Originaltitel: The Personal History of David Copperfield
Regie und Drehbuch:
Armando Iannucci, Musik: Christopher Willis
Darsteller: Dev
Patel, Tilda Swinton, Hugh Laurie, Ben Whishaw, Rosalind Eleazar,
Morfydd Clark, Peter Capaldi, Bronagh Gallagher, Aneurin Barnard,
Nikki Amuka-Bird, Benedict Wong, Daisy May Cooper, Paul Whitehouse, Aimée Kelly,
Anthony Welsh, Matthew Cottle, Darren
Boyd, Lynn Hunter, Gwendoline Christie, Ruby Bentall, Anna Maxwell Martin, Victor
McGuire
FSK: 6, Dauer: 119
Minuten.
Viktorianisches
England, 19. Jahrhundert: Als die verwitwete Clara (Morfydd Clark,
Amazon-Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht")
wieder heiratet, ist das für ihren Sohn David Copperfield (als
Erwachsener: Dev Patel, "The Green Knight") keine gute
Nachricht. Sein neuer Stiefvater Edward Murdstone (Darren Boyd,
TV-Miniserie "Little Dorrit") und dessen Schwester Jane
(Gwendoline Christie, "Star Wars Episode VIII") behandeln
David denkbar schlecht und schicken ihn letztlich nach London, wo er für einen Hungerlohn in Murdstones Flaschenfabrik
arbeiten muß. Immerhin findet er beim exzentrischen, chronisch
verschuldeten Mr. Micawber (Peter Capaldi, "The Suicide Squad")
und seiner Frau (Bronagh Gallagher, "Grabbers") einen halbwegs
sicheren Unterschlupf. Etwa zehn Jahre später ist David erwachsen; als seine Mutter stirbt, verläßt er die Flaschenfabrik endlich
und trifft auf seine ebenso reiche wie wohlmeinende Tante Betsey
Trotwood (Tilda Swinton, "Suspiria"). Die
ermöglicht ihm eine Ausbildung an einer recht exklusiven Schule für
Jungen, wo sich David mit dem charismatischen, jedoch ziemlich
arroganten James Steerforth (Aneurin Barnard, "Dunkirk")
anfreundet und sich in die hübsche Anwaltstochter Dora Spenlow (erneut:
Morfydd Clark) verliebt ...
Kritik:
Wie
zahlreiche andere Werke von Charles Dickens wurde auch sein
berühmter, 1850 als Buch veröffentlichter Bildungsroman "David
Copperfield" vielfach für Kino und Fernsehen adaptiert.
Die hochkarätigste Verfilmung ist vermutlich die für drei OSCARs
nominierte und auch heute noch sehenswerte Version aus dem Jahr 1935
mit Freddie Bartholomew, Lionel Barrymore, Basil Rathbone und W.C. Fields von "Die Nacht vor der Hochzeit"-Regisseur George
Cukor. Im TV-Bereich machte vor allem ein von Simon Curtis inszenierter BBC-Zweiteiler mit dem späteren "Harry Potter" Daniel Radcliffe sowie Dame
Maggie Smith, Bob Hoskins und Sir Ian McKellen auf sich aufmerksam (1999).
20 Jahre später wagte sich der britische Serien- und Filmemacher Armando
Iannucci ("The Death of Stalin", TV-Serie "The Thick of It") unter dem deutschen Titel "David Copperfield – Einmal Reichtum und
zurück" an eine
Neuverfilmung fürs Kino, die sich in der Besetzung betont divers
gibt und die komödiantischen Aspekte der Geschichte deutlich
hervorhebt. Das Resultat von Iannuccis Mühen ist ein Film, der
wahrscheinlich gerade Dickens-Kenner zunächst mit seiner Albernheit
und manchen Slapstick-Einlagen irritiert, im Lauf der zwei Stunden jedoch deutlich an Format gewinnt und auch dank der hochkarätigen
Besetzung immer mehr Spaß macht. Die Kritiker waren recht begeistert, das Kinopublikum zeigte diesem etwas anderen
"David Copperfield" außerhalb Großbritanniens aber leider die
kalte Schulter, weshalb unter dem Strich ein kommerzieller Flop
steht.
Die Handlung von "David Copperfield" ist episodisch
strukturiert, was es zur Herausforderung macht, daraus einen kohärenten Film ohne größere Durchhänger zu machen. Auch
Iannucci gelingt das nicht einhundertprozentig, doch er verknüpft die einzelnen
Anekdoten insgesamt überzeugend miteinander und sorgt für ein weitgehend gelungenes
Erzähltempo. Anfangs ist es, wie erwähnt, gar nicht
einfach, sich an den teils sehr albernen Humor und die
übertrieben exzentrischen Charaktere zu gewöhnen. Gerade Peter
Capaldis Mr. Micawber wirkt eher wie eine Parodie, auch an den
weltfremden Erfinder Mr. Dick (Hugh Laurie, TV-Serie "Dr.
House") oder den trinkfreudigen Mr. Wickfield (Benedict Wong,
"Doctor Strange") muß man sich erst einmal gewöhnen. Dies gilt
erst Recht im Kontrast zu weit ambivalenteren und
zwielichtigeren Figuren wie Davids Freund James Steerforth oder dem
wieseligen Anwaltsgehilfen Uriah Heep (Ben Whishaw, "Skyfall").
Doch auf wundersame Art und Weise fügt sich nach und nach fast alles
harmonisch zusammen und auch der permanente Wechsel zwischen Komik und
Tragik funktioniert recht gut.
Alles
in allem ist Iannucci mit seinem "David Copperfield"
ein charmanter Film gelungen, der Charles Dickens' Vorlage
gleichermaßen Respekt zollt wie er sie mal mehr und mal weniger
behutsam modernisiert. Der diverse Cast mag historisch nicht ganz
korrekt sein und vereinzelt nicht einmal genetisch (der sehr weiße
Waliser Aneurin Barnard etwa spielt den Sohn der gebürtigen Nigerianerin
Nikki Amuka-Bird aus "Jupiter Ascending"), doch die Schauspieler sind so passend ausgewählt,
daß einem das kaum auffällt, sofern man nicht eigens darauf achtet.
Vor allem Dev Patel ist in der Titelrolle ein echter Glücksgriff,
denn der indischstämmige Brite trägt den Film mit Charisma,
Leidenschaft und einem feinen Gespür für die richtige Balance
zwischen ernsten und komischen Momenten. Generell ist die Besetzung
sehr spielfreudig und speziell Peter Capaldi und Hugh Laurie sieht
man den Spaß an ihren exzentrischen Rollen an. Optisch
überzeugt "David Copperfield" mit aufwendig gestalteten,
farbenfrohen Kostümen und Kulissen ebenfalls, hinzu gesellt sich die verspielte Musik von Christopher Willis (AppleTV+-Serie
"Schmigadoon!"). Absolute Dickens-Puristen sind vermutlich
nicht die primäre Zielgruppe von Armando Iannuccis "David
Copperfield", aber wer aufgeschlossen an den Film herangeht,
darf sich an zwei Stunden guter, vor Energie und Ideenreichtum nur so
sprühender Unterhaltung erfreuen.
Fazit:
Armando Iannuccis "David Copperfield – Einmal
Reichtum und zurück"
ist eine behutsam modernisierte, turbulente und betont optimistische
Neuverfilmung des Dickens-Klassikers.
Wertung:
7,5 Punkte.
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