Regie:
George Clooney, Drehbuch: Mark L. Smith, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller:
George Clooney, Felicity Jones, David Oyelowo, Caoilinn Springall, Demián
Bichir, Kyle Chandler, Tiffany Boone, Ethan Peck, Sophie Rundle, Tim Russ, Miriam
Shor
FSK: 12, Dauer: 118 Minuten.
Im Jahr 2049 wird die Erde von einer weltweiten Katastrophe
heimgesucht, welche sie auf der Oberfläche lebensfeindlich und
unbewohnbar macht. Drei Wochen später ist der geniale, aber schon vor der
Katastrophe todkranke Astronom Dr. Augustine Lofthouse (George Clooney,
"The Good German") möglicherweise der letzte überlebende Mensch auf der
Erdoberfläche, weil er angesichts seines Gesundheitszustandes auf seine Evakuierung
von der Wetterstation in der Arktis, in der er arbeitet, verzichtete. Zumindest glaubt er das, bis er auf die kleine Iris (Caoilinn Springall) stößt,
die bei der Evakuierung wohl versehentlich vergessen wurde und sich bislang
versteckt hatte. Gemeinsam machen sich die beiden bald auf den unwirtlichen Weg zum
relativ nahegelegenen Observatorium Lake Hazen, da das eine stärkere Antenne
als die Wetterstation besitzt. Mit deren Hilfe hofft Dr. Lofthouse nämlich die
Besatzung des Raumschiffes "Aether" zu warnen, das sich auf einer
Erkundungsmission zu einem neu entdeckten, möglicherweise bewohnbaren
Jupitermond befand und bisher außer Funkreichweite war. Auf der
"Aether" hat sich derweil die gelöste Stimmung bei Flugkommandant Adewole
(David Oyelowo, "Selma"), der von ihm schwangeren
Kommunikationsexpertin Sully (Felicity Jones, "Die Berufung"), dem
Piloten Mitchell (Kyle Chandler, "Carol"), dem
Aerodynamiker Sanchez (Demián Bichir, "The Nun") und der jungen
Flugingenieurin Maya (Tiffany Boone, "Beautiful Creatures") nach ihrer
erfolgreichen Mission in zunehmende Besorgnis wegen der fehlenden Kommunikation
mit der Erde verwandelt …
Kritik:
Viele Schauspieler versuchen sich im Lauf ihrer Karriere
früher oder später auch als Regisseure (und/oder als Drehbuch-Autoren). Bei
manchen bleiben es Ausnahmen (Tom Hanks), andere machen beides relativ
gleichberechtigt (Ben Affleck, früher Orson Welles) und manchen
gefällt die Tätigkeit sogar so gut, daß sie ganz oder zumindest großteils wechseln
und kaum noch vor der Kamera auftreten. Das ist natürlich völlig legitim und es
gibt definitiv Künstler, die hinter der Kamera ebenso gute oder bessere Arbeit
abliefern als davor – der "A Beautiful Mind"-Regisseur Ron Howard fällt
mir da beispielsweise ein, auch Sarah Polley erhält für ihre Regiearbeiten wie
"Take This Waltz" noch mehr Anerkennung als für ihre
Schauspielkarriere (wenngleich ich sie als Schauspielerin sehr
vermisse). Etwas ärgerlich aus der Perspektive des Publikums ist es hingegen,
wenn herausragende Schauspieler zu eher mittelmäßigen Regisseuren werden (ohne
sich davon beirren zu lassen). Die zweifache OSCAR-Gewinnerin
Jodie Foster etwa ist eine grandiose Schauspielerin, die, seitdem sie die 50
überschritten hat, kaum noch vor der Kamera auftritt ("Hotel Artemis" war eine willkommene Ausnahme) und als Regisseurin
übermäßig Mediokres wie "Familienfest und andere Schwierigkeiten",
"Der Biber" oder "Money Monster" verantwortet. Wenigstens
spielt sie in den meisten ihrer Regiearbeiten selber mit, was sie mit ihrem
"Money Monster"-Star George Clooney gemeinsam hat. Auch der gleichfalls
OSCAR-prämierte Superstar macht sich als Schauspieler ziemlich rar, seit er
sich jenseits der 50 Jahre befindet, und spielt fast nur noch in seinen eigenen
Regiearbeiten sowie in denen von Freunden mit. Und wie bei Foster
erreichen Clooneys Filme als Regisseur so gut wie nie die Qualität seiner
besten Schauspieler-Arbeiten. Dabei fing es vielversprechend an mit dem
exzentrischen "Confessions" und dem OSCAR-nominierten historischen
Politdrama "Good Night, and Good Luck." – seitdem konnten jedoch weder
die Sportkomödie "Ein verlockendes Spiel" noch der Politthriller
"The Ides of March", das aufwendige Zweiter Weltkriegs-Abenteuer
"Monuments Men" oder der satirische Thriller "Suburbicon"
die Erwartungen von Kritikern und Zuschauern erfüllen. Und das ändert sich auch
nicht mit seiner ersten Netflix-Regiearbeit, dem SciFi-Drama "The Midnight
Sky", das mit seinem betont langsamen Erzähltempo viele Genrefans
langweilt und von Kritikern als inhaltlich zu oberflächlich bemängelt wird –
mir allerdings trotzdem gut gefallen hat.
Der von Mark L. Smith ("Der
Marsianer") von dem Roman "Good Morning, Midnight" von Lily
Brooks-Dalton adaptierte "The Midnight Sky" präsentiert dem Publikum
zwei gleichberechtigte Handlungsstränge. In der ersten Hälfte des
Zweistünders dominiert dabei die Geschichte von Dr. Lofthouse, Iris und ihrer
beschwerlichen Reise zum Observatorium Lake Hazen. Nachdem dieses erreicht
wurde, verschiebt sich der Schwerpunkt eindeutig zu den Astronauten auf der
"Aether", die wir bis dahin nur immer mal wieder kurz besucht haben.
Diese Zweiteilung bremst die sowieso nicht sehr temporeiche Handlung wiederholt ein wenig aus und es ist auch nicht unproblematisch, daß durch die Verschiebung des Schwerpunkts die primären Protagonisten der ersten Filmhälfte
in der zweiten zu Nebendarstellern degradiert werden – doch insgesamt
funktioniert es ziemlich gut. Man muß aber natürlich bereit sein, sich auf den
gemächlichen Erzählstil und die schwermütige Atmosphäre einzulassen. Denn
Action gibt es in "The Midnight Sky" nicht allzu viel, stattdessen
konzentriert sich Clooney auf die Charaktere der Geschichte und auf ihre Reaktionen auf eine scheinbar ausweglose Situation.
Ironischerweise gelingt es Clooney und Autor Smith allerdings trotz der
Fokussierung auf die Charaktere nicht so ganz, diese dem Publikum
nahezubringen.
Das gilt vor allem für Dr. Lofthouse, dessen depressive
Stimmung nicht allein mit dem Ende der Welt zu tun hat, wie wir nach und nach durch
kurze Rückblenden erfahren – dummerweise wirken die eher überflüssig und
stärken die emotionale Bindung zwischen Dr. Lofthouse und den Zuschauern nicht
wirklich, vielmehr werden sie in Wahrheit lediglich zur Einleitung eines
Plottwists ganz am Ende benötigt (der leider arg konstruiert wirkt und meines
Erachtens auch unnötig ist). Die leichte emotionale Distanz versucht "The
Midnight Sky" u.a. durch großartige, kontemplative Landschaftsaufnahmen
des deutschen Kameramannes Martin Ruhe ("Control") während der
Reise von Dr. Lofthouse und Iris zum Observatorium zu kompensieren. Das gelingt
auch einigermaßen, es würde aber mit Sicherheit noch deutlich mehr Wirkung
erzielen, würde man diese wunderschönen Bilder aus der Arktis auf einer großen
Kinoleinwand sehen anstelle des heimischen TV-Bildschirms. Es gibt Filme, bei
denen es ist es ziemlich egal, wo man sie sieht – "The Midnight Sky"
zählt nicht dazu, sondern ist eindeutig fürs Kino gemacht! Dumm gelaufen. Inhaltlich
erweist sich die Reise von Dr. Lofthouse und Iris als recht konventionelles
Survival-Abenteuer, wobei die relative Kürze dem Handlungsstrang durchaus
zugutekommt – langweilig wird es einem so nämlich trotz mangelnder Originalität
kaum. Ärgerlich ist allerdings, daß es auf der Reise zu einigen unlogischen
und höchst unglaubwürdigen Momenten kommt, beispielsweise bin ich mir sicher, daß ein Einbruch ins eiskalte arktische Meer in der Realität schlimmer
enden würde als in "The Midnight Sky" (zumal die Person, die
einbricht, bereits stark geschwächt ist und keine Kleidung zum Wechseln hat).
Grundsätzlich bin ich in Sachen Realismus sehr gnädig, aber das ist auch für mich
eindeutig zu viel des Guten ...
Während der Storystrang um Dr. Lofthouse sehr wortkarg
daherkommt und vor allem von den tollen Bildern und der Melancholie lebt, wirkt
die Handlung rund um die Besatzung der "Aether"
konventioneller, mit Anleihen bei anderen Weltraumfilme wie "Gravity"
oder auch "Interstellar". Die fünfköpfige Besatzung ist sympathisch
und der Film verschwendet auch keinerlei Zeit mit irgendwelchen Reibereien.
Stattdessen wird gezeigt, wie die Astronauten damit umgehen, zu Beginn mangels
Funkkontakts zur Erde im Ungewissen zu sein und sich selbst Zuversicht
zuzusprechen, nur um dann erkennen zu müssen, daß es die Welt, die sie
verlassen haben, so nicht mehr gibt (was genau auf der Erde passiert ist,
erfahren wir übrigens nie). Das ist gut und glaubwürdig geschildert, auch die
Überlegungen, was zu tun ist, regen zum Nachdenken an, was man selbst in ihrer
Situation tun würde. Soll man trotz allem auf der Erde landen und unweigerlich
sterben? Oder doch lieber versuchen, auf dem erkundeten Jupitermond eine neue
Zivilisation zu begründen? Kleiner Tip: Lieber nicht darüber nachdenken, wie
das mit der neuen Zivilisation angesichts der Geschlechterkonstellation der Kandidaten funktionieren würde, sonst wird es nämlich schnell
ziemlich unangenehm (was vermutlich auch der Grund dafür ist, daß die Sache im Film nicht näher thematisiert wird) … Musikalisch untermalt wird diese traurige Geschichte äußerst hörenswert
von Alexandre Desplat ("Little Women"), der mit der von ihm gewohnten Virtuosität melancholische und
dramatische Melodien kombiniert. Schauspielerisch
verlangt "The Midnight Sky" seiner hochkarätigen Besetzung keine
Großtaten ab, doch wenig überraschend holen die Darsteller viel aus ihren etwas flachen Charakteren heraus. Vor allem Clooney gefällt als
depressiver Dr. Lofthouse, zumal er auf seiner Reise körperlich
beansprucht wird und die mentale wie körperliche Erschöpfung des verzweifelten Astronomen authentisch vermittelt. Auf der "Aether" fokussiert sich
die Handlung auf die von Felicity Jones und David Oyelowo verkörperten Sully
und Adewole, aber auch Demián Bichir, Kyle Chandler und Tiffany Boone machen
ihre Sache gut – und der junge Dr. Lofthouse in den Rückblenden wird übrigens
von Gregory Pecks Enkelsohn Ethan gespielt (auch bekannt als der junge Mr. Spock
in "Star Trek: Discovery"). Würde der Film etwas tiefer in die Psyche
seiner Figuren eindringen und eine etwas weniger dünne Story haben, er hätte
locker Clooneys beste Regiearbeit werden können. Aber auch so hat mir "The
Midnight Sky" gut gefallen. Ich kann verstehen, warum das vielen
nicht so geht, schließlich ist der Film mit seiner ein
wenig an Steven Soderberghs "Solaris"-Remake (mit Clooney als Hauptdarsteller) erinnernden, fast schon
kontemplativen Machart, die mehr auf Atmosphäre, Bilder, Musik und Figuren
setzt als auf Action-Einlagen oder auch nur eine richtige, spannende Story, nicht
unbedingt massentauglich. Wer sich darauf einlassen kann und will, bekommt aber
eine stimmungsvolle kleine Geschichte mit starken Schauspielern vorgesetzt,
die technisch herausragend umgesetzt wurde.
Fazit: "The Midnight Sky" ist ein
schwermütiges SciFi-Drama, das mit der langsamen Erzählart und dem dünnen
Plot ungeduldige Zuschauer schnell langweilen kann, jedoch ein stimmiges, traurig-schönes Erlebnis bietet, wenn man sich darauf einläßt.
Wertung: Knapp 7,5 Punkte.
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