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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 14. November 2019

THE REPORT – DIE WAHRHEIT ZÄHLT (2019)

Regie und Drehbuch: Scott Z. Burns, Musik: David Wingo
Darsteller: Adam Driver, Annette Bening, Jon Hamm, Lucas Dixon, Sarah Goldberg, Douglas Hodge, T. Ryder Smith, Linda Powell, Ted Levine, Maura Tierney, Michael C. Hall, Corey Stoll, Matthew Rhys, Jennifer Morrison, Tim Blake Nelson, Victor Slezak, Scott Shepherd, Dominic Fumusa, Carlos Gómez, Joseph Siravo, Fajer Al-Kaisi, Noah Bean, Ben McKenzie
 The Report (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 82% (7,2); weltweites Einspielergebnis: $0,2 Mio.
FSK: 12, Dauer: 120 Minuten.

Im März 2009, also kurz nach dem Amtsantritt des US-Präsidenten Barack Obama, initiiert die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening, "Captain Marvel") in ihrer Funktion als Vorsitzende des Geheimdienstausschusses eine Untersuchung über die Verhörmethoden des Auslandsgeheimdienstes CIA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001. Drei demokratische und drei republikanische Senatsmitarbeiter beginnen unter der Leitung des zu Feinsteins Team gehörenden Daniel Jones (Adam Driver, "The Dead Don't Die"), Abertausende Seiten an Berichten und ähnlichem zu lesen und analysieren und Befragungen durchzuführen. Nachdem der neue Justizminister selbst Ermittlungen gegen die CIA einleitet, stellt diese aber jegliche Kooperation ein, insbesondere sind keine Befragungen mehr erlaubt. Die Republikaner halten deshalb die weitere Arbeit am Report für sinnlos, weshalb nur noch Daniel, April (Sarah Goldberg, "The Hummingbird Project") und Julian (Lucas Dixon) die schwierige Arbeit in einem fensterlosen Kellerraum fortsetzen. Was sie aufdecken über die Verwendung der von der Bush-Regierung genehmigten "erweiterten Verhörmethoden" á la Waterboarding, verstört und entsetzt das Trio immer mehr, doch trotz der Unterstützung von Senatorin Feinstein und noch einigen weiteren Politikern steht zunehmend in Frage, ob der umfangreiche Report jemals veröffentlicht werden wird – denn das Interesse der Obama-Regierung daran, die CIA und die Republikaner zu verärgern, hält sich letztlich doch in Grenzen …

Kritik:
Vielleicht ist es die Außergewöhnlichkeit der Trump-Regierung, die Hollywoods Filmemacher zur Auseinandersetzung mit der ebenfalls turbulenten Amtszeit des vorigen republikanischen US-Präsidenten George W. Bush bewegt, vielleicht liegt es einfach daran, daß nach etwa zehn Jahren genügend Zeit verstrichen ist – jedenfalls ist die Amazon-Produktion "The Report – Die Wahrheit zählt" nach Adam McKays packendem, aber aufgrund vieler künstlerischer Freiheiten umstrittenen Dick Cheney-Biopic "Vice" der zweite Film innerhalb kurzer Zeit, der sich mit den Sünden der Bush-Regierung befaßt. Scott Z. Burns, Drehbuch-Autor etlicher Filme des hier als Koproduzent beteiligten Steven Soderbergh ("Der Informant!", "Contagion", "Side Effects" und der fast parallel veröffentlichte "Die Geldwäscherei"), liefert mit "The Report" – der laut Vorspann und Poster eigentlich "The Torture Report" heißt, doch das Wort "Torture" wird schnell zensiert – seine erst zweite Regiearbeit fürs Kino ab, als Quelle dienen der echte Senatsreport und ein Artikel aus der Zeitschrift "Vanity Fair". Dadurch, daß sich die Handlung größtenteils auf die Recherchearbeiten von Daniel Jones und seinen Kollegen konzentriert, wirkt "The Report" recht nüchtern, zumal Burns auf Ausschmückungen und Übertreibungen, wie sie in ähnlichen Filmen wie "Die Unbestechlichen" vorkommen, verzichtet. Daß sein Film dennoch mitreißt, liegt an der bestürzenden Thematik selbst, an dem überlegt aufgebautem und gekonnt in Szene gesetzten Drehbuch, am famosen Hauptdarsteller Adam Driver sowie daran, daß man sich als politisch interessierter Mensch immer wieder unweigerlich an die Vorgänge der Trump-Ära erinnert fühlt.

Rein zufällig schreibe ich diese Rezension genau an dem Tag, an dem die ersten öffentlichen Amtsenthebungs-Befragungen stattfinden, letztlich ausgelöst durch einen "Whistleblower" im Pentagon. "The Report" ist nicht so direkt ein Whistleblower-Film wie "Snowden" oder "Insider", die Thematik spielt allerdings eine ähnlich wichtige Rolle wie in Journalisten-Filmen á la "Die Unbestechlichen" oder "Das China-Syndrom" – wobei Daniel in seiner wachsenden Frustration irgendwann sogar ernsthaft darüber nachdenkt, selbst zum Whistleblower zu werden. Da es naturgemäß nicht so spannend für das Publikum wäre, Daniel, April und Julian nur beim Lesen und Schreiben und Diskutieren zuzusehen, erweckt Burns viele der von ihnen recherchierten Szenen als Rückblenden zum Leben. Auf diese Weise kommen wir in den zweifelhaften, aber zum vollen Verständnis der Thematik letztlich notwendigen Genuß, die von Obama direkt nach Amtsantritt wieder verbotenen Foltermethoden mitanzusehen. Gerechtfertigt werden diese von den Ausführenden und ihren Vorgesetzten sowohl bei der CIA als auch im Weißen Haus mit der Notwendigkeit, ein neues "9/11" um jeden Preis zu verhindern. Damit ist intern nicht jeder einverstanden und die Skeptiker haben gute Argumente, doch die Verantwortlichen vertrauen lieber auf die beiden "externen Dienstleister" James Mitchell (Douglas Hodge, "Red Sparrow") und Bruce Jessen (T. Ryder Smith) – zwei Psychologen, die eine angeblich extrem wirksame "Weiterentwicklung" der üblichen Verhörmethoden präsentieren und überwachen und sich dafür fürstlich entlohnen lassen. In den Grundzügen kennt man das bereits aus "Vice" (oder Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty", zu dem in "The Report" einmal im Hintergrund ein Trailer läuft), einige Szenen sind gar nahezu identisch (allen voran die offensichtlich hanebüchene juristische Rechtfertigung, die Cheney den Juristen John Yoo formulieren läßt), doch "The Report" kann das natürlich deutlich ausführlicher beleuchten, da sich eben der gesamte Film um dieses eine Thema dreht.

Faszinierend zu beobachten ist es, wie die immer neuen Entdeckungen der letztlich viele Jahre andauernden Untersuchung sich speziell auf Protagonist Daniel Jones auswirken. Adam Driver hat ja gerade in Indie-Produktionen oft genug bewiesen, welch großartiger Schauspieler er ist, auch wenn das meinem Gefühl nach viele eher am Mainstream interessierte Zuschauer – die Driver in erster Linie aus "Star Wars" kennen – noch gar nicht begriffen haben. In "The Report" legt er jedenfalls eine weitere Meisterleistung an den Tag: Ist Daniel zu Beginn noch ein zwar engagierter, aber doch professionell-nüchtern wirkender Analyst, wird er – nicht ganz so stark ausgeprägt gilt das ebenso für April und Julian – mit jeder neuen Entdeckung und mit jedem neuen arg offensichtlichen Vertuschungs- oder Verschönerungsversuch der CIA fassungsloser, rastloser, aufgeregter und vor allem wütender. Drivers Wandlungsfähigkeit ist atemberaubend, wenn er im absolut glaubwürdig zunehmenden Eifer, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, selbst beinahe fanatisch wirkt (inklusive sichtlich feuchter Aussprache!) und wiederholt gebremst werden muß. Die emotionale Distanz, die ihm eingangs von Senatorin Feinstein und ihrer Assistentin Marcy (Linda Powell, "Morning Glory") eingebläut wurde, kann er auf Dauer jedenfalls nicht wahren, was man ihm jedoch angesichts der Umstände schwerlich verübeln kann. Annette Bening gibt als Senatorin Feinstein derweil den Ruhepol der Geschichte, denn sie behält selbst bei den empörendsten Geschehnissen die Contenance und wägt – mitunter durchaus zu Daniels Frustration – stets überlegt ab zwischen moralischen, juristischen und auch politischen Gesichtspunkten.

Alle anderen Rollen sind relativ klein gehalten, aber trotzdem gut besetzt und gespielt, so agiert etwa Ted Levine ("Das Schweigen der Lämmer") als von Obama nominierter neuer CIA-Direktor Brennan (mittlerweile ein profilitierter Trump-Kritiker, damals aber mit fragwürdiger Einstellung), Jon Hamm ("Bad Times at the El Royale") als Obamas Stabschef McDonough, Maura Tierney (TV-Serie "Emergency Room") als überschaubar kompetente CIA-Stationsleiterin Bernadette, Michael C. Hall ("Game Night") als hochrangiger CIA-Mitarbeiter Thomas Eastman oder Corey Stoll ("Ant-Man") als Anwalt Cyrus Clifford. Interessant ist dabei, daß Scott Z. Burns es nicht darauf anlegt, die Figuren in Helden und Bösewichter zu unterscheiden. Vielmehr macht er klar, daß die Handlungen der meisten Personen von aufrichtiger, patriotischer Überzeugung geprägt waren, das beste für ihr Land zu tun – problematisch sind primär die juristischen, moralischen und geistigen Verrenkungen, die sie eingehen, um auch sich selbst von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen, sowie später natürlich die Vertuschungsaktionen, die mehr oder weniger direkten Drohungen gegen jene, die ihr Tun untersuchen, und die den Fakten widersprechenden Beteuerungen, die Folter habe entscheidende Resultate zur Terrorbekämpfung gezeitigt. Burns zeigt aber auch, daß der von vielen Trump-Gegnern in den USA mitunter übermaßig glorifizierte Obama und seine Regierung keineswegs ohne Fehl und Tadel agierten (in Europa wußte man das spätestens seit dem NSA-Skandal). Politik ist nun einmal ein schmutziges Geschäft und umso wichtiger ist für das Bestehen einer Demokratie eine funktionierende Gewaltenteilung. "The Report" verdeutlicht das vortrefflich, denn hier setzte sich allen Widerständen zum Trotz der Senat gegen die Regierung durch und der Report wurde veröffentlicht, er führte sogar zum parteiübergreifenden "McCain-Feinstein-Antifolter-Gesetz". Ob die Gewaltenteilung in den USA nur wenige Jahre später immer noch funktioniert, ist leider fraglich – die Warnung von Obamas Stabschef, die Republikaner könnten sich für eine Veröffentlichung des CIA-Berichts rächen, wenn sie wieder an die Macht kämen, nimmt sich jedenfalls fast schon putzig aus angesichts der realen totalen Blockadepolitik der Republikaner während der letzten sechs Obama-Jahre (als sie die Mehrheit in Senat und Kongreß hatte) sowie der vollständigen Aufgabe jeglicher vermeintlich klassisch republikanischer Werte (sie sehen sich ja als "Law & Order"-Partei, die großen Wert auf Anstand und Manieren legt ...), um Trump und damit indirekt sich selbst um jeden Preis an der Macht zu halten. Sollte die US-amerikanische Demokratie am Ende auch Trump überstehen, würde sich "The Report" als  lehrreiches, spannendes Anschauungsmaterial für (nicht nur) US-Schüler und -Studenten absolut anbieten.

Fazit: "The Report – Die Wahrheit zählt" ist ein quasi-dokumentarisch aufgebauter und formal nüchtern erzählter, aber trotzdem packender und emotional aufwühlender Politthriller, der von einem fabelhaften Hauptdarsteller Adam Driver getragen wird.

Wertung: 8,5 Punkte.


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