Originaltitel:
American Made
Regie: Doug
Liman, Drehbuch: Gary Spinelli, Musik: Christophe Beck
Darsteller:
Tom Cruise, Domhnall Gleeson, Sarah Wright Olsen, Mark McCullogh, Caleb Landry
Jones, Jesse Plemons, Jayma Mays, Benito Martinez, Lola Kirke, Mike Pniewski,
Alejandro Edda, Mauricio Mejía, E. Roger Mitchell, Jed Rees, Connor Trinneer
FSK: 12, Dauer: 115 Minuten.
USA, Ende der 1970er Jahre: Barry Seal (Tom Cruise,
"Die Mumie") hat einen gutbezahlten Job als Pilot bei TWA, eine
schöne Ehefrau (Sarah Wright Olsen, "Mädelsabend"), ein Kind –
ein zweites ist unterwegs – und ein nettes Haus. Er sollte glücklich sein
– in Wirklichkeit langweilt ihn sein Beruf zunehmend, weshalb er sofort
hellhörig wird, als ihn eines Tages der CIA-Agent Schafer (Domhnall Gleeson,
"Ex Machina") anspricht und ihm ein aufregenderes Jobangebot
unterbreitet: Barry soll für die CIA in einem hochmodernen Kleinflugzeug Aufklärungsflüge
über Mittelamerika machen und Fotos von den von der Sowjetunion
unterstützten kommunistischen Revolutionären machen. Ohne seiner Frau davon zu
erzählen, nimmt er den Auftrag an, kündigt bei TWA und erwirbt sich ob seiner
halsbrecherischen Flugkünste (oft genug im Kugelhagel der wenig erfreuten
Revolutionäre) einen guten Ruf bei der CIA – und bei anderen. So kommt es, daß
Barry eines Tages von drei aufstrebenden Drogenproduzenten (darunter ein
gewisser Pablo Escobar) angesprochen wird, für die er auf seinen Flügen Kokain
in die USA schmuggeln soll. Da ihm hierfür eine viel bessere Bezahlung
angeboten wird als von der CIA, akzeptiert er …
Kritik:
Eigentlich sind in der Ära Donald Trump ja die Zeiten
vorbei, als man unglaublich erscheinende Geschichten mit den Worten kommentierte,
"so etwas würde sich nicht einmal ein Hollywood-Autor auszudenken
trauen". Aber bei "Barry Seal – Only in America" trifft es
einfach zu: Barry Seals Story ist dermaßen absurd und verrückt und unglaubwürdig,
daß sie nur von einem sehr phantasievollen, drogenaffinen
Drehbuch-Autor kommen kann! Eigentlich. Doch natürlich ist das nicht der Fall, denn
bekanntlich schreibt das Leben die verrücktesten Geschichten – und "Barry
Seal" ist der beste Beweis hierfür. Zugegeben, Autor Gary Spinelli hat sich
natürlich ein paar dramaturgische Freiheiten genommen oder zumindest kräftig
spekuliert – nachgewiesen sind Barrys Kontakte zur CIA wohl erst ab dem
Jahr 1984 –, witzigerweise wirken die Ereignisse, die im Film vor 1984
spielen, jedoch eher glaubwürdiger als das, was der Öffentlichkeit über die wahre
Geschichte bekannt ist. Spinelli und Regisseur Doug Liman ("Mr. & Mrs. Smith") haben das einzig Richtige getan und daraus eine satirische
Actionkomödie gemacht, die vor allem von der Absurdität von Barry Seals Entwicklung
lebt und von dessen einnehmender Darstellung durch Tom Cruise in einer Rolle,
die wir für ihn gemacht scheint (auch wenn er eigentlich 10 bis 15 Jahre zu alt
dafür ist).
Mir jedenfalls will kein anderer Hollywood-Schauspieler einfallen,
der so perfekt wie Cruise dafür prädestiniert ist, eine Figur zu verkörpern,
die sich mit purem Charisma und viel Chuzpe durch selbst die gefährlichsten und
skurrilsten Ereignisse hindurchschlawinert – na gut, Chris Pratt vielleicht,
aber sonst wirklich niemand. Bemerkenswert ist dabei, daß Barry nie
wirklich aus eigenem Antrieb heraus handelt – er stimmt einfach nur jedem Angebot zu,
das ihm gemacht wird, gleich ob es von der CIA kommt oder von Drogendealern.
Das macht ihn ein bißchen zum Gegenstück des von Nicolas Cage
verkörperten Waffenhändlers Yuri Orlov in Andrew Niccols schwarzhumoriger Satire
"Lord of War", einem Film, mit dem "Barry Seal" Gemeinsamkeiten aufweist, aber auch Unterschiede. Beide Geschichten beruhen auf realen Personen, in beiden Filmen geht es um Männer, die ihre Moral ausschalten,
um mit hochgradig illegalen Tätigkeiten einen beispiellosen Aufstieg zu schaffen
und stinkreich zu werden – scheinbar ohne daß die Behörden ihnen wirklich
etwas anhaben könnten (oder auch nur ernsthaft wollten). Der große Unterschied:
Yuri sucht aktiv jede Gelegenheit, sich weiter zu verbessern, wohingegen Barry
im Grunde genommen wie im Flipper von einer Station zur nächsten geschoben
wird.
Natürlich wehrt er sich nicht dagegen, weshalb man
keinesfalls behaupten kann, er sei nur ein unschuldiges Opfer der Umstände. Dafür
macht es ihm auch viel zu viel Spaß, reich zu sein. Aber gleichzeitig muß
man ihm zugutehalten, daß es schon eine kluge Entscheidung ist, zu manchen
Leuten – wie Pablo Escobar – lieber nicht "Nein" zu sagen, sondern zu
tun, was sie wollen; zumal wenn sie dafür verdammt gut bezahlen. Auf diese
Weise ist Barry Seal weder Held noch Bösewicht. Er ist ein Krimineller und das
ihm auch bewußt – aber da er niemandem direkt schadet (das übliche, sehr
bequeme und vor allem in den USA gerne verwendete "nicht Waffen/Drogen
töten Menschen – Menschen töten Menschen!"-Argument) und er stets um
die Unterstützung der CIA weiß (die seine "Nebentätigkeiten" offensichtlich
stillschweigend duldet), später sogar um die der Anti-Drogenbehörde DEA und des
Weißen Hauses, ist das für ihn kein großes Problem. Moral spielt für ihn
sowieso kaum eine Rolle, ihm geht es vor allem darum, für sich und seine
Familie ein gutes Leben aufzubauen – und nebenbei sogar die kleine Gemeinde, in
die er zieht, als Wohltäter teilhaben zu lassen. Zugegeben, dies tut er nicht
vorrangig aus gemeinnütziger Motivation, sondern primär, um das Schwarzgeld
zu waschen, aber immerhin. Letztlich lebt Barry Seal auf seine Art den
amerikanischen Traum, er ist ein Ultrakapitalist, der sich nur um sich selbst schert
und nicht um die Folgen seines Tuns. Und wenn man ehrlich ist, handeln die
übrigen Akteure im Film mit ganz wenigen Ausnahmen (wie der von "Glee"-Star
Jayma Mays verkörperten Staatsanwältin, die Barry hinter Gitter bringen will)
nicht oder wenig besser, weshalb man letztlich kaum einen moralischen
Unterschied zwischen Drogenhändlern, Revolutionären und US-Beamten oder
-politikern auszumachen vermag (beispielhaft am Streit zwischen den
einzelnen Behörden darüber zu sehen, wer Barry denn nun festnehmen darf) …
Ein Manko des Films ist allerdings, daß er diese satirischen Elemente zu sehr im Hintergrund hält und generell zu wenig
aufklärt. Anders als beim bitterbösen "Lord of War" steht bei
"Barry Seal" deutlich das Bemühen im Vordergrund, zu unterhalten, er ist eher Komödie als Satire. So
präsentieren Liman und Spinelli vorwiegend eine Ansammlung von verrückten
Anekdoten, die ob ihrer Absurdität natürlich sehr amüsant und zugleich zum
Haareraufen sind, wenn Barry beispielsweise so viel Bargeld anhäuft, daß er
mit dem Waschen nicht mehr hinterherkommt und ihm selbst in seiner geräumigen
neuen Villa der Stauraum dafür ausgeht; oder wenn er irgendwann jedes Mal nahe
Passanten wegschickt, ehe er den Motor startet, weil er befürchtet, einer seiner Gegenspieler
könne eine Bombe in seinem Auto installiert haben (wobei die Sorge um die Umstehenden durchaus etwas Rührendes hat). Aber sie lassen doch ein bißchen jene
Ernsthaftigkeit vermissen, die dem Thema zusteht. Doug Liman hat "Barry
Seal" trotz einiger spektakulärer und sehr immersiver Luftaufnahmen von Kameramann César
Charlone ("City of God"), die den Zuschauer geschickt quasi zum
Passagier von Barrys teils halsbrecherischen Flügen machen, ziemlich
konventionell inszeniert; auf die realen Hintergründe und vor allem auf die
gewaltigen gesellschaftlichen Konsequenzen des Drogenschmuggels geht er leider kaum ein. Es ist deshalb
definitiv von Vorteil, wenn man sich ein wenig mit der US-Historie der 1980er
Jahre auskennt, denn solche für die amerikanische Gesellschaft prägende Sachen
wie der Iran-Contra-Skandal werden nur am Rande erwähnt und kaum erklärt. Zu
kurz kommen weiterhin auch Barrys Familie und generell die Frauen. Zwar versucht
Liman erkennbar, speziell Barrys Ehefrau Lucy als eine von überhaupt nur zwei
nennenswerten weiblichen Figuren (neben der erwähnten Staatsanwältin) irgendwie
relevant zu machen, aber so richtig funktioniert das nicht. Das trägt dazu bei,
daß das Publikum nur bedingt eine emotionale Beziehung zu Barry aufbaut – er
ist und bleibt ein Windhund, dem man amüsiert kopfschüttelnd bei seinen
unglaublichen Erlebnissen zusieht, aber er ist in diesem Film kein echter
Mensch, mit dem man mitfühlt. Und das gilt im Grunde genommen für alle Figuren,
auch der von Domhnall Gleeson angemessen zwielichtig-opportunistisch gespielte
CIA-Mann Schafer bleibt ein besserer Stichwortgeber. In dieser
Hinsicht wäre definitiv deutlich mehr drin gewesen, dann würde "Barry
Seal" auch einen noch deutlich stärkeren Eindruck hinterlassen.
Fazit: "Barry Seal – Only in America" ist
eine sehr unterhaltsame Abenteuer-/Politfarce, die mit der Absurdität der mehr oder weniger wahren Story und einem Hauptdarsteller Tom
Cruise in Bestform punktet, aber letztlich zu oberflächlich bleibt, um mehr als
bloß zwei Stunden leichte Unterhaltung zu bieten.
Wertung: 7 Punkte.
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