Originaltitel:
On the Basis of Sex
Regie: Mimi Leder, Drehbuch: Daniel Stiepleman, Musik:
Mychael Danna
Darsteller:
Felicity Jones, Armie Hammer, Justin Theroux, Cailee Spaeny, Sam Waterston,
Jack Reynor, Kathy Bates, Stephen Root, Chris Mulkey, Gary Werntz, Ben Carlson, Francis
Xavier McCarthy, Wendy Crewson, Ronald Guttman, Sharon Washington,
John Ralston, Ruth Bader Ginsburg
FSK: 0, Dauer: 121 Minuten.
Als die altehrwürdige Harvard University in den 1950er
Jahren Frauen das Jura-Studium erlaubt, zählt Ruth Bader Ginsburg (Felicity
Jones, "Die Entdeckung der Unendlichkeit") zu den ersten Absolventinnen. Doch obwohl sie als
Klassenbeste abschließt und zusätzlich einen Abschluß an der Columbia
University erwirbt, findet sie in New York – im Gegensatz zu ihrem Ehemann, dem Steueranwalt
Martin (Armie Hammer, "Lone Ranger") – keine
Anstellung in einer Kanzlei. Obwohl sie unbedingt vor Gericht für das
Recht kämpfen wollte, nimmt sie deshalb frustiert das Angebot einer Professur an der Rutgers University an. Die Arbeit mit engagierten
Studenten der von der Bürgerrechtsbewegung geprägten 1960er Jahre erfüllt Ruth
mehr, als sie erwartet hatte, trotzdem träumt sie immer noch davon, nicht nur Studenten
dafür auszubilden, daß sie dereinst die Gesellschaft verändern können – nein,
sie will selbst etwas verändern und speziell für mehr Gleichberechtigung
zwischen Mann und Frau sorgen. Das erscheint als ein hoffnungsloses Unterfangen,
da die Diskriminierung der Frau seit 100 Jahren durch zahlreiche Präzedenzfälle
zementiert wurde. Ironischerweise erhält Ruth ihre große Chance ausgerechnet
durch einen Fall, in dem ein Mann namens Charles Moritz (Chris Mulkey,
"Captain Phillips") steuerrechtlich diskriminiert wird, weil er als
Unverheirateter seine kranke Mutter pflegt, das aber nicht von der Steuer
absetzen darf. Gemeinsam mit ihrem Mann und dem für die
Nichtregierungsorganisation ACLU tätigen Bürgerrechtsanwalt Mel
Wulf (Justin Theroux, "Wanderlust") übernimmt Ruth den Fall …
Kritik:
Ruth Bader Ginsburg ist in den USA seit Jahrzehnten eine
Bürgerrechts-Ikone, welche in ihrer Karriere als Anwältin und Professorin die
US-Gesellschaft maßgeblich zum Besseren prägte (sofern man Gleichberechtigung gut findet) und seit 1993 Mitglied des Obersten Gerichtshofes ist – übrigens
gewählt mit 96 zu 3 Stimmen, was angesichts der heutigen Polarisierung
der US-Politik kaum zu glauben ist. Auch im Rest der Welt ist Ginsburg
bekannt (mit ziemlicher Sicherheit die bekannteste Oberste Richterin der USA),
was damit zusammenhängen dürfte, daß sie auch mit Mitte 80 und trotz
mehrfacher Krebserkrankungen nicht bereit war, der Trump-Regierung nach einem
gestohlenen Sitz im Obersten Gerichtshof (der Obama zustand) und
einem dubios geholten (rund um den plötzlichen Rücktritt des Richters
Kennedy gibt es etliche Ungereimtheiten) noch zu einem dritten
"Pick" auf Lebenszeit zu verhelfen und in der Folge den Supreme Court mutmaßlich auf Dekaden hinaus erzkonservativ zu prägen. Ein Film über Ruth Bader Ginsburg
war also eigentlich überfällig und tatsächlich gab es im Jahr 2018 gleich
einen Doppelpack: die zweifach OSCAR-nominierte Doku "RBG" und das
etwas arg konventionelle, aber gut gemachte und informative Biopic "Die
Berufung". Zur Abwechslung ist das übrigens mal ein gelungener – wenn auch
für sich genommen recht beliebig klingender – deutscher Titel, da er sowohl den
im Zentrum stehenden Fall abdeckt (der vor dem Berufungsgericht verhandelt wird) als auch Ginsburgs persönliche Mission, für die Gleichberechtigung und ganz besonders die Frauenrechte zu kämpfen.
Ein klassisches, eine komplette Lebensgeschichte erzählende
Biopic ist "Die Berufung" nicht, da sich Regisseurin Mimi
Leder ("Deep Impact") und Drehbuch-Autor Daniel Stiepleman (der sein
Filmdebüt feiert, aber als Ginsburgs Neffe naturgemäß einen höchst
intimen Einblick in das Leben der Protagonistin hat) auf eine Zeitspanne von
etwa 15 Jahren konzentrieren – von Ginsburgs Studienbeginn 1956 bis zur
Entscheidung im Berufungsfall "Moritz v. Commissioner" 1972. Dabei
werden Ruths Studium und ihre Schwierigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt erstaunlich kurz abgehandelt, der Löwenanteil des Films entfällt
auf den Fall selbst, bei dem Ruth erstmals vor Gericht auftritt. Das ist
einerseits ein bißchen schade, da wir auf diese Weise gar nicht so viel über
die Person Ruth Bader Ginsburg erfahren, andererseits ermöglicht der Fokus auf
ihren ersten großen Fall eine wirklich tiefgehende Betrachtung der Thematik und der Vorgehensweise des Ehepaars Ginsburg. Am besten lernen wir
Ruth kennen durch ihre Familie: Armie Hammer verkörpert ihren Gatten Martin als
einen gutmütigen, extrem loyalen Mann, der mit Charme und ungezwungener
Freundlichkeit die Menschen für sich einnimmt, seine mit gesellschaftlichen
Mißständen hadernde Frau mit positiver Einstellung und unbedingtem Rüchhalt
erdet und auch ausgleichend zwischen Ruth und der 15-jährigen Tochter Jane (Cailee
Spaeny, "Bad Times at the El Royale") wirkt. Im Grunde genommen sind
die typischen Geschlechterrollen umgedreht, denn hier ist
nicht Ruth die im Hintergrund unterstützend wirkende starke Frau ihres in der
Öffentlichkeit stehenden Manns, sondern der immer ausgeglichene Martin ist die
große Stütze seiner allen Widrigkeiten, Hindernissen und Vorurteilen zum Trotz nach Höherem strebenden
Gattin. Armie Hammer und Felicity Jones geben dabei ein sehr glaubwürdiges Paar
ab, dem man die Liebe und den unverbrüchlichen Zusammenhalt gerne abnimmt.
Erhellender sind aber die Interaktionen zwischen Ruth und ihrer Tochter
Jane: Während Jane mit der Strenge ihrer Mutter ebenso hadert wie mit ihrem
eher theoretischen Einsatz für die Bürgerrechte, kommt Ruth nicht immer klar mit
dem leidenschaftlichen Aktivismus ihrer rebellischen, von der 1968er-Bewegung geprägten
Tochter. Wie in einem thematisch nicht ganz unähnlichen Biopic, Jay
Roachs "Trumbo", funktioniert die nicht unkomplizierte
Mutter-Tochter-Beziehung gut, um dem Menschen hinter der ikonischen Anwältin
näherzukommen.
Die Gegenseite hat da weniger Glück, denn die
Regierungsvertreter in dem Berufungsfall sind zwar namhaft besetzt mit Jack
Reynor ("Sing Street") als ehrgeizigem leitenden Anwalt James Bozarth
sowie "Law & Order"-Legende Sam Waterston als früherem Harvard
Law School-Dekan und nun hochrangigen Mitglied des Justizministeriums Erwin
Griswold und Stephen Root ("Get Out") als beratendem Professor Ernest
Brown, bleiben allerdings reine Nebenfiguren. Immerhin sorgen sie für die (aus ihrer
Sicht unfreiwillig) lustigste Szene von "Die Berufung", als sie ihre
Strategie für die Verhandlung besprechen und darauf setzen, die drei
Richter mit einer beinahe apokalyptisch anmutenden Vision eines zukünftigen
Amerika mit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau von einem Urteil
zugunsten des Klägers abzuhalten – wobei die Argumente der heutigen politischen
US-Konservativen sich bezeichnenderweise gar nicht sehr geändert haben
(Trumps "MAGA"-Slogan zielt ja sehr direkt auf die 1950er Jahre ab,
in denen heterosexuelle weiße Männer das ganze Sagen hatten und sich nicht
groß um alle anderen kümmern mußten) … Der Fall selbst wird von Regisseurin
Leder ausführlich und aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt, beispielsweise reagiert
die bis heute einflußreiche Bürgerrechtsgruppierung ACLU zu Beginn eher
ablehnend auf Ruths Bitte um Unterstützung, bis Kathy Bates ("Midnight in Paris") in einem unterhaltsamen Gastauftritt als die renommierte
Frauenrechtlerin Dorothy Kenyon ein Umdenken bewirkt. Die
Inszenierung fällt dabei ziemlich konventionell und überraschungsarm aus, womit
es "Die Berufung" trotz gut geschriebener Dialoge schwerfällt, echte
Begeisterung beim Publikum auszulösen. Jedoch hat Ginsburgs Wirken so
nachhaltig die USA geprägt, daß ihre Geschichte irgendwelche Knalleffekte
eigentlich gar nicht nötig hat. Insofern hätte eine etwas ausgeklügeltere,
innovativere Art des Erzählens zwar sicher nicht geschadet, aber auch so
erreicht Leders Film seinen Zweck: eine große US-amerikanische Persönlichkeit
und ihre Arbeit angemessen zu würdigen.
Fazit: "Die Berufung – Ihr Kampf für die
Gerechtigkeit" ist ein konventionelles, aber engagiertes Biopic über eine
große Bürgerrechtlerin und jenen von ihr gewonnenen Gerichtsfall,
der eine ganze Gesellschaft nachhaltig verändern sollte.
Wertung: Knapp 8 Punkte.
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