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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 4. Juli 2018

THE GOOD GERMAN (2006)

Regie: Steven Soderbergh, Drehbuch: Paul Attanasio, Musik: Thomas Newman
Darsteller: George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire, Beau Bridges, Leland Orser, Tony Curran, Robin Weigert, Jack Thompson, Ravil Isyanov, Christian Oliver, David Willis
 The Good German
(2006) on IMDb Rotten Tomatoes: 33% (5,0); weltweites Einspielergebnis: $5,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 108 Minuten.

Berlin, unmittelbar nach Kriegsende 1945: Der amerikanische Journalist Jake Geismer (George Clooney, "Michael Clayton") ist soeben angekommen, um über die Potsdamer Konferenz zu berichten. Doch das ist eigentlich nur ein Vorwand, in Wirklichkeit will Geismer seine jüdisch-deutsche Geliebte Lena Brandt (Cate Blanchett, "Carol") finden, die vor dem Krieg in Berlin für ihn gearbeitet hat. Tatsächlich trifft Jake schneller als erwartet auf Lena, die nun die Freundin seines vom US-Militär gestellten Fahrers Patrick Tully (Tobey Maguire, "Der große Gatsby") ist. Wie sich herausstellt, ist jedoch Lenas totgeglaubter Ehemann Emil (Christian Oliver, "Speed Racer") – ein Mathematiker, der im Krieg als SS-Offizier am Raketenprogramm der Deutschen beteiligt war – sehr lebendig und deshalb ins Visier sowohl amerikanischer wie auch britischer und sowjetischer Verfolger geraten. Als es auch noch zu einem Mordfall kommt, beginnt Jake, auf eigene Faust den seltsamen Geschehnissen nachzurecherchieren …

Kritik:
Steven Soderbergh, als Regisseur ein Grenzgänger zwischen Blockbustern ("Ocean's Eleven" samt Fortsetzungen, "Magic Mike"), OSCAR-Anwärtern ("Traffic", "Erin Brockovich", "Out of Sight"), Genrekino ("Haywire", "Contagion", "Side Effects") und auch formal anspruchsvollen Independent-Filmen ("Sex, Lügen und Video", "Kafka", "Unsane") wollte im Jahr 2006 einmal etwas für ihn Neues versuchen: Eine Hommage an die Noir-Abenteuer-Filme der 1940er Jahre á la "Casablanca", "Citizen Kane", "Der dritte Mann" oder "Die Spur des Falken" – und zwar eine Hommage, die so aussieht, als wäre sie zu dieser Zeit gedreht worden! Ein ebenso gewagtes wie anspruchsvolles Vorhaben, das ihm stilistisch im Großen und Ganzen sehr gut gelungen ist. Doch bei allem Bemühen um Authentizität haben es Soderbergh und der für zwei OSCARs nominierte Drehbuch-Autor Paul Attanasio ("Quiz Show", "Donnie Brasco") unterlassen, die Adaption von Joseph Kanons Roman "In den Ruinen von Berlin" mit den nötigen inhaltlichen Werten zu unterfüttern. So ist "The Good German" ein stilbewußter und anspielungsreicher Noir-Thriller geworden, der allerdings mit seinem gemächlichen Erzähltempo und den ziemlich flachen Charakteren phasenweise eher langweilt als fesselt.

Außer Frage steht die handwerkliche Meisterschaft von "The Good German". Zwar sind die von Soderbergh selbst (unter dem Kameramann-Pseudonym Peter Andrews) eingefangenen Bilder – gerade im Vergleich zu den gelegentlich eingefügten Archivaufnahmen des zerstörten Berlin – ein wenig zu scharf, um mindestens 60 Jahre alt zu wirken, aber das wird dadurch weitgehend kompensiert, daß Soderbergh mit authentischen Geräten aus dem Jahr 1945 in den passenden Studiokulissen gedreht hat. Dazu zählen übigens auch die damaligen Kameralinsen, weshalb es immer wieder kleine Unreinheiten wie Kratzer im Bildmaterial gibt, die den Eindruck, einen "alten" Film zu sehen, effektiv verstärken. Auch die Schauspieler sind gut für die Szenerie in der Nachkriegszeit ausgewählt und ahmen das ausdrucksstarke, buchstäblich theatralischere Agieren während der "Goldenen Ära Hollywoods" gekonnt nach. George Clooney spielt (obwohl er dafür eigentlich zu gut aussieht) eine typische Humphrey Bogart-Rolle, stets lässig und ein wenig zynisch, während Cate Blanchett die kühle und majestätische Eleganz einer Marlene Dietrich oder Greta Garbo ausstrahlt. Und Tobey Maguire zeigt bereits wenige Jahre vor seiner Hauptrolle in Baz Luhrmanns "Der große Gatsby"-Neuverfilmung, wie exzellent er sich in ein historisches Setting in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einfügt. Besonders gut gelungen ist außerdem Thomas Newmans für einen OSCAR nominierter Score, der – ohne dabei seine Eigenständigkeit zu verlieren – stilistisch gekonnt der dramatischen Orchestermusik nacheifert, mit der so legendäre Komponisten wie Max Steiner, Bernard Herrmann oder Franz Waxman "Casablanca", "Der Malteser Falke", "Citizen Kane" und Co. unterlegten. Interessanterweise war Newman übrigens nur Soderberghs zweite Wahl für die Musik, ursprünglich vergab er den Job an den Nordiren David Holmes, mit dem er bereits für "Out of Sight" und die "Ocean's"-Reihe zusammengearbeitet hatte (und später bei "Haywire" und "Logan Lucky"). Soderbergh konnte sich in diesem Fall aber nicht mit seinen Kompositionen anfreunden, weshalb Newman ins Spiel kam – zum Glück!

Daß "The Good German" bei allen Stärken trotzdem bei Kritik und Publikum nicht allzu gut ankam, hat einen ganz einfachen Grund: die Handlung. Auch wegen des Bemühens um eine Hommage an die genannten Filmklassiker ist die wenig originell geraten und sie entwickelt sich trotz einiger dramatischer Wendungen auch nicht wirklich überraschend. Ich finde sie dennoch passend für dieses Projekt, da sie bei aller Vorhersehbarkeit eine zwar mitunter arg langsam erzählte, aber doch über weite Strecken spannende und glaubwürdige Geschichte erzählt. Eine Geschichte voller Zitate und Anspielungen, von denen die meisten Zuschauer viele gar nicht erkennen und/oder verstehen werden; insgesamt ist sie allerdings, wenngleich weit von einem Meisterwerk entfernt, durchaus unterhaltsam und der Thematik angemessen. Insofern halte ich (auch wenn ich damit zu einer Minderheit zähle) Steven Soderberghs Experiment für gelungen, jedoch absolut nicht massentauglich – und wenig überraschend auch bei weitem nicht so gut wie die großen Vorbilder. Aber wenn "The Good German" auch nur ein paar Zuschauer dazu verleitet, sich im Anschluß den echten Klassikern des Genres zu widmen, dann hat er seinen Zweck eigentlich schon erfüllt

Fazit: "The Good German" ist eine womöglich etwas zu genau kalkulierte Hommage auf die Noir-Abenteuer-Klassiker der 1940er Jahre, stilvollendet eingefangen und paßgenau besetzt, allerdings inhaltlich wenig aufregend.

Wertung: 7 Punkte.