Regie und Drehbuch: Scott Z. Burns, Musik: David Wingo
Darsteller: Adam Driver, Annette Bening, Jon Hamm, Lucas Dixon, Sarah Goldberg, Douglas Hodge, T. Ryder Smith, Linda
Powell, Ted Levine,
Maura Tierney, Michael C. Hall, Corey Stoll, Matthew Rhys, Jennifer Morrison, Tim
Blake Nelson, Victor Slezak, Scott Shepherd, Dominic Fumusa,
Carlos Gómez, Joseph Siravo, Fajer Al-Kaisi, Noah Bean, Ben
McKenzie
Im März 2009, also kurz nach dem Amtsantritt des US-Präsidenten
Barack Obama, initiiert die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Annette
Bening, "Captain Marvel") in ihrer Funktion als Vorsitzende des
Geheimdienstausschusses eine Untersuchung über die Verhörmethoden des
Auslandsgeheimdienstes CIA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001.
Drei demokratische und drei republikanische Senatsmitarbeiter beginnen unter
der Leitung des zu Feinsteins Team gehörenden Daniel Jones (Adam Driver,
"The Dead Don't Die"), Abertausende Seiten an Berichten und ähnlichem zu
lesen und analysieren und Befragungen durchzuführen. Nachdem der neue Justizminister
selbst Ermittlungen gegen die CIA einleitet, stellt diese aber jegliche
Kooperation ein, insbesondere sind keine Befragungen mehr erlaubt. Die
Republikaner halten deshalb die weitere Arbeit am Report für sinnlos, weshalb
nur noch Daniel, April (Sarah Goldberg, "The Hummingbird Project")
und Julian (Lucas Dixon) die schwierige Arbeit in einem fensterlosen Kellerraum
fortsetzen. Was sie aufdecken über die Verwendung der von der
Bush-Regierung genehmigten "erweiterten Verhörmethoden" á la
Waterboarding, verstört und entsetzt das Trio immer mehr, doch trotz der
Unterstützung von Senatorin Feinstein und noch einigen weiteren Politikern steht
zunehmend in Frage, ob der umfangreiche Report jemals veröffentlicht werden
wird – denn das Interesse der Obama-Regierung daran, die CIA und die
Republikaner zu verärgern, hält sich letztlich doch in Grenzen …
Kritik:
Vielleicht ist es die Außergewöhnlichkeit der
Trump-Regierung, die Hollywoods Filmemacher zur Auseinandersetzung mit der ebenfalls turbulenten Amtszeit des vorigen republikanischen US-Präsidenten
George W. Bush bewegt, vielleicht liegt es einfach daran, daß nach etwa zehn
Jahren genügend Zeit verstrichen ist – jedenfalls ist die Amazon-Produktion
"The Report – Die Wahrheit zählt" nach Adam McKays packendem, aber aufgrund vieler
künstlerischer Freiheiten umstrittenen Dick Cheney-Biopic "Vice" der
zweite Film innerhalb kurzer Zeit, der sich mit den Sünden der Bush-Regierung
befaßt. Scott Z. Burns, Drehbuch-Autor etlicher Filme des hier als Koproduzent
beteiligten Steven Soderbergh ("Der Informant!",
"Contagion", "Side Effects" und der fast parallel
veröffentlichte "Die Geldwäscherei"), liefert mit "The
Report" – der laut Vorspann und Poster eigentlich "The Torture Report"
heißt, doch das Wort "Torture" wird schnell zensiert – seine erst
zweite Regiearbeit fürs Kino ab, als Quelle dienen der echte Senatsreport und
ein Artikel aus der Zeitschrift "Vanity Fair". Dadurch, daß sich die
Handlung größtenteils auf die Recherchearbeiten von Daniel Jones und seinen Kollegen
konzentriert, wirkt "The Report" recht nüchtern, zumal Burns auf
Ausschmückungen und Übertreibungen, wie sie in ähnlichen Filmen wie
"Die Unbestechlichen" vorkommen, verzichtet. Daß sein Film dennoch
mitreißt, liegt an der bestürzenden Thematik selbst, an dem überlegt
aufgebautem und gekonnt in Szene gesetzten Drehbuch, am famosen Hauptdarsteller
Adam Driver sowie daran, daß man sich als politisch interessierter Mensch
immer wieder unweigerlich an die Vorgänge der Trump-Ära erinnert fühlt.
Rein zufällig schreibe ich diese Rezension genau an dem Tag, an
dem die ersten öffentlichen Amtsenthebungs-Befragungen stattfinden, letztlich
ausgelöst durch einen "Whistleblower" im Pentagon. "The
Report" ist nicht so direkt ein Whistleblower-Film wie
"Snowden" oder "Insider", die Thematik spielt allerdings eine
ähnlich wichtige Rolle wie in Journalisten-Filmen á la "Die
Unbestechlichen" oder "Das China-Syndrom" – wobei Daniel in
seiner wachsenden Frustration irgendwann sogar ernsthaft darüber nachdenkt,
selbst zum Whistleblower zu werden. Da es naturgemäß nicht so spannend für das
Publikum wäre, Daniel, April und Julian nur beim Lesen und Schreiben und
Diskutieren zuzusehen, erweckt Burns viele der von ihnen recherchierten Szenen als Rückblenden zum Leben. Auf diese Weise kommen wir in den
zweifelhaften, aber zum vollen Verständnis der Thematik letztlich notwendigen
Genuß, die von Obama direkt nach Amtsantritt wieder verbotenen Foltermethoden
mitanzusehen. Gerechtfertigt werden diese von den Ausführenden und ihren
Vorgesetzten sowohl bei der CIA als auch im Weißen Haus mit der Notwendigkeit, ein neues
"9/11" um jeden Preis zu verhindern. Damit ist intern nicht jeder einverstanden
und die Skeptiker haben gute Argumente, doch die Verantwortlichen
vertrauen lieber auf die beiden "externen Dienstleister" James
Mitchell (Douglas Hodge, "Red Sparrow") und Bruce Jessen (T. Ryder
Smith) – zwei Psychologen, die eine angeblich extrem wirksame "Weiterentwicklung"
der üblichen Verhörmethoden präsentieren und überwachen und sich dafür
fürstlich entlohnen lassen. In den Grundzügen kennt man das bereits aus
"Vice" (oder Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty", zu dem in
"The Report" einmal im Hintergrund ein Trailer läuft),
einige Szenen sind gar nahezu identisch (allen voran die offensichtlich
hanebüchene juristische Rechtfertigung, die Cheney den Juristen John Yoo
formulieren läßt), doch "The Report" kann das natürlich deutlich
ausführlicher beleuchten, da sich eben der gesamte Film um dieses eine Thema
dreht.
Faszinierend zu beobachten ist es, wie die immer neuen
Entdeckungen der letztlich viele Jahre andauernden Untersuchung sich speziell
auf Protagonist Daniel Jones auswirken. Adam Driver hat ja gerade in
Indie-Produktionen oft genug bewiesen, welch großartiger Schauspieler er ist,
auch wenn das meinem Gefühl nach viele eher am Mainstream interessierte
Zuschauer – die Driver in erster Linie aus "Star Wars" kennen – noch
gar nicht begriffen haben. In "The Report" legt er jedenfalls eine
weitere Meisterleistung an den Tag: Ist Daniel zu Beginn noch ein zwar
engagierter, aber doch professionell-nüchtern wirkender Analyst, wird er –
nicht ganz so stark ausgeprägt gilt das ebenso
für April und Julian – mit jeder neuen Entdeckung und mit jedem neuen arg offensichtlichen Vertuschungs- oder Verschönerungsversuch der CIA fassungsloser, rastloser, aufgeregter und vor allem wütender. Drivers
Wandlungsfähigkeit ist atemberaubend, wenn er im absolut glaubwürdig zunehmenden Eifer, die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, selbst beinahe fanatisch wirkt
(inklusive sichtlich feuchter Aussprache!) und wiederholt gebremst werden
muß. Die emotionale Distanz, die ihm eingangs von Senatorin Feinstein und ihrer
Assistentin Marcy (Linda Powell, "Morning Glory") eingebläut wurde,
kann er auf Dauer jedenfalls nicht wahren, was man ihm jedoch angesichts
der Umstände schwerlich verübeln kann. Annette Bening gibt als Senatorin
Feinstein derweil den Ruhepol der Geschichte, denn sie behält selbst bei den
empörendsten Geschehnissen die Contenance und wägt – mitunter durchaus zu
Daniels Frustration – stets überlegt ab zwischen moralischen, juristischen und
auch politischen Gesichtspunkten.
Alle anderen Rollen sind relativ klein gehalten, aber
trotzdem gut besetzt und gespielt, so agiert etwa Ted Levine ("Das
Schweigen der Lämmer") als von Obama nominierter neuer CIA-Direktor
Brennan (mittlerweile ein profilitierter Trump-Kritiker, damals aber
mit fragwürdiger Einstellung), Jon Hamm ("Bad Times at the El Royale")
als Obamas Stabschef McDonough, Maura Tierney (TV-Serie "Emergency
Room") als überschaubar kompetente CIA-Stationsleiterin Bernadette,
Michael C. Hall ("Game Night") als hochrangiger CIA-Mitarbeiter
Thomas Eastman oder Corey Stoll ("Ant-Man") als Anwalt Cyrus
Clifford. Interessant ist dabei, daß Scott Z. Burns es nicht darauf anlegt, die
Figuren in Helden und Bösewichter zu unterscheiden. Vielmehr macht er klar, daß
die Handlungen der meisten Personen von aufrichtiger, patriotischer Überzeugung geprägt waren,
das beste für ihr Land zu tun – problematisch sind primär die
juristischen, moralischen und geistigen Verrenkungen, die sie eingehen, um auch
sich selbst von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen, sowie später natürlich die
Vertuschungsaktionen, die mehr oder weniger direkten Drohungen gegen jene, die ihr Tun untersuchen, und die den Fakten widersprechenden
Beteuerungen, die Folter habe entscheidende Resultate zur Terrorbekämpfung
gezeitigt. Burns zeigt aber auch, daß der von vielen Trump-Gegnern in
den USA mitunter übermaßig glorifizierte Obama und seine Regierung keineswegs
ohne Fehl und Tadel agierten (in Europa wußte man das spätestens seit
dem NSA-Skandal). Politik ist nun einmal ein schmutziges Geschäft und umso wichtiger
ist für das Bestehen einer Demokratie eine funktionierende Gewaltenteilung.
"The Report" verdeutlicht das vortrefflich, denn hier setzte sich
allen Widerständen zum Trotz der Senat gegen die Regierung durch und der Report
wurde veröffentlicht, er führte sogar zum parteiübergreifenden "McCain-Feinstein-Antifolter-Gesetz".
Ob die Gewaltenteilung in den USA nur wenige Jahre später immer noch funktioniert,
ist leider fraglich – die Warnung von Obamas Stabschef, die Republikaner
könnten sich für eine Veröffentlichung des CIA-Berichts rächen, wenn sie wieder
an die Macht kämen, nimmt sich jedenfalls fast schon putzig aus angesichts der
realen totalen Blockadepolitik der Republikaner während der letzten sechs
Obama-Jahre (als sie die Mehrheit in Senat und Kongreß hatte) sowie der
vollständigen Aufgabe jeglicher vermeintlich klassisch republikanischer Werte
(sie sehen sich ja als "Law & Order"-Partei, die großen Wert auf Anstand
und Manieren legt ...), um Trump und damit indirekt sich selbst um jeden Preis an der Macht zu halten. Sollte
die US-amerikanische Demokratie am Ende auch Trump überstehen, würde sich
"The Report" als lehrreiches, spannendes Anschauungsmaterial für (nicht nur) US-Schüler und -Studenten
absolut anbieten.
Fazit: "The Report – Die Wahrheit zählt" ist ein
quasi-dokumentarisch aufgebauter und formal nüchtern erzählter, aber trotzdem packender und
emotional aufwühlender Politthriller, der von einem fabelhaften Hauptdarsteller
Adam Driver getragen wird.
Wertung: 8,5 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen