wendungen wesentlich glaubwürdiger wirken – die OSCAR-Juroren sahen das offenbar etwas anders, denn während "Parasite" für sechs Academy Awards nominiert wurde, mußte sich "Knives Out" mit einer für Johnsons Drehbuch begnügen.
Der Ansatz von "Parasite" mag diesbezüglich authentischer sein, der von "Knives Out" ist dafür fraglos unterhaltsamer und bietet dem namhaften Ensemble viel Raum, sich schauspielerisch auszutoben. Gerade Jamie Lee Curtis ("Halloween") glänzt als Harlans sarkastische Tochter Linda wieder einmal, aber auch Don Johnson ("Django Unchained") als ihr großspuriger Gatte Richard, Toni Collette ("Ganz weit hinten") als Harlans zur Esoterik neigende Schwiegertochter Joni, Katherine Langford ("Love, Simon") als Jonis Tochter Meg oder Michael Shannon ("Shape of Water") als Harlans seinen Verlag leitender Sohn Walt zeigen, was sie können; ebenso das in zahlreichen Rückblenden agierende (Selbst-)Mordopfer Christopher Plummer und die beiden von LaKeith Stanfield und Noah Segan verkörperten Cops. Im Mittelpunkt steht allerdings ein ungleiches Trio: Privatdetektiv Blanc, Pflegerin Marta und Harlans rebellischer Enkel Ransom, das schwarze Schaf der Familie. Gerade die Interaktion des von Daniel Craig herrlich lakonisch interpretierten Meisterdetektivs mit der inmitten der Thrombeys wie ein Lamm unter hungrigen Löwen wirkenden Marta sorgt für etliche Highlights – nicht ohne Grund wurden Craig und Ana de Armas für einen Golden Globe nominiert. Chris Evans genießt derweil nach vielen Jahren als edelmütiger Captain America die Rolle als aufbrausender und arroganter, manchmal aber auch liebenswürdiger Ransom mit Strickpullover-Fetisch (die von Ransom getragenen Pullis haben innerhalb kürzester Zeit Kultstatus erlangt, es gibt sogar Kinovorstellungen ausschließlich für Pulli tragende Zuschauer!) sichtlich. Unter der Konzentration auf diese drei leidet das restliche, auffällig farbenfroh gewandete Ensemble ein wenig, doch Johnson hat penibel darauf geachtet, allen ein paar starke Momente zuzuschustern. Im Zusammenspiel mit der wirklich cleveren, erwartungsgemäß zahlreiche Anspielungen auf klassische Whodunits bergenden Handlung, die – schon wieder eine Parallele zu "Parasite" – immer wieder neue Wege einschlägt und dabei die Spannung nach einem noch etwas gemächlichen Einstieg gut zwei Stunden lang mühelos hochhält (was schon deshalb eine bemerkenswerte Leistung ist, weil das Publikum durch die Rückblenden stets mehr weiß als die Ermittler), ergibt das einen der originellsten Hollywood-Filme der letzten Jahre. Erfreulicherweise zeigt sich Rian Johnson offen für eine Fortsetzung mit einem weiteren Fall von Benoit Blanc – und Daniel Craig sollte nach seinem Abschied von James Bond ja auch genügend Zeit haben. Übrigens: In meinen Augen schlägt "Knives Out" "Parasite" qualitativ deutlich, da er einfach unterhaltsamer ist und seine Wendungen wesentlich glaubwürdiger wirken – die OSCAR-Juroren sahen das offenbar etwas anders, denn während "Parasite" für sechs Academy Awards nominiert wurde, mußte sich "Knives Out" mit einer für Johnsons Drehbuch begnügen.
Fazit: "Knives Out – Mord ist
Familiensache" ist ein sehr unterhaltsamer, kaum vorhersehbarer,
satirisch angehauchter Whodunit-Krimi, der zum fröhlichen Miträtseln einlädt und klassische Genretropen erstaunlich harmonisch mit beißender Gesellschaftskritik und raffinierten Einfällen verbindet.
Wertung: 8,5 Punkte.
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