Regie:
Gareth Edwards, Drehbuch: Chris Weitz und Tony Gilroy, Musik: Michael Giacchino
Darsteller:
Felicity Jones, Diego Luna, Ben Mendelsohn, Donnie Yen, Jiang Wen, Alan Tudyk, Riz
Ahmed, Mads Mikkelsen, Forest Whitaker, Genevieve O'Reilly, Jimmy Smits,
Ben Daniels, Alistair Petrie, Ian McElhinney, Fares Fares, Babou Ceesay, Daniel
Mays, Geraldine James, Valene Kane, Guy Henry, Rian Johnson, Warwick Davis,
Anthony Daniels, James Earl Jones
Als Jyn Erso (Felicity Jones, "Die Entdeckung der Unendlichkeit") ein Kind war, lebte sie mit ihren Eltern ein schlichtes und einsames, jedoch genügsames Leben als Landwirte auf einem unbedeutenden Planeten irgendwo am Rande des Imperiums. Unglücklicherweise
ist ihr Vater Galen (Mads Mikkelsen, "Doctor Strange") ein meisterhafter Ingenieur, dessen Expertise das Imperium unbedingt benötigt, um
seine neue, alles vernichtende Geheimwaffe fertigzustellen, die die Rebellion
endgültig besiegen soll: den Todesstern. Als der mit dem Bau beauftragte
Director Krennic (Ben Mendelsohn, "Killing Them Softly") Galen in
seinem Versteck aufgespürt hat, zwingt er ihn zurück in den Dienst für das
Imperium, doch die kleine Jyn kann dank der Hilfe von Galens altem Freund Saw
Gerrera (Forest Whitaker, "Der Butler") entkommen. Als Erwachsene ist
Jyn eine kriminelle Außenseiterin, die vom Imperium wegen diverser Delikte
inhaftiert wurde – bis sie von den Männern des Rebellen Cassian (Diego Luna,
"Open Range") befreit wird. Denn wie er erfahren hat, will der imperiale Pilot
Bodhi Rook (Riz Ahmed, "Jason Bourne") überlaufen und hat Saw eine
wichtige Botschaft von Galen überbracht. Da der wenig zimperliche Saw sich
schon vor längerer Zeit im Unfrieden von den eher gemäßigt agierenden Rebellen getrennt
hat, soll Jyn Kontakt zu dem Mann herstellen, der sie aufgezogen, dann aber
einfach zurückgelassen hat ...
Kritik:
Als Walt Disney 2012 überraschend in einem Milliardengeschäft
Lucasfilm übernahm, wurden die zwei wichtigsten Eckpfeiler der künftigen Strategie
bezüglich des "Star Wars"-Franchise bekanntgegeben: Es gibt eine
direkte Fortsetzung der Episoden I bis VI – und zwischendurch mehr oder weniger
eigenständige Spin-Offs zu verschiedensten Themen (2018 wird es einen Film
über den jungen Han Solo geben, außerdem gelten Geschichten über den Kopfgeldjäger
Boba Fett sowie den dann erneut von Ewan McGregor zu verkörpernden Jedimeister
Obi-Wan Kenobi als reelle Möglichkeiten). Nachdem Ende 2015 "Episode VII: Das Erwachen der Macht" dem unglaublich hohen Erwartungsdruck standhalten konnte und
zum (nicht inflationsbereinigt) dritterfolgreichsten Film aller Zeiten hinter
"Avatar" und "Titanic" aufstieg, folgt nun mit "Rogue
One" das erste, mit Spannung erwartete Produkt der Nebenreihe. Die
Kritiker sind sich nicht ganz einig, ob "Rogue One" nun vorrangig den
echten "Star Wars"-Fans gefallen wird oder sich auch als Einstiegspunkt
für neue Zuschauer eignet. Ich persönlich tendiere zur ersten Option – nicht,
weil der Film inhaltlich für Neueinsteiger schwierig zu verstehen wäre, sondern
weil er stilistisch bei allen für die Fans tollen Querverweisen doch ganz
anders ist als die Hauptreihe und somit kaum repräsentativ für das "Star
Wars"-Universum. Schlecht ist das wohlgemerkt nicht, vielmehr ist es schön
zu sehen, wie der Regisseur Gareth Edwards ("Godzilla") und die
Drehbuch-Autoren Chris Weitz ("Cinderella") und Tony Gilroy
("Michael Clayton") ihre Freiheiten nutzen. Sie haben einen
kompromißlosen Science Fiction-Kriegsfilm geschaffen, dessen Ton grimmiger ist
als der aller bisherigen "Star Wars"-Filme (ja, auch "Episode
III"; dessen Story über den Fall Anakin Skywalkers hatte zwar in der
Theorie ein deutlich höheres emotionales Gewicht, konnte dieses durch eine
stark mängelbehaftete Umsetzung jedoch nur sehr bedingt zum Tragen bringen),
quasi eine Weltraum-Version von "Das dreckige Dutzend" (wenn auch ohne wirklich brutale Szenen, was bei der Altersfreigabe ab 12 Jahren niemanden verwundern dürfte) – wem "Episode
VII" sich also zu sehr an altbekannten Handlungsmustern orientierte, der
darf sich hier auf etwas wirklich Neues im Franchise freuen.
Witzigerweise habe ich dieses erste "Star
Wars"-Spin-Off genau zwei Tage gesehen, nachdem ich mir im Kino das erste
"Harry Potter"-Spin-Off namens "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" zu Gemüte führte. Den direkten Vergleich gewinnt in
meinen Augen knapp "Phantastische Tierwesen" und dafür gibt es einen
Grund: ausgefeiltere Charaktere. Wo sich "Phantastische Tierwesen"
oder auch "Star Wars Episode VII" mit Rey und Finn relativ
viel Zeit ließ, um das Publikum mit den neuen Protagonisten vertraut zu machen
und eine emotionale Bindung aufzubauen, geht "Rogue One" nach dem in
Jyns Kindheit spielenden Prolog schnell in die Vollen (und verzichtet übrigens
auf den berühmten erklärenden Rolltext ebenso wie auf John Williams' noch
berühmtere "Star Wars"-Fanfare). Nach einem Wiedersehen mit
zwei Überlebenden der Prequel-Trilogie – Genevieve O'Reilly kehrt zurück als
nun Rebellenanführerin Mon Mothma, Jimmy Smits als Leias Adoptivvater, Senator Bail
Organa – dominieren fast bis zum Schluß actionreiche Szenen ohne größere Pausen
dazwischen. Abgesehen von ein paar "Star Wars"-typisch recht
pathetischen (aber durchaus effektiven) Ansprachen müssen wir das sich nach und
nach zusammenfindende Helden-Sextett (wobei "Helden" angesichts der betont ambivalent gehaltenen Figuren ein relativer Begriff ist) weniger
durch Worte als durch Taten kennenlernen. Das gelingt auch ziemlich gut,
sind doch die im Zentrum stehenden Jyn und Cassian ebenso interessant und
markant wie ihre Gefährten K-2SO (Alan Tudyk aus "Serenity" spielt
nach "I, Robot" erneut per Motion Capture einen Roboter) – ein umprogrammierter,
mit seinem sehr trockenen Humor meines Erachtens vom kultigen HK-47 aus dem
Computerspiel "Knights of the Old Republic" inspirierter imperialer Sicherheitsdroide
–, der blinde ehemalige Jeditempel-Wächter Chirrut Îmwe (Donnie Yen, "Ip Man"), sein Freund Baze Malbus (Jiang Wen, "The Lost Bladesman")
und der übergelaufene Pilot Bodhi Rook. Bemerkenswert: Kein einziger dieses bunt
zusammengewürfelten Sextetts ist ein weißer Mann! Ehrlich gesagt kann ich es ja
immer noch nicht fassen, daß die Martial Arts-Legende Donnie Yen
in einem "Star Wars"-Film mitspielt – doch er tut es und darf zeigen,
was er alles kann (und den besten Gag des Films bekommt er auch noch
spendiert). Schauspielerisch hat mich jedoch Diego Luna am stärksten
beeindruckt, dessen Cassian auch die größte Charaktertiefe aufweist, sogar mehr als die eigentliche Hauptheldin Jyn (eine Rolle, die die
großartige Felicity Jones ehrlich gesagt eher unterfordert). Doch um all diesen
spannenden Figuren wirklich nahezukommen, haben sie einfach zu wenig ruhige Momente
zwischen all den Kampfhandlungen. Bezeichnend dafür ist, daß Chirrut Îmwe und
Baze Malbus niemals ausdrücklich in die Gruppe aufgenommen werden – man trifft sich,
man erkennt, daß man gemeinsame Feinde hat, und ab da arbeitet man wie
selbstverständlich zusammen. Na gut, inhaltlich hätte es wahrscheinlich nicht so viel
gebracht, wenn man vor dieser Zusammenarbeit erst noch eine ausführliche
Gesprächsrunde gezeigt hätte, realistischer wäre das aber schon gewesen – zumal
Vertrauen und dessen Mißbrauch durchaus eine Rolle spielen im Rahmen der
Handlung.
Für Actionverweigerer ist "Rogue One" definitiv
nicht geeignet. Alle anderen dürfen sich auf ein
wahres Actionfeuerwerk freuen, brillant gefilmt und choreographiert, mit
einer aufpeitschenden Musik von Michael Giacchino ("Cloverfield") – dem ersten "Star
Wars"-Komponisten, der nicht John Williams heißt, auch wenn er sich
natürlich an dessen ikonischen Melodien orientierte und einige direkt mit
bestimmten Personen in Verbindung stehende Themen übernahm – und einer
herausragenden Tongestaltung, die den Kriegsfilm-Aspekt gerade in einem
Kinosaal, der mit Dolby Atmos ausgerüstet ist, hautnah erfahrbar zu machen
scheint. Die Raumschlachten fallen ebenso spektakulär aus wie die Gefechte am
Boden (in erfreulich abwechslungsreichen Gebieten), dazu sorgen perfekt getimte
und präsentierte Auftritte ikonischer Kampfgeräte wie der imperialen AT-AT-Kampfläufer
oder natürlich der X-Wing-Sternjäger der Rebellenallianz. Wie gesagt, das
alles ist hochgradig kompetent in Szene gesetzt und sorgt für einige spannende Momente – nur gehen die (ähnlich wie bei "Phantastische
Tierwesen") ziemlich dünne Story und die Figuren dabei etwas unter. Das
ist schon deshalb schade, weil die Selbstmordmission von Jyn und ihren Gefährten erwartungsgemäß
nicht ohne Opfer bleibt, die so aber nicht jene Wucht entfalten können, die bei
sorgfältigerer Etablierung der Figuren möglich gewesen wäre. Dennoch ist es
ohne Zweifel beeindruckend und lobenswert, mit welch brutaler Konsequenz die
Filmemacher diese Kriegsstory zu ihrem (eigentlich ja bekannten) Ende führen.
Nein, als SciFi-Märchen kann man "Rogue One" definitiv nicht mehr
bezeichnen …
Bei aller technischen Brillanz gibt es jedoch einen
Wermutstropfen. Ohne spoilern zu wollen: Eine Person aus "Episode IV"
– bei der ich mich im Vorfeld schon gefragt hatte, wie "Rogue One"
komplett ohne sie funktionieren soll – tritt hier auf, indem das Gesicht des
ursprünglichen Schauspielers per CGI-Zauberei auf den Körper des neuen
Schauspielers projiziert wird. Und daß es sich eben nicht um ein echtes,
menschliches Gesicht handelt, ist ziemlich deutlich zu erkennen. In zehn Jahren
wird das vermutlich kein Problem sein, dann wird man das mit der neuesten Technologie
überarbeiten und es wird vollkommen realistisch aussehen – heute ist das noch
nicht möglich und ich empfand das CGI-Gesicht schon als ein wenig störend. Bei
einem anderen Rückkehrer, der bereits in den Trailern beworben wurde und über den
ich daher ohne Spoilergefahr schreiben kann, ist das zum Glück nicht der
Fall: Darth Vader ist zurück – und wird in der Originalfassung (die ich gesehen
habe) sogar wieder vom inzwischen weit über 80 Jahre alten James Earl Jones
gesprochen! Zugegeben, dramaturgisch sind Darth Vaders kurze Auftritte eigentlich
überflüssig, aber erstens freut sich vermutlich jeder "Star Wars"-Fan
trotzdem über sein Comeback und zweitens ermöglicht dieses erst die – ohne Übertreibung
– überragend inszenierte und unweigerlich gänsehauterzeugende direkte Überleitung
von "Rogue One" zu "Episode IV: Eine neue Hoffnung". Da
kann man auch verschmerzen, daß Vader den eigentlichen Filmbösewicht Orson Krennic in
den Schatten stellt, auch wenn der Australier Ben Mendelsohn noch einiges aus
dieser arg stereotyp geratenen Figur herausholt.
Für sich genommen ist "Rogue One" fraglos ein guter, aber
kein überragender Film, der klar zu benennende Stärken und Schwächen hat. Ich
glaube jedoch, daß er seine wahre Wirkung erst als Teil des "Star
Wars"-Universums entfaltet. Um diese These vollumfänglich zu überprüfen,
müßte ich nun erst einmal zumindest "Episode IV" noch einmal
anschauen, doch auch ohne das getan zu haben, bin ich mir sicher, daß sich die
Geschehnisse von "Rogue One" positiv auf "Eine neue
Hoffnung" auswirken. Es ist einfach etwas anderes, ob man in "Eine
neue Hoffnung" erfährt, daß die Rebellen unter Verlusten die Baupläne für
den Todesstern bekommen konnten, oder ob man es tatsächlich sieht, mehr als zwei Stunden
lang den Helden wider Willen dabei zusieht, wie sie mit unmenschlichen
Anstrenungen und schmerzlichen Opfern alles riskieren, um diese
vermaledeiten Pläne zu erringen. Und so ganz nebenbei erhöht "Rogue
One" sogar die Glaubwürdigkeit von "Eine neue Hoffnung", bei
dem es ja nie so richtig realistisch wirkte, daß der gigantische Todesstern sich
mit einem (wenn auch extrem schwierig zu erzielenden) Treffer
vernichten läßt. Mit dem, was wir in "Rogue One" erfahren, ergibt das
plötzlich Sinn – wunderbar! Fest steht: Wenngleich die Düsternis von
"Rogue One" sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist, stellt er
einen absolut gelungenen Auftakt der "Star Wars"-Spin-Offs dar und
macht Lust auf mehr Geschichten von vor langer Zeit aus einer weit,
weit entfernten Galaxis …
Fazit: "Rogue One: A Star Wars Story" ist
ein gelungenes, optisch und akustisch brillantes Spin-Off, das mit einem neuen,
düsteren, deutlich an Kriegsfilme angelehnten Stil den Horizont der populären
SciFi-Reihe erweitert – wenngleich bei all der Action Handlung und Charaktere
etwas kurz kommen.
Wertung: 8 Punkte.
Wen es interessiert, hier meine persönliche Rangfolge aller bisherigen "Star Wars"-Kinofilme:
1. Episode V: Das Imperium schlägt zurück (10)
2. Episode VII: Das Erwachen der Macht (9)
3. Episode III: Die Rückkehr der Jediritter (8,5)
4. Rogue One (8)
5. Episode II: Angriff der Klonkrieger (8)
6. Episode IV: Eine neue Hoffnung (7,5)
7. Episode I: Die dunkle Bedrohung (6,5)
8. Episode III: Die Rache der Sith (6)
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Wen es interessiert, hier meine persönliche Rangfolge aller bisherigen "Star Wars"-Kinofilme:
1. Episode V: Das Imperium schlägt zurück (10)
2. Episode VII: Das Erwachen der Macht (9)
3. Episode III: Die Rückkehr der Jediritter (8,5)
4. Rogue One (8)
5. Episode II: Angriff der Klonkrieger (8)
6. Episode IV: Eine neue Hoffnung (7,5)
7. Episode I: Die dunkle Bedrohung (6,5)
8. Episode III: Die Rache der Sith (6)
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