Regie: Clint Eastwood, Drehbuch: Todd Komarnicki, Musik:
Christian Jacob und Tierney
Sutton Band
Darsteller:
Tom Hanks, Aaron Eckhart, Laura Linney, Anna Gunn, Jamey Sheridan, Christopher Curry, Sam
Huntington, Chris Bauer, Mike O'Malley, Holt McCallany, Molly Hagan, Max Adler,
Ann
Cusack, Michael Rapaport, Jeff Kober, Jeffrey Nordling, Autumn Reeser
FSK: 12, Dauer: 96 Minuten.
Als am 15. Januar 2009 beim US Airways-Flug 1549 wenige
Minuten nach dem Start vom New Yorker Flughafen LaGuardia nach Vogelschlag
beide Triebwerke ausfallen, entscheidet sich der erfahrene Pilot Chesley
"Sully" Sullenberger (Tom Hanks, "Saving Mr. Banks") entgegen
aller Empfehlungen für solche Notfälle für eine hochriskante Notwasserung auf
dem Hudson River mitten in New York. Mit einer flugtechnischen Meisterleistung
bringt er den Airbus bei eisigen Temperaturen einigermaßen sanft herunter,
auch dank der schnellen Reaktion der freiwilligen
und professionellen Rettungskräfte überleben alle Insassen. Fortan wird Sully in den Medien als ein
amerikanischer Held gefeiert, doch unbemerkt von der Öffentlichkeit gerät die
waghalsige Aktion des Piloten bei der Nationalen Behörde für Transportsicherheit
in die Kritik – denn die nach solchen Vorfällen obligatorischen
Computersimulationen ergeben, daß das Flugzeug sehr wohl noch sicher nach
LuGuardia zurückkehren oder auf einer nahen Ausweichlandepiste hätte landen
können. Während Sully also von Wildfremden umarmt und zu seiner heroischen Tat
beglückwünscht wird und sein Co-Pilot Jeff Skiles (Aaron Eckhart,
"The Dark Knight") davon überzeugt ist, daß die Simulationen irren
und Sully allen im Flugzeug das Leben gerettet hat, wachsen in ihm die Zweifel
– dann muß er sich vor einem Ausschuß für seine Entscheidung rechtfertigen.
Falls ihm das nicht gelingt, droht dem vermeintlichen Helden das sofortige Ende
seiner Karriere …
Kritik:
Ich gebe zu, ich war trotz der positiven Kritiken sehr
skeptisch, ob mir "Sully" gefallen würde. Regisseur
Clint Eastwood hatte mich mit seinem letzten Film, dem bedenklich militaristischen
"American Sniper", ziemlich verärgert, auch schien die reale
Geschichte kaum genug Stoff für einen ganzen Kinofilm herzugeben. Und außerdem
hatte erst vier Jahre zuvor Robert Zemeckis mit "Flight" eine ähnliche Produktion mit deutlich interessanteren Hintergründen (allen voran dem
Alkoholismus des von Denzel Washington vortrefflich porträtierten Piloten) veröffentlicht. Doch ich muß Abbitte leisten: Eastwood holt mit seiner
inszenatorischen Routine wirklich alles aus der dünnen Story heraus und
beeindruckt mit einem unterhaltsamen, trotz des sattsam bekannten
glücklichen Ausgangs bemerkenswert spannenden Film. Man kann sagen: "Flight" ist die Arthouse-Variante der Thematik, "Sully" die (gut gemachte) Mainstream-Version.
Anders als
"Flight" eröffnet "Sully" nicht mit dem Beinahe-Absturz, sondern etwas später. Erst nach und nach erfahren wir in ausführlichen Rückblenden, wie sich
alles genau zugetragen hat. Natürlich ist das kein allzu originelles
Stilmittel, aber durch die behördlichen Ermittlungen, die Sully dazu
zwingen, sich wieder und wieder mit seinen Entscheidungen auseinanderzusetzen,
ergibt sie absolut Sinn. Nur die seltenen, ganz kurzen Rückblicke auf Sullys
Anfänge als Pilot wirken recht überflüssig, auch wenn sie von Todd Komarnickis ("Verführung einer Fremden")
Drehbuch alibimäßig als spontane Erinnerungen Sullys verkauft werden. Da die
Rückblenden-Methodik alleine nicht ausreichen würde, um aus den dreieinhalb
Minuten der Notwasserung eine Erzählung zu machen, die eineinhalb Stunden lang
das Interesse des Publikums hochhält, wurde zudem ein Konflikt eingeführt, den
es in der Realität so gar nicht gab – den zwischen Sully und seinem Co-Piloten Skiles auf der einen Seite und den nicht allzu unvoreingenommen wirkenden Ausschußvorsitzenden auf der anderen. Da
kommt dann doch wieder ein bißchen die schlechte Erinnerung an "American
Sniper" hoch, wo ein erfundenes Scharfschützen-Duell für Spannung
sorgen und den angeblichen Heroismus des Protagonisten noch stärker betonen sollte. In "Sully" geht Eastwood zwar deutlich subtiler
vor, dennoch hat es seinen guten Grund, daß sich die (u.a. von den TV-Stars Anna Gunn
aus "Breaking Bad" und Jamey Sheridan aus "Homeland"
verkörperten) Ausschußmitglieder auf Bitten des echten Captain Sullenberger
nicht an den realen Vorbildern orientieren, da es sich in Wirklichkeit um
eine Routineuntersuchung handelte, wohingegen der Ausschuß im Film eine deutliche
Antagonisten-Rolle einnimmt (was manche Kritiker nicht ganz grundlos als
weiteren Beitrag zur "Evil Government"-Rhetorik im Umfeld des bizarren
US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 sehen). Daß das so ist, kann man als
aufmerksamer Beobachter übrigens schon daran erkennen, daß die Experten hier reichlich inkompetent wirken, wenn sie sich etwa erst durch Sully
über entscheidende Fakten belehren lassen müssen – würde das der Realität
entsprechen, müßte man sich große Sorgen um die Flugsicherheit in den USA machen
…
Zum Glück ist das aber nur die Rahmenhandlung, im
Mittelpunkt steht die Notwasserung auf dem Hudson. Und die ist von
Eastwood mit all seiner Erfahrung so kompetent und technisch erstklassig in
Szene gesetzt, daß sie trotz des bekanntlich glücklichen Ausgangs ungeahnte
Emotionalität im Zuschauer freisetzt, sachte verstärkt durch die gefühlvolle,
aber nicht zu dick auftragende Klaviermusik. Auch der Kniff, einige
Passagiere mit ihren individuellen Geschichten hervorzuheben (allen voran einen
Vater mit zwei erwachsenen Söhnen, deren eigentlicher Flug ausgefallen
ist und die deshalb in letzter Sekunde auf den US Airways-Flug ausweichen) und
sie ohne großen Aufwand als zusätzliche Identifikationsfiguren für das
Publikum zu etablieren, funktioniert hervorragend. Letztlich erzählt Clint Eastwood
hier wieder einmal eine klassische Heldengeschichte – allerdings ist eigentlich
gar nicht mal Sully der wirkliche Held, sondern die Gemeinschaft: Pilot,
Co-Pilot, Flugzeugbesatzung, die sehr bedacht agierenden Passagiere, die
Fluglotsten, die Polizeitaucher, die rasch zur Hilfe eilenden Fähren (der
Kapitän der Fähre, die als erstes vor Ort war, Vince Lombardi, spielt sich
übrigens selbst) … Für jemanden, der in der Realität in den letzten Jahren
vermehrt mit lautstarken politischen Einlassungen aufgefallen ist, die deutlich der Seite derjenigen in den USA zuzuordnen sind, die sich eher als spaltende denn als einende Kräfte hervortun, ist das eine bemerkenswert
optimistische Botschaft.
Schauspielerisch sind Tom Hanks und Aaron Eckhart wenig
überraschend über jeden Zweifel erhaben, wobei sie ihre Fähigkeiten vor allem
im Nachgang des Fluges ausspielen können. Eckhart porträtiert den Co-Piloten
Jeff Skiles als loyalen, etwas aufbrausenden Menschen, der immer einen lockeren
Spruch auf den Lippen hat, während Sully von Hanks eher grüblerisch dargestellt
wird – letzten Endes ist er traumatisiert und träumt
immer wieder davon, daß er den Absturz des Flugzeugs verschuldet. An dieser
Stelle bringt Eastwood übrigens auch ein paar naheliegende Anspielungen auf die
Terroranschläge des 11. September 2001 ins Spiel, die auf den ersten Moment arg
effekthascherisch wirken mögen, bei genauerer Betrachtung aber nur logisch
sind. Immerhin ist der Schauplatz des Geschehens New York und man mag sich kaum
vorstellen, was diejenigen, die da keine siebeneinhalb Jahre nach 9/11 zufällig
aus dem Fenster geschaut und den tief über und zwischen den Hochhäusern der New
Yorker Skyline fliegenden Airbus gesehen haben, gedacht haben müssen … Insofern
ist es auch nicht verwunderlich, daß etwa die kurzen Umschnitte zu den
Fluglotsen, die die Notlage des US Airways-Fluges mehr oder weniger hilflos
mitverfolgen müssen und das Schlimmste befürchten, an Paul Greengrass'
aufwühlendes 9/11-Drama "Flug 93" erinnern. Die mittelschwere
Traumatisierung Sullys reicht derweil zwar nicht aus, um eine ähnliche Tiefe in
der Figurenzeichnung zu erreichen wie es bei "Flight" der Fall ist oder bei Hanks' Glanzleistung als Frachterkapitän in "Captain Phillips"; der zweimalige OSCAR-Gewinner beeindruckt
nichtsdestoweniger, Eckhart und auch Laura Linney ("Tatsächlich ... Liebe") in ihrer Rolle als Sullys Ehefrau ebenfalls.
Fazit: Zwar ist die Rahmenhandlung von "Sully" merklich
fabriziert und durchaus bedenklich, davon abgesehen ist Clint Eastwood jedoch ein sehr unterhaltsamer Fast-Katastrophenfilm mit zwei
starken Hauptdarstellern gelungen.
Wertung: 8 Punkte.
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