Originaltitel: Laggies
Regie: Lynn Shelton, Drehbuch: Andrea Seigel, Musik:
Benjamind Gibbard
Darsteller: Keira Knightley, Sam Rockwell: Chloë Grace
Moretz, Mark Webber, Kaitlyn Dever, Jeff Garlin, Ellie Kemper, Gretchen Mol,
Daniel Zovatto, Dylan Arnold, Sara Coates
FSK: 0, Dauer: 101 Minuten.
Bei ihrem zehnjährigen Klassentreffen bemerkt Megan (Keira
Knightley, "Colette"), daß sie sich doch ziemlich
von ihren besten Freundinnen entfremdet hat. Man versteht sich immer noch
gut, doch daß Megan nach ihrem Studium nicht wirklich weiß, was sie nun tun soll,
sich ein etwas kindisches Gemüt bewahrt hat und mit ihrem Langzeit-Freund
Anthony (Mark Webber, "Green Room") generell eher ziellos vor sich
hinlebt, unterscheidet sie deutlich von ihren Freundinnen. Als Anthony ihr dann
auf der Hochzeit ihrer Freundin Allison (Ellie Kemper, "21 Jump Street") einen Antrag machen will und beide auch noch die Paten des Kindes
einer weiteren Freundin werden sollen, ergreift Megan fast panikartig die Flucht. Vor einem Supermarkt trifft sie auf die Schülerin Annika (Chloë Grace Moretz,
"The Equalizer") und ihre Freunde, die sie darum bitten, Alkohol für sie zu
kaufen. Megan willigt ein und merkt, daß sie sich mit den
Teenagern wohler fühlt als mit ihren gleichaltrigen Freunden. Vor allem mit
Annika versteht sich Megan prima, weshalb sie sie schließlich sogar bittet,
eine Woche lang bei ihr und ihrem alleinerziehenden Vater Craig (Sam Rockwell,
"Ganz weit hinten") wohnen zu dürfen, um einen klaren Kopf zu
bekommen. Doch daß sich Megan und Craig von Anfang an sehr gut verstehen, macht
Megans Selbstfindungsprozeß nicht eben einfacher …
Kritik:
Coming of Age-Filme gibt es viele und da es nunmal ständig
neue Heranwachsende gibt, dürfte dieses durchaus ergiebige Genre nie aussterben.
Coming of Age-Filme, deren zentrale Figur bereits Mitte bis Ende 20 ist, sind hingegen
rar gesät – zumal wenn es sich um eine weibliche Hauptfigur handelt (der das
Erwachsenwerden verweigernde männliche Kindskopf ist hingegen eine ziemlich
populäre Trope). Aus dem einigermaßen originellen Ansatz bezieht der mit
einem inhaltlich zutreffenden, aber beschämend uneleganten deutschen Titel
gestrafte "Grow Up!? – Erwachsen werd' ich später" zumindest
anfänglich seinen Reiz. Bedauerlicherweise verlieren die 2020 mit nur 54 Jahren verstorbene Regisseurin Lynn Shelton
("Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich") und Drehbuch-Debütantin Andrea Seigel diesen
Ausgangspunkt ziemlich schnell aus den Augen und driften in eine
konventionelle romantische Komödie in Kombination mit einer ungewöhnlichen
Frauen-Freundschaft ab. Wobei – ist das wirklich so bedauerlich? Ja, die
erzählerischen Möglichkeiten einer symapthisch-ziellosen Protagonistin in der
Mid20s-Krise werden sträflich vernachlässigt, aber dafür machen Megans
Eskapaden mit Annika und deren Schulfreunden wie auch die zarte Romanze mit
Craig wirklich Laune. Und, um ganz ehrlich zu sein: Den noch ganz seiner Prämisse
verpflichteten Auftakt von "Grow Up!?", welcher Megans Entfremdung von
ihren Altersgenossen auf sehr unangenehme Art sichtbar macht, fand ich eher
abschreckend. Wäre der Film so weitergegangen, wäre er zwar vermutlich
authentischer und auch einsichtsreicher geworden, hätte mir aber bei weitem nicht so viel Spaß gemacht.
Der Auftakt von "Grow Up!?" ist also holprig,
ergibt dramaturgisch aber Sinn. Jedenfalls nimmt man Megan ihre
Anpassungsprobleme an die Welt der Erwachsenen nach dem Abschluß ihres Studiums
problemlos ab, zumal sie in ihrem Freundeskreis die einzige zu sein scheint,
die nicht Ehepartner und Kinder entweder bereits hat oder sie zumindest konkret plant. Das
bringt beinahe zwangsläufig einen gewissen Außenseiterstatus mit sich, weil man
bei bestimmten Themen einfach nicht richtig mitdiskutieren kann (und eventuell
auch gar nicht will) – das kenne ich aus eigener Erfahrung mit einem recht fortpflanzungsfreudigen Freundeskreis. Generell muß ich
zugeben, daß ich eine gewisse Wesensverwandtschaft zu Megan verspüre,
wenngleich es auch zahlreiche Unterschiede gibt (ich bin nach meinem
Schulabschluß beispielsweise definitiv nie mit Schulkindern rumgehangen und
habe auch nie die Sehnsucht danach verspürt …). Es kann gut sein, daß mir
der Film besser gefällt als anderen, weil ich mich ziemlich gut in Megan
hineinversetzen kann. Noch wichtiger ist aber sicherlich, daß Megan mit all den
Fehlern, die sie hat und macht, stets sympathisch bleibt. Das ist zu
einem großen Teil der einnehmenden Darstellung durch Keira Knightley geschuldet, die vor
allem für in der Vergangenheit spielende Rollen bekannt ist, hier aber die
Gelegenheit nutzt, ihr komisches Talent voll auszuspielen. Klar, sie
hat bereits in einigen Filmen mit starken Komödienelementen mitgespielt
("Tatsächlich … Liebe", "Stolz und Vorurteil", "Kick
It Like Beckham", "Can a Song Save Your Life?", auch die
"Fluch der Karibik"-Trilogie), aber sehr selten in richtigen
Comedy-Rollen. Ob ihrer Leistung in "Grow Up!?" hoffe ich, daß sie
sich in Zukunft häufiger auf Komödien einlassen wird. Alleine die mühsam
unterdrückte Panik in ihren Augen beim Heiratsantrag ihres Langzeit-Freundes ist herrlich
anzuschauen, ebenso Megans naiv-kindliche Begeisterungsfähigkeit beim Rumhängen
mit den Teenagern – und die dramatischeren Momente der Selbsterkenntnis bringt
sie sowieso erstklassig rüber.
Dazu kommt eine trotz des erheblichen Altersunterschieds von beinahe 17 Jahren gute Chemie zwischen Knightley und Sam Rockwell. Dessen Rolle
als vom Leben frustrierter, deshalb leicht zum Zynismus neigender, aber im
Kern doch gutmütiger und liebenswürdiger alleinerziehender Vater verlangt ihm zwar
keinesfalls eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung ab, er spielt sie
aber sehr souverän und gewohnt charmant. Das gilt ebenso für Chloë Grace Moretz
als leicht rebellische, quirlige Annika, die in Megan eine Art große Schwester sieht, die ihr dabei hilft, damit klarzukommen, daß ihre Mutter
(Gretchen Mol aus "Manchester by the Sea" in einem Gastauftritt) sie und ihren Vater im Stich ließ.
Alleine diese drei tollen Schauspieler machen "Grow Up!" mehr als
sehenswert und in einer etwas kleineren Rolle als Annikas beste Freundin
Misty ist auch noch Kaitlyn Dever dabei, die sich in den letzten Jahren
dank gefeierter Rollen in "Booksmart" und der Netflix-Serie
"Unbelievable" zu einem der gefragtesten Jungstars Hollywoods
gemausert und sogar Moretz etwas den Rang abgelaufen hat. Andrea Seigels mich phasenweise stilistisch ein wenig an eine Light-Version der grandiosen
Netflix-Animationsserie "BoJack Horseman" erinnerndes Drehbuch gibt
dem Ensemble gutes Material zur Hand mit zahlreichen witzigen Szenen,
überwiegend cleveren Dialogen und ein paar netten romantischen Momenten.
Abgesehen vom zähen Beginn und der sehr vorhersehbaren
Storyentwicklung ist es nur der letzte Akt, der "Grow Up!?" eine noch
bessere Bewertung kostet, denn der bringt einen eher nervigen,
pflichtschuldig abgearbeiteten dramatischen Schlenker vor dem unvermeidbaren
(aber auch verdienten) Happy-End mit sich. Am Gelingen dieses Feelgood-Movies ändert das aber nichts.
Fazit: "Grow Up!? – Erwachsen werd' ich
später" ist eine Mischung aus (spätem) Coming of Age-Film und romantischer
Komödie, die arg konventionell abläuft, jedoch dank sympathischer Figuren
und starker Schauspieler sehr angenehm anzuschauen ist.
Wertung: 7 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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